# taz.de -- Ganz praktisch gegen das Klima: Zeugnisse beim TÜV
       
       > Eine Schule lässt den Abiturjahrgang per Auto zum Abschluss defilieren.
       > So ist Brandenburg? Nicht immer, in diesem Falle aber leider schon.
       
 (IMG) Bild: Autokino in Brandenburg, bald auch mit Abitur
       
       Coronahalber kaum was erreicht in diesem Schulhalbjahr – und trotzdem
       beginnen Ende kommender Woche in meinem ostdeutschen Flächenland die
       Ferien. Klar. Und wie es sich für ein Land der weiten Wege gehört, gibt es
       für den aktuellen Coronajahrgang die Abizeugnisse auf ortsüblich angepasste
       Weise. An diesem Freitag sind die AbiturientInnen des Gymnasiums meiner
       kleinen Kleinstadt eingeladen, sich mit ihre Familie ins Auto zu setzen und
       das in einer früheren NVA-Kaserne gelegene TÜV-Gelände anzusteuern.
       
       Um einen Ersatz für die üblicherweise in der Schulaula stattfindende
       festliche Zeugnisübergabe zu schaffen, hat sich die Direktorin eine
       regional einzigartige Lösung einfallen lassen: [1][eine Autoparty. Sie
       nennt es „Drive-in“.] Ihr Plan sieht vor, dass jede Familie einzeln
       vortuckert. Die jeweilige AbirutientIn empfängt durch das Beifahrerfenster
       ihr Reifezeugnis. Anschließend entsteigt sie dem Gefährt, nimmt kurz für
       ein Foto Aufstellung – und hopp!, schnell wieder weg in die Weiten
       Brandenburgs.
       
       Urbanen BeobachterInnen mag dies logisch erscheinen. Bauernabitur auf
       Bauernart eben. Nun ist es aber so, dass auch in meinem Flächenland
       Menschen kein Auto haben. Dass sie Fahrrad, Bus und Bahn fahren. Manche,
       weil sie sich schlicht kein Auto leisten können; manche, weil sie es
       ablehnen, noch einen weiteren Verbrenner durch die Mark zu jagen.
       Entsprechend unwirsch fallen manche Reaktionen aus. Da ist von „Autokino“
       die Rede, von Benachteiligung einzelner. Und auch mir erscheint es relativ
       gewagt, vorauszusetzen, dass jede SchülerIn einer Autofahrerfamilie
       angehört. Ja, das öffentliche Nahverkehrsnetz ist löchrig, aber nicht jedeR
       Brandenburger findet es richtig, dem eigenen Kind so früh wie möglich den
       Führerschein zu finanzieren. Immer mehr junge ProvinzlerInnen haben
       schlicht keinen Bock mehr aufs Autofahren.
       
       Während ich darüber nachgrübele, ob so ein bisschen Gehupe im Zeugnisstau
       nicht das kleinere Übel ist angesichts der sonst laufenden Bälle mit
       Turmfrisuren, Bro-Getue und Stretchlimousinen, fällt mir noch etwas
       weiteres ein. Bei der autobegeisterten Direktorin nämlich handelt es sich
       um exakt jene, die im letzten Schuljahr kreisweit wegen ihres erbitterten
       Widerstands gegen Fridays for Future von sich reden gemacht hat.
       SchülerInnen, die [2][freitags fürs Klima demonstrierten,] bekamen eine
       Sechs ins Klassenbuch. Und im Schulgebäude war es ausdrücklich verboten,
       für FFF zu plakatieren. Wenn SchülerInnen oder Eltern das hinterfragten,
       erklärte die Direktorin, sie sei gezwungen, die Missachtung der
       Schulpflicht konsequent zu ahnden. Deutsches Beamtentum in seiner reinsten
       Form.
       
       Eben diese Lady nun hält es also für ein gutes Kontrastprogramm, ihre
       FFF-SchülerInnen nach deren Abgang noch ein mal ganz persönlich per
       Autokorso vorbeituckern zu lassen. Im Grunde clever, wenn es nicht so
       dermaßen durchschaubar wäre.
       
       15 Jun 2020
       
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