# taz.de -- Skandal um Stimmenkauf in Kolumbien: Zwei Präsidenten und ein Drogenboss
       
       > Präsident Iván Duque ließ im Wahlkampf 2018 offenbar Stimmen kaufen. Der
       > Drogenhändler, der das für ihn tat, wurde inzwischen ermordet.
       
 (IMG) Bild: Mithilfe illegalen Stimmenkaufs zum Präsidenten Kolumbiens gewählt? Iván Duque
       
       Bogotá taz | Gäbe es das Coronavirus nicht, dann hätte Kolumbien gerade nur
       ein Thema: den Skandal um die gekauften Stimmen im
       Präsidentschaftswahlkampf 2018. Die Protagonisten: ein ermordeter
       Drogenhändler, ein ehemaliger Präsident und der jetzige Präsident [1][Iván
       Duque].
       
       Im Wahlkampf 2018 soll der reiche Rinderzüchter, High-Society-Mitglied und
       Drogenhändler José Guillermo Hernández, genannt Ñeñe, an der Karibikküste
       Stimmen zugunsten der jetzigen Regierungspartei Centro Democrático
       eingekauft haben. Deren Kandidat Iván Duque wurde Präsident. Den
       Stimmenkauf sollen Tonaufnahmen belegen. Der Auftraggeber soll der
       ehemalige Präsident und jetzige Senator [2][Álvaro Uribe] sein. Das oberste
       Gericht hat jetzt Ermittlungen gegen Uribe eingeleitet.
       
       Ans Licht brachte das Ganze der Journalist Gonzalo Guillén vor gut zwei
       Wochen. Er zeigte Uribe an. Seitdem werden immer mehr skandalöse Details
       bekannt. Guillén und weitere Journalist*innen, die über die Vorwürfe
       berichteten, wurden bedroht und verfolgt.
       
       Die Audios sind ein Nebenprodukt legaler Abhöraktionen an Hernández’ Handy
       wegen eines Mordes und Hernández’ Verstrickungen in einen großen
       karibischen Drogen- und Schmugglerring. Die Aufnahmen lagen seit Monaten
       vor, wurden aber nicht weitergeleitet. Hernández selbst, der mit einer
       Schönheitskönigin verheiratet war, wurde 2019 in Brasilien unter dubiosen
       Umständen ermordet.
       
       ## Uribe und Duque bestreiten alles
       
       Ex-Präsident Uribe und Präsident Duque bestreiten beide, dass sie von Ñeñe
       Hernández’ Drogengeschäften wussten. Das scheint unwahrscheinlich, weil die
       Kriminalpolizei seit 2007 gegen ihn wegen Geldwäsche und Drogenhandel
       ermittelte und auch die USA deswegen hinter ihm her waren. In Organigrammen
       verurteilter Drogenbosse taucht er an wichtiger Stelle auf.
       
       Uribe und Duque bestreiten auch Nähe oder gar Freundschaft zu Ñene
       Hernández. Doch werden immer mehr Fotos bekannt, die ihn Arm in Arm mit
       Duque, Uribe, anderen hochrangigen Politiker*innen des Centro Democrático,
       Polizisten und Militärs sowie Vallenato-Stars zeigen. Er wurde mit einem
       Militärflugzeug im März 2019 zu einem Termin geflogen, räumte die Armee
       ein.
       
       Sogar zu Duques Amtseinführung war Hernández eingeladen. Als er in
       Brasilien ermordet wurde, kondolierte Uribe. Auf dem belastendsten der
       Audios spricht eine Frau mit Hernández: Uribes enge Beraterin María Claudia
       Daza.
       
       Álvaro Uribe ist immer noch eine der mächtigsten Personen in Kolumbien. Er
       und seine Familie haben nicht nur riesige Landgüter angehäuft. In Uribes
       Amtszeit fiel der Skandal um die [3][falsos positivos]: tausende
       Zivilisten, die von Soldaten ermordet und als Guerilleros ausgegeben
       wurden. Viele Kolumbianer*innen verehren ihn bis heute, weil er hart gegen
       die Guerilla vorging und in manchen Landesteilen die Sicherheit erhöhte.
       
       ## Duques Beliebheit bei nur noch 23 Prozent
       
       Im Oktober 2019 beschloss das oberste Gericht, gegen Uribe offiziell
       Ermittlungen wegen Bestechung von Zeugen einzuleiten. Die Zeugen sollten
       Uribes Verbindungen zu paramilitärischen Strukturen belegen. Mehrere
       Vertraute und Familienangehörige Uribes wurden deshalb verurteilt.
       
       Ermittlungen gegen Uribe verliefen bisher im Sand. Ein Zeuge, der zur
       Uribes Verbindungen zu Paramilitärs aussagen sollte, wurde ermordet, zwei
       überlebten Mordversuche. Uribe ist der erste Ex-Präsident in der Geschichte
       Kolumbiens, gegen den das oberste Gericht ermittelt.
       
       Jetzt kommt die Ermittlung zur „Ñeñepolítica“ hinzu, wie kolumbianische
       Medien den Skandal getauft haben. Er knüpft an die Vorwürfe der flüchtigen,
       wegen Stimmenkaufs verurteilten Aída Merlano an. Die Politikerin hatte in
       einem aus Venezuela geschickten Video behauptet, mächtige Familien der
       Karibikküste – mit denen auch Ñeñe in Verbindung stand – hätten Stimmenkauf
       zugunsten von Duque in der Region finanziert.
       
       Präsident Duque war der Wunschkandidat von Uribe – und bis vor seiner Wahl
       praktisch unbekannt. Heute betragen seine Beliebtheitswerte gerade noch 23
       Prozent. Im Wahlkampf hatte Duque Gefängnisstrafen bei Wahlbetrug
       gefordert. Bisher streitet er alle Anschuldigungen ab.
       
       17 Mar 2020
       
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