# taz.de -- Nachrichten mit Nährwert: Heiße Kurven statt kalter Kaffee
       
       > Seit Corona interessieren uns seriöse Zahlen. Da ist es Zeit, den Unsinn
       > der Börsennachrichten zu beenden und relevante Infos zu verbreiten.
       
 (IMG) Bild: Ewiges rauf und runter – mit Verlässlichkeit hat das nichts zu tun
       
       Kurvendiskussionen habe ich schon in der Schule ungläubig verfolgt. Auch
       jetzt in Coronazeiten heißt es: „Zahlen, bitte!“ Überall begegnen uns
       Statistiken über Menschen, die mit dem Virus infiziert sind, die an ihm
       sterben oder ihn überleben, über Krankenhausbetten und Immunitäten.
       
       Keine „Tagesschau“, kein „heute“, keine Radionachrichten ohne den
       Corona-live-Ticker. Bei CNN wird der aktuelle Bodycount immer am Rand
       eingeblendet, anderswo läuft er als News-Band unter dem Bildschirm mit.
       
       Gut so. Denn normaler- und blödsinnigerweise bekommen sonst nur andere
       Zahlen so viel Aufmerksamkeit: Die „Börsendaten“, mit denen uns selbst
       ernannte ExpertInnen damit beglücken, wie „die Märkte“ oder „die
       Investoren“ jetzt wieder auf Entscheidungen oder auch nur Gerüchte
       reagieren. Morgen ist dann alles kalter Kaffee und das Gegenteil richtig,
       wenn die Bullen und Bären plötzlich in die andere Richtung galloppieren.
       
       Ohne jeden kritischen Abstand wird da eine wild gewordene Fleisch fressende
       Ökonomie zelebriert. Anders als die Coronazahlen interessiert das
       allerdings nur Randgruppen. Denn gerade mal 15 Prozent aller Deutschen
       besitzen direkt oder indirekt Aktien. Alle anderen ärgern sich jeden Abend
       über ungebetene Ratschläge.
       
       ## Börsen-News: Ein Randgruppen-Thema
       
       Ich habe schon letztes Jahr hier gefordert, zumindest ARD und ZDF sollten
       diesen Unsinn einstellen. Aber auf mich hört ja keiner.
       
       Jetzt, wo plötzlich alle auf relevante Information statt auf
       Kaffeesatzleserei setzen, könnte man diesen Sendeplatz endlich entrümpeln.
       Statt „Börse vor acht“ könnten wir ernsthafte Themen sehen: Aktuell
       natürlich Hintergründe zur Corona-Pandemie. Motto: „Wir und das Wirus“.
       
       An jedem Tag gäbe es eine andere Gelegenheit zur Aufklärung: „Heiße Kurven“
       mit den aktuellen CO2-Werten und Hitzerekorden. „Stumm, stumm, stumm,
       Bienchen, stumm herum“ zur Artenvielfalt, „Schulden und Sühne“ zum
       internationalen Finanzsystem. „NachHALTig!“ würde uns zeigen, wer auf
       dieser Welt eigentlich eine Krankenversorgung hat, wer sauberes Wasser
       trinkt, wer sich sattessen kann. Oder „Arm dran oder Arm ab“ über Reichtum
       und das Gesundheitssystem. Immer zum Wochenende: „Vater Staat und
       Mutterland“ über Geschlecht und Einkommen.
       
       Richtig gut und praktisch eine präventive Impfung für die kommenden
       Meldungen wären diese Beiträge, wenn sie uns in zwei Minuten vor der
       „Tagesschau“ zeigten, wie alles mit allem zusammenhängt: Was hat Corona mit
       Artenvielfalt zu tun, was das Gesundheitswesen mit Geschlechterpolitik, was
       verbindet den Klimawandel mit der Armut in den Slums.
       
       Und man soll ja großzügig mit seinen Gegnern sein. Meinetwegen könnten
       deshalb auf diesem Sendeplatz ab und zu auch wieder Aktienkurse kommentiert
       werden. Titel: „Die Bösennachrichten“.
       
       17 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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