# taz.de -- 17. Juni in Berlin: „So heißt doch diese große Straße“
       
       > Das offizielle Gedenken an die Opfer des DDR-Volksaufstandes vor 67
       > Jahren fand diesmal in kleinem Rahmen statt. Jüngere zeigen sich
       > uninformiert.
       
 (IMG) Bild: Kranzniederlegung auf dem Friedhof an der Seestraße
       
       Zwei Männer laufen über den Platz an der Ecke Leipziger-/Wilhelmstraße. Es
       ist Mittwoch, der 17. Juni, kurz vor 13 Uhr. Der eine schiebt einen
       Rollkoffer, der andere trägt eine Essentüte. Sie steuern auf das
       Bundesfinanzministerium zu. Zur NS-Zeit befand sich hier das
       Reichsluftfahrtministerium, zu DDR-Zeiten das Haus der Ministerien. Unter
       einer Bronzetafel an der Hauswand und vor einer in den Boden eingelassenen
       historischen Fotografie liegen frische Blumenkränze.
       
       Die Männer, Jahrgang 1998, geben sich als Zollbeamte aus Dortmund zu
       erkennen. Ob sie wissen, wo sie sind? Der eine zückt sein Handy: „Platz des
       Volksaufstandes von 1953“, liest er vor. Was für ein Volksaufstand das war?
       „Keine Ahnung.“
       
       Ein Ehepaar, er 46 Jahre alt, sie 39, bleibt vor den Kränzen stehen. Ob
       ihnen das Datum was sagt? Er: „Am 17. Juni hat meine Mutter Geburtstag.“
       Sie deutet Richtung Tiergarten. „So heißt doch diese große Straße.“
       
       Das offizielle Gedenken an die Opfer des DDR-Volksaufstandes vor 67 Jahren
       fand dieses Jahr – Corona geschuldet – in kleinem Rahmen statt. Auf dem
       Friedhof an der Seestraße legte am Mittwoch der Regierende Michael Müller
       (SPD) einen Kranz nieder. Rund 1 Million Menschen waren seinerzeit in
       Ostberlin und 700 weiteren Orten der DDR auf die Straße gegangen. Aus
       spontanen Streiks gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen hatte sich ein
       Aufstand mit dem Ruf nach Demokratie, Freiheit und Einheit entwickelt.
       
       Bei der Staatsmacht sei das auf erbitterten Widerstand gestoßen, sagte
       Müller am Mittwoch in einer Videobotschaft. „Mit Hilfe sowjetischer Panzer
       schlug die DDR-Führung den Aufstand brutal nieder.“ Auf dem Friedhof an der
       Seestraße seien einige der über 50 Todesopfer begraben.
       
       Vor dem Haus der Ministerien der DDR hatten die Proteste begonnen.
       Bauarbeiter der Stalinallee hätten am 16. Juni 1953 den Anstoß gegeben,
       steht auf der Bronzetafel. Ein Mann und eine Frau, beide 60 und mit dem Rad
       unterwegs, kennen sich aus. Sie bezeichnen sich als undogmatische Linke.
       Als solche hätten sie immer Probleme mit dem 17. Juni gehabt.
       
       Vielen Linken in der Bundesrepublik ging das früher so. Der 17. Juni, bis
       zur Wende ein nationaler Feiertag, war von den Konservativen vereinnahmt.
       Auch wollte man das System der DDR nicht in Bausch und Bogen verurteilen,
       obwohl man sich damit nicht identifizierte.
       
       10 Kränze liegen an diesem Tag auf dem Platz – von der CDU, Vereinigungen
       wie dem Bund der Vertriebenen, der Regierung, dem Abgeordnetenhaus. Ein
       Kranz mit sommerlichen Blumen sticht aus dem schwarz-rot-goldenen
       Farbenspiel heraus. Er kommt von den Grünen.
       
       17 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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