# taz.de -- Kampf gegen Corona-Epidemie: Vorsichtige Lockerungen
       
       > Geschäfte dürfen unter Auflagen öffnen, der Schulbetrieb startet nur
       > eingeschränkt: Bund und Länder bleiben weiterhin vorsichtig.
       
 (IMG) Bild: Abgesperrter Busplatz einer Schule in Rehna, Mecklenburg-Vorpommern
       
       Berlin taz Es war eine heikle Mission für die Kanzlerin und die
       Ministerpräsidenten. Wie balanciert man die Interessen aus? Hier die
       Empfehlung von Virologen, hart zu bleiben, dort die Rufe aus Wirtschaft und
       Opposition nach Lockerungen. Hier der bayerische Hardliner Markus Söder
       (CSU), der bremst und zur Vorsicht rät. Dort Armin Laschet (CDU) aus
       Nordrhein-Westfalen, der lieber früher als später zum normalen Leben
       zurückkehren möchte.
       
       Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder
       diskutierten am Mittwoch in einer mit Spannung erwarteten Schaltkonferenz
       das weitere Vorgehen in der Coronakrise. Merkel sprach danach am Abend von
       einem „zerbrechlichen Zwischenerfolg“ bei der Bekämpfung des Virus. Jenes
       verbreitet sich deutlich langsamer als zu Beginn der Krise.
       
       Es gebe, so Merkel weiter, noch nicht viel Spielraum für Änderungen oder
       ein Vorpreschen, auch wenn eine gute Absicht dahinterstecke. Es gebe noch
       keinen Impfstoff. Man müsse „äußerste Vorsicht“ walten lassen. Die
       Botschaft der Kanzlerin war nicht misszuverstehen: Von einer Normalisierung
       des Lebens kann im Kampf gegen die Pandemie keine Rede sein, noch lange
       nicht.
       
       Aber ein bisschen was bewegt sich doch. Bund und Länder verlängern die
       strengen Kontaktbeschränkungen bis zum 3. Mai, lassen aber erste
       Lockerungen zu. Shoppen ist in vielen Läden schon bald wieder möglich, auch
       dürfen manche Kinder ab Anfang Mai wieder in die Schule. Eine Pflicht,
       Masken zu tragen, wird es auch weiterhin nicht geben – aber doch eine
       dringliche Aufforderung, dies zu tun.
       
       ## Neun Seiten mit Argumenten
       
       Der neun Seiten lange schriftliche Beschluss der Runde begründete das
       tastende Vorgehen ausführlich. „Wir werden in kleinen Schritten daran
       arbeiten, das öffentliche Leben wieder zu beginnen“, hieß es darin. Der
       Maßstab bleibe, dass die Infektionsdynamik so moderat bleiben müsse, dass
       das Gesundheitswesen „jedem Infizierten die bestmögliche Behandlung
       ermöglichen kann“.
       
       Kurz: Der medizinische Schutz der Bevölkerung hat für die Regierung
       Priorität. „Wir setzen weiter auf Vorsicht“, sagte Söder nach den
       Beratungen. Dass die Bundesländer die gemeinsamen Beschlüsse jeweils etwas
       unterschiedlich umsetzen, ist wahrscheinlich. Der Süden Deutschlands sei
       stärker von der Pandemie betroffen, sagte Söder. Daher werde Bayern auch
       „etwas zeitversetzt“ agieren.
       
       Die beschlossenen Liberalisierungen werden das öffentliche Leben ändern:
       Bund und Länder wollen zum Beispiel ab Montag die Öffnung von Geschäften
       bis zu einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern ermöglichen,
       erklärte Merkel. Aber unter Auflagen, etwa zur Hygiene, zur Steuerung des
       Zutritts oder zur Vermeidung von Warteschlangen. Unabhängig von der
       Verkaufsfläche sollen auch Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen
       wieder öffnen dürfen. Supermärkte oder Drogerien waren in der Krise sowieso
       durchgehend geöffnet.
       
       Die seit dem 22. März geltenden harten Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen
       das Coronavirus werden dagegen bis zum 3. Mai verlängert. Damals einigten
       sich Bund und Länder darauf, dass in der Öffentlichkeit ein Mindestabstand
       von 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten ist – außer zu Angehörigen
       des eigenen Hausstands. Außerdem sind seither Treffen von mehr als zwei
       Personen verboten.
       
       ## Eingeschränkter Schulbetrieb
       
       „Wir müssen uns alle bewusst machen, dass wir die Epidemie durch die
       Verlangsamung der Infektionsketten der letzten Wochen nicht bewältigt
       haben“, hieß es in dem Beschluss. Die Epidemie dauere an. Deshalb könne man
       nicht zum gewohnten Leben zurückkehren. „Sondern wir müssen lernen, wie wir
       für eine längere Zeit mit der Epidemie leben können.“
       
       Bei Schulen und Kitas, einem zuletzt viel diskutierten Punkt, haben sich
       Merkel und die Ministerpräsidenten auf ein vorsichtiges Vorgehen
       verständigt. Der Schulbetrieb soll am 4. Mai eingeschränkt starten,
       beginnend mit den Abschlussklassen, den Klassen, die im kommenden Jahr
       Prüfungen ablegen und den obersten Grundschulklassen. Anstehende Prüfungen
       sind bereits vorher möglich.
       
       Die Kultusministerkonferenz soll laut der Beschlussvorlage bis zum 29.
       April ein Konzept für weitere Schritte vorlegen, wie der Unterricht unter
       besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen wieder aufgenommen werden kann.
       „Jede Schule braucht einen Hygieneplan“, hieß es in dem Beschluss. Die
       meisten Eltern und Kinder müssen sich also weiter in Geduld üben.
       
       Merkel bat sie ausdrücklich um Verständnis. Es gehe um kleinere Gruppen.
       Man brauche Konzepte für Pausen und Schulbusse, sagte sie. „Es wird also
       ein hoher logistischer Aufwand zu betreiben sein.“
       
       ## Keine Fußballspiele
       
       Großveranstaltungen werden wegen der Pandemie bis zum 31. August
       grundsätzlich untersagt – auch Fußballspiele sind davon betroffen. Konkrete
       Regelungen, etwa zur Größe der Veranstaltungen, sollen durch die Länder
       getroffen werden. Außerdem empfehlen Bund und Länder „dringend“ das Tragen
       von Alltagsmasken im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel. Eine
       generelle bundesweite Maskenpflicht gibt es also weiterhin nicht.
       
       Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) entschied unterdessen, die
       Grenzkontrollen zu den fünf Nachbarstaaten Österreich, Schweiz, Frankreich,
       Luxemburg und Dänemark sowie für die Luftgrenze zu Italien und Spanien bis
       zum 4. Mai zu verlängern. „So sollen die Infektionsgefahren durch das
       Coronavirus weiter erfolgreich eingedämmt werden, indem Infektionsketten
       unterbrochen werden“, teilte das Innenministerium mit.
       
       15 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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