# taz.de -- Corona-Ausbruch in Neukölln: Unter Quarantäne
       
       > Nach zahlreichen Corona-Fällen in mehreren Wohngebäuden hat das
       > Bezirksamt Neukölln zu teils drastischen Maßnahmen gegriffen.
       
 (IMG) Bild: In Neukölln sind bislang 57 von 265 Tests positiv ausgefallen
       
       Berlin taz | Bei dem jüngsten Corona-Ausbruch im Bezirk Neukölln sind am
       Dienstagvormittag bereits 57 Personen positiv auf das Virus getestet
       worden. Das sagten Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) und
       Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) auf einer Pressekonferenz im
       Neuköllner Rathaus. Sie bestätigten, dass ein Gebäudekomplex an der Ecke
       Harzer/Treptower Straße komplett unter Quarantäne gestellt worden sei, um
       das dortige Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. Quarantäne sei in
       diesem Zusammenhang aber auch über etliche andere Haushalte an fünf
       weiteren Standorten im Bezirk verhängt worden.
       
       Insgesamt 369 Haushalte sind von der Maßnahme betroffen, wie Liecke am
       Dienstag erklärte. Das Gesundheitsamt nehme mit mobilen Teams vor Ort
       Abstriche, bislang lägen die Ergebnisse von 265 Tests vor. Bei den von den
       Infektionsketten Betroffenen handelt es sich offenbar hauptsächlich um
       Mitglieder der rumänischen Community, die unter anderem schwerpunktmäßig in
       den Häusern an der Harzer und Treptower Straße lebt. Viele BewohnerInnen
       stammen aus einem Dorf in der Nähe von Bukarest und gehören einer
       sogenannten Pfingst-Gemeinde an.
       
       Im Jahr 2011 kaufte die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH
       den baufälligen und [1][völlig überbelegten Gebäudekomplex, sanierte ihn
       und machte ihn nach eigenen Angaben zum „Modellprojekt der Integration“].
       Überbelegung scheint allerdings auch weiterhin ein Problem zu sein: „In den
       betroffenen Haushalten leben zwischen einer und zehn Personen“, sagte der
       Bezirksbürgermeister, eine genaue Zahl lasse sich „nicht valide angeben“.
       Aufgrund der ökonomischen Situation der Menschen seien die Wohnverhältnisse
       sehr beengt. „Nicht ganz überraschend“ treffe die Pandemie mittlerweile die
       Schwächsten der Gesellschaft, so Hikel. „Ausgehend von den Skigebieten ist
       sie jetzt in den Mietskasernen angekommen.“
       
       Auf den Corona-Ausbruch war das Neuköllner Gesundheitsamt nach Lieckes
       Schilderung aufmerksam geworden, als vor zehn Tagen drei SchülerInnen
       positiv getestet wurden. Dass man nun ganze Wohnhäuser unter Quarantäne
       gestellt habe, sei eine ungewöhnliche Maßnahme, allerdings entspreche sie
       den Emfpehlungen des Robert-Koch-Instituts, weil es sehr viele Kontakte
       zwischen den einzelnen Haushalten gebe. Außerdem sei die Alternative
       gewesen, zehn Schulen unter Quarantäne zu stellen. „Aber dann wären die
       Kinder ja auf den Straßen und Spielplätzen gewesen.“
       
       ## Bezirk verfolgt eine „Stufenstrategie“
       
       Gerade bei dem sommerlichen Wetter sei es derzeit für Kinder und
       Jugendliche schwierig, 14 Tage zuhause zu bleiben, räumte Liecke ein: „Die
       wollen sich natürlich bewegen.“ Man versuche, einen Mittelweg zu finden,
       der in der Harzer Straße auch darin bestehen könne, den Hofbereich der
       Häuser kontrolliert zu öffnen.
       
       Des Weiteren werde eine „Stufenstrategie“ verfolgt: Im Moment sei man
       dabei, mit SozialarbeiterInnen und SprachmittlerInnen auf die Menschen
       „informativ zuzugehen“. Wenn es „Quarantänebrecher“ geben sollte, komme es
       zum Mittel der „normenverdeutlichenden Ansprache“. Erst in einer möglichen
       dritten Stufe werde man die Polizei um Amtshilfe bitten, die aber immer
       einzelfallbezogen bleibe: „Wir stellen nicht eine Wanne vor der Tür, um mit
       Polizeipräsenz zu beeindrucken“, versprach der Stadrat.
       
       Die meisten der 57 positiv Getesteten zeigten milde bis asymptomatische
       Verläufe, berichtete der Neuköllner Amtsarzt Nicolai Savaskan, bei mehreren
       Personen liege der Infektionszeitpunkt auch schon über 14 Tage zurück.
       Damit gelten sie als genesen. Im Krankenhaus versorgt werde nur ein Patient
       aus dieser Gruppe. Offenbar handelt es sich dabei um einen Prediger der
       Pfingstgemeinde. In den vergangenen Tagen war von Medien gemutmaßt worden,
       ein Gottesdienst sei zum „Superspreading“-Ereignis geworden. Dafür gebe es
       aber bislang keine Belege, betonten Hikel und Liecke.
       
       ## Keine Auswirkung auf Corona-Ampel
       
       Auf die Berliner Corona-Ampel hat der Ausbruch vorläufig keine Auswirkung.
       Erst wenn sich innerhalb einer Woche mehr als 30 von 100.000 EinwohnerInnen
       anstecken, springt eine Teilampel auf rot – das sind immerhin rund 1.150
       Fälle. Am Montag lag die sogenannte Inzidenzzahl (Zahl der Fälle pro
       100.000 Personen) bei 8,03.
       
       Gesundheitsstadrat Liecke verwies darauf, dass auch die Bezirke Spandau und
       Mitte in diesem Zusammenhang Quarantänen verhängt hätten. Ein Sprecher des
       Bezirksamts Mitte bestätigte der taz, dass dies auf ein Haus im Wedding
       zutreffe, in dem „einzelne Bewohner*innen vom Gesundheitsamt Mitte positiv
       getestet worden“ seien. Eine generelle Haus-Quarantäne sei aber nicht
       ausgesprochen worden. Das Gesundheitsamt werde in den kommenden Tagen ein
       Screening aller Bewohner*innen vornehmen.
       
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) kommentierte die Neuköllner Maßnahmen auf
       der Senats-Pressekonferenz am Dienstag so: „Das war die richtige und
       vernünftige Entscheidung. Es geht darum, lokale Infektionszentren
       einzugrenzen und zu begrenzen und die Ausbreitung des Virus so zu
       verhindern.“
       
       16 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
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