# taz.de -- Stars auf Verschwörungskurs: Nun auch noch Sido
       
       > Nun nascht auch Rapper Sido von der Verschwörungssuppe. Das ist komisch
       > und tragisch. Die Linke darf es sich nicht bequem machen.
       
 (IMG) Bild: Sido beim Autokultur-Konzert auf dem Schützenplatz in Hannover
       
       Wie ein Meteroitenhagel prasselt es derzeit auf uns ein. Beinahe täglich
       sind neue Einschläge zu vermelden, offenbaren mehr oder minder relevante
       Prominente ihre kruden Thesen.
       
       Ob Xavier Naidoo, der offenbar an die QAnon-Verschwörung glaubt, nach der
       Tausende Kinder gefangen gehalten werden, um aus ihrem Blut ein
       Verjüngungselixier für „die Eliten“ herzustellen; oder der vegane Koch
       Atilla Hildmann, der Bill Gates für einen pädophilen Eugeniker hält – sie
       alle machen derzeit vermehrt auf sich aufmerksam.
       
       [1][In ihrem Fahrwasser] verkünden dann auch Stars und Sternchen wie Til
       Schweiger, Tanzlehrer Detlev D! Soost oder die Influencerin Senna Gammour
       ihren teilweise millionenfachen Followern, was sie so denken.
       Beziehungsweise was ihnen von gescheiterten Journalisten und
       Holocaustrelativierern wie Ken Jebsen vorgekaut wurde.
       
       Der nächste, der sich aktuell durch Geschwurbel outete, ist der Rapper
       Sido. Nun mag der ein oder andere sich in seiner prinzipiellen Ablehnung
       gegenüber der deutschen Rapszene bestätigt sehen oder deren Akteuren
       generell nicht viel Intellekt unterstellen: Aber das greift erstens zu kurz
       und ist zweitens falsch. Denn erstens ist Sido nicht dumm und zweitens ist
       er mit seinen Aussagen noch ein ganzes Stück weit entfernt von den akuten
       Wahnvorstellungen eines Xavier Naidoo.
       
       ## Man weiß es nicht
       
       Dennoch lässt er sich im Video-Interview dazu hinreißen, von der
       antisemitischen Rothschild-Theorie und geheimen Mächten zu faseln. Auf die
       Aussage seines Gegenübers, dass in den USA Tausende Menschen an dem
       Coronavirus sterben, antwortet er nur verschwörerisch: „Das hast du gehört.
       Aber wir wissen es ja nicht. Ich guck keine Nachrichten mehr.“ Dann spricht
       er sich für „alternative Medien“ aus, die Mainstream-Medien seien
       „unterwandert“.
       
       Das ist auf der einen Seite einfach sehr amüsant, weil Sido seit Jahren als
       Jury-Mitglied in jeder beschissenen Mainstream-TV-Show sitzt, die nicht bei
       drei auf den Bäumen ist, und einen baugleichen Radiohit mit irgendwelchen
       angepassten Pop-Sternchen nach dem nächsten rausballert. Aber es ist auch
       sehr besorgniserregend. Und zwar weil Sido durchaus in der Lage ist,
       differenziert zu denken und sich in der Vergangenheit zuweilen offen links
       gezeigt hat.
       
       Seine Aussagen zeigen jedoch deutlich, dass die linken Bewegungen in diesem
       Land keine Antworten auf offensichtlich drängende Fragen liefern
       beziehungsweise sie den Menschen kaum bis gar nicht vermitteln können. Die
       Anliegen auf den Coronademos – der Überwachungsstaat, das Aushebeln von
       Grundrechten, ein korruptes System – all das sind eigentlich klassisch
       linke Themen. Benutzt werden sie jedoch von rechten Demagogen. Die Thesen
       und Antworten von Jebsen, Hildmann und Naidoo zum Coronavirus oder Bill
       Gates wurden auf Portalen wie Volksverpetzer oder Correctiv bereits Stück
       für Stück auseinandergenommen, bis nichts mehr übrig blieb. Das „Wir
       sollten die berechtigten Sorgen und Ängste der Coronademo-Teilnehmer ernst
       nehmen“ ist deshalb auch nur die 2020-Version von „Lasst uns Pegida durch
       mediale Debatten in die Mitte der Gesellschaft holen“. What could possibly
       go wrong?
       
       Es geht nicht darum, diesen Menschen zuzuhören oder sie in die Talkshows
       einzuladen, denn sie haben den Boden der logischen Argumentation meist
       verlassen. Man muss denen, die tatsächlich ehrlich auf der Suche nach
       Antworten sind, Alternativen bieten. Die Ungerechtigkeiten unseres Systems
       sind nicht wegzudiskutieren. Dass sich Menschen in diesem Land von vorne
       bis hinten verarscht vorkommen, ist legitim.
       
       Dass sie deshalb antisemitische und faschistische Verschwörungstheorien
       teilen, ist es nicht. Jenen die Hand zu reichen, die sich verlaufen haben,
       ist eine der Möglichkeiten. Unsere absolute Pflicht ist es jedoch auch,
       denen entschieden entgegenzutreten, die die aktuelle Situation dazu nutzen,
       rechte Ideologien zu verbreiten.
       
       12 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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