# taz.de -- Bremer Enquete-Kommission Klimaschutz: 18 Monate Strategiegespräche
       
       > Die von der Bremer Bürgerschaft eingesetzte Enquete-Kommission
       > Klimaschutz ist erstmals zusammengekommen. Ihr Sinn erschließt sich nicht
       > allen.
       
 (IMG) Bild: Forderungen bleiben gültig: Klimaschutzdemo in Bremen im Juni 2019
       
       Bremen taz | Eigentlich [1][sollte sie schon vor zwei Monaten starten]. Am
       Freitag nun traf sich erstmals die Enquete-Kommission „Klimaschutzstrategie
       für das Land Bremen“: [2][Neun Abgeordnete und neun Expert:innen] sollen in
       den nächsten 18 Monaten ein Klimaschutzziel 2030 entwickeln.
       
       Das hatten [3][alle Bürgerschaftsfraktionen Ende Januar beschlossen] – und
       damit „parlamentarisches Neuland“ betreten, das sagte jetzt Frank Imhoff
       (CDU), Präsident der Bürgerschaft, in seiner Eröffnungsrede. Das Thema und
       die Fachkompetenz rechtfertige die Kommission „absolut“, sagt er zudem an
       Kritiker:innen gerichtet.
       
       Die standen draußen vor Messehalle 7, in der die konstituierende Sitzung
       coronabedingt abgehalten wurde: Den eintreffenden Kommissionsmitgliedern
       machten Aktivist:innen deutlich, dass sie ihnen genau auf die Finger
       schauen wollen. „Uns ist wichtig, dass das Ganze nicht nur eine Show wird“,
       sagte Roland Stern von [4][Extinction Rebellion Bremen]. Man wolle eine
       Klimapolitik, die begreift, dass „der Planet keine Zeit mehr hat“.
       
       Auch Yann Guillouet von [5][Greenpeace Bremen] ist skeptisch: Eigentlich
       sei klar, was passieren müsse, sagte er. „Wenn die Kommission jetzt dazu
       führt, dass es passiert, hat es sich aber gelohnt.“ Verkehrswende,
       Gebäudesanierung und den Umbau der Industrie nennt Guillot als drängendste
       Themen neben dem Kohleausstieg.
       
       Auch um zivilgesellschaftliche Akteur:innen einzubeziehen, hat die
       Kommision ständige Gäste zugelassen. Darunter sind Vertreter:innen der
       Bremer Kammern, des DGB, der Umweltverbände BUND und Nabu, der Verwaltung
       sowie von [6][Fridays for Future] (FFF). Sie alle sollen künftig ein
       Rederecht haben. Friederike Oberheim, Sprecherin von FFF Bremen, saß schon
       am Freitag im Publikum. „Es ist fraglich, ob es 18 Monate braucht, um
       Lösungen neu zu entdecken“, sagt sie bezüglich der Notwendigkeit einer
       solchen Kommission.
       
       Der erste Anstoß, sie einzusetzen, lieferte spät im vergangenen Jahr ein
       gemeinsamer [7][Antrag von CDU und FDP]. Als Grund nennt Martin Michalik,
       klimapolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und frisch gewählter
       Kommissionsvorsitzender, das Verfehlen der Bremer Klimaziele: Statt wie –
       auch auf Bundesebene geplant und ebenso verfehlt – ein Minus um 40 Prozent
       wird der Stadtstaat seine Emissionen bis zu diesem Jahr nur um 16 bis 20
       Prozent gesenkt haben im Vergleich zum Ausstoß 1990.
       
       „Alle möglichen Gesetze und Maßnahmen haben nichts gebracht, um dem Ziel
       näherzukommen“, sagt Michalik. Deswegen habe man eine Kommission mit
       unabhängigen Expert:innen schaffen wollen. Eines der relevanten Gesetze ist
       das [8][Bremer Klimaschutz- und Energiegesetz (BremKEG)]. Ihm zufolge hätte
       der Senat bereits Ende 2018 ein Klimaschutzziel für das Jahr 2030
       formuliert haben müssen.
       
       Zu diesem Zweck sei ein Gutachten beim Institut für Energie- und
       Umweltforschung Heidelberg (IFEU) in Auftrag gegeben worden, erklärte Ronny
       Meyer den Kommissionsmitgliedern. Meyer ist Staatsrat bei der grünen
       Umweltsenatorin Maike Schaefer. Das Kernstück dieses Gutachtens, am Freitag
       vorgestellt durch Benjamin Gugel und Frank Dünnebeil vom IFEU, sind drei
       Klimaschutzszenarien; sie stellen das Bremer CO2-Einsparpotential dar.
       
       Fertig gestellt wurde diese Expertise entgegen der gesetzlichen Vorgabe
       erst Anfang 2019 – Meyer zufolge war das zu kurz vor der Bürgerschaftswahl.
       Zu kurz vorher, um mit dem alten Senat noch politisch tätig zu werden. Mit
       der Regierungsbildung und einigen Inhalten des Koalitionsvertrages, etwa
       der autofreien Innenstadt, habe sich der politische Auftrag verändert,
       ebenso durch das [9][Klimapaket der Bundesregierung]. Also habe ein neues
       Gutachten hergemusst: Seit diesem Frühjahr sitzen die Expert:innen vom
       Heidelberger Institut an der Aktualisierung, das Ergebnis soll im Herbst
       vorliegen.
       
       Obwohl etwaige Ergebnisse der Kommission rechtlich keine bindende Wirkung
       entfalten, hat sie letztlich das gleiche Ziel wie der Senat. „Dass die
       Legislative die Enquete-Kommission will, begrüßen wir – es ist aber nicht
       passend zu unserem Auftrag nach dem BremKEG“, stellte
       Bürgerschaftspräsident Meyer zur Eröffnung fest. Er sei vom Prozess „etwas
       irritiert“ gewesen. „Um dem Ergebnis der Enquete nicht vorzugreifen, haben
       wir den neuen Auftrag bewusst offen gehalten.“
       
       ## Arbeit von Senat und Kommission zusammenbringen
       
       Das neue Gutachten wurde daher ohne konkreten Maßnahmenkatalog beim IFEU
       bestellt; zahlreiche Kommissionsmitglieder kritisierten das prompt. Es
       scheint, als würden sich Parlament und Regierung mit der Enquete
       gegenseitig ausbremsen. Steht dahinter Misstrauen des Parlaments, was das
       Handeln des Senats angeht?
       
       Von der „Kontrolle der Regierung“ spricht Kommissionskopf Michalik. Er
       glaube, dass der Klimaschutz mit der Enquete schneller vorankomme – und
       hofft zudem, am Ende bei sozial- und wirtschaftsverträglichen Maßnahmen zu
       landen: „Wir können nicht die armen Menschen mit Maßnahmen bestrafen, die
       ihre Existenz gefährden, nur um das Klima zu schützen“, so der
       Christdemokrat.
       
       Einigkeit herrschte schnell darüber, dass die Klimachutz-Arbeit der
       Kommission und jene des Senats zusammenzubringen seien. Das Ergebnis einer
       ersten inhaltlichen Debatte, die nach dem IFEU-Vortrag aufkam, fasste
       [10][Patrick Graichen] vom „Denk- und Politiklabor“ Agora Energiewende so
       zusammen: „Man wird alle Hebel bis zum Anschlag ziehen müssen.“
       
       18 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bremer-Enquete-Kommission-Klimaschutz/!5667554
 (DIR) [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=722
 (DIR) [3] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/protokoll/b20l0007.pdf
 (DIR) [4] https://extinctionrebellion.de/og/bremen/
 (DIR) [5] https://www.bremen.greenpeace.de/
 (DIR) [6] https://fridaysforfuture-bremen.de/
 (DIR) [7] https://paris.bremische-buergerschaft.de/starweb/paris/servlet.starweb?path=paris%2FLISSHFL.web&format=LISSH_MoreDokument_Report&search=WP=20+AND+DNR=246+AND+DART=d
 (DIR) [8] https://www.transparenz.bremen.de/vorschrift_detail/bremen2014_tp.c.68216.de
 (DIR) [9] /Klimapaket-im-Bundesrat/!5642770
 (DIR) [10] https://www.agora-energiewende.de/ueber-uns/team/dr-patrick-graichen-2/
       
       ## AUTOREN
       
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