# taz.de -- Antimuslimischer Rassismus: Der ganz normale Hass
       
       > Die Verachtung von Muslim:innen ist alltäglich. Nicht erst in Hanau hatte
       > sie mörderische Konsequenzen. Es liegt an uns allen, daran etwas zu
       > ändern.
       
 (IMG) Bild: Die rechte Szene wie die Pegida in Dresden findet bis in die Mitte der Gesellschaft Akzeptanz
       
       Der Rechtsterrorist von Hanau mag unter Wahnvorstellungen gelitten haben,
       aber sein Hass war schrecklich normal. Nicht zufällig wählte Tobias R. für
       sein Attentat Orte aus, die keinen guten Ruf haben, und Opfer aus einer
       Gruppe, die häufig stigmatisiert wird – junge migrantische, vermeintlich
       „muslimische“ Menschen, überwiegend männlich, in Shisha-Bars. Tobias R.
       konnte sich dabei als Vollstrecker eines angenommenen „Volkswillens“ fühlen
       und auf das stillschweigende Einverständnis, wenn nicht gar die
       klammheimliche Freude eines Teils der Bevölkerung hoffen – oder zumindest
       auf dessen Gleichgültigkeit.
       
       Denn Vorbehalte gegen [1][Muslim:innen in Deutschland] sind weit
       verbreitet, sie gehören praktisch zur „Leitkultur“. Das geht aus Studien
       hervor, die solche Vorurteile seit Jahren untersuchen. Rechtspopulistische
       Demagog:innen wie die AfD-Vorsitzende Alice Weidel greifen solche
       Stimmungen gezielt auf und bedienen sie zugleich, wenn sie gegen „Burkas,
       Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“
       giften.
       
       Rechtsextremisten fühlen sich in deren Windschatten sehr wohl. Sie halten
       Shisha-Bars und Döner-Imbisse, genauso wie Moscheen und Flüchtlingsheime,
       gleichermaßen für Vorposten einer angeblichen „Islamisierung“ Deutschlands.
       Das ideologische Rüstzeug für diesen Wahn erhalten sie von der Neuen
       Rechten, die Verschwörungstheorien vom „Großen Austausch“ verbreitet.
       Demnach gäbe es einen geheimen Plan, die Bevölkerung Europas durch
       muslimische oder nicht-weiße Einwanderer:innen auszutauschen. Die Übergänge
       zwischen antimuslimischem, allgemein rassistischem und antijüdischem
       Gedankengut sind dabei fließend.
       
       Der Attentäter von Hanau war von diesem Gedankengut beeinflusst. Ihn trieb
       aber vor allem der Hass auf Muslim:innen an. Es ist absurd, das in Abrede
       zu stellen – nur, weil der Mörder auch noch andere Gruppen hasste oder,
       weil seine Opfer nicht alle Muslim:innen oder überhaupt religiös waren. Der
       antimuslimische Terror trifft schließlich nicht immer nur Muslime.
       
       ## Religiöse Muslim:innen sind am stärksten betroffen
       
       In den USA wurden immer wieder Sikhs angegriffen, weil sie aufgrund ihres
       Turbans irrtümlich für Muslime gehalten wurden. Und der norwegische
       Rechtsterrorist Anders Breivik ermordete 2011 in Oslo und auf der Insel
       Utøya überwiegend Teilnehmer:innen eines sozialdemokratischen Jugendcamps,
       weil er Norwegens Sozialdemokraten für einen angeblichen „Massenimport“ von
       Muslim:innen verantwortlich sah.
       
       Doch wer genau ist mit Muslim:innen gemeint? Sind es nur jene, die
       äußerlich erkennbar ihren Glauben leben? Oder sind damit alle gemeint, die
       als „Muslim:innen“ wahrgenommen werden – weil sie selbst oder ihre Eltern
       aus einem muslimisch geprägten Land stammen oder auch nur, weil sie so
       aussehen? Das liegt im Auge des Betrachters.
       
       Religiöse Muslim:innen aber sind stärker von antimuslimischem Rassismus
       betroffen als andere. 2019 wurden in Deutschland jeden zweiten Tag
       [2][Übergriffe gegen Moscheen], islamische Friedhöfe oder
       Verbandsvertreter:innen behördlich registriert, berichtete die taz jüngst.
       Die Dunkelziffer dürfte höher liegen, da nicht jede Tat angezeigt oder als
       antimuslimisch motiviert erkannt wird. Eine generell skeptische bis
       feindselige Stimmung gegenüber Muslim:innen in diesem Land sorgt dafür,
       dass sie als Opfer nicht immer die nötige Anteilnahme und Solidarität
       erfahren.
       
       Und ja, auch Migrant:innen, die selbst als Muslim:innen wahrgenommen
       werden, können den antimuslimischen Rassismus verinnerlicht haben und Hass
       verbreiten. Rechte Demagogen wie der Autor Akif Pirincci, der Blogger Imad
       Karim oder der YouTuber Feroz Khan sind extreme Bespiele dafür.
       
       ## Merkel spricht endlich von Rassismus
       
       Ein noch extremeres Beispiel bietet der 18-jährige David S., ein Sohn
       iranischer Eltern, der 2016 in München neun Leute erschoss, fast alle mit
       türkischem, albanischem und anderem Migrationshintergrund. Diese Tat muss
       man als Vorläufer von Hanau sehen. Doch obwohl er sie am fünften Jahrestag
       des Breivik-Massakers verübte, wurde sie erst spät offiziell als
       rechtsextrem und rassistisch motiviertes Attentat eingestuft.
       
       Hat sich [3][nach Hanau] etwas geändert? Es war der dritte
       rechtsextremistisch motivierte Mordanschlag innerhalb eines Jahres, nach
       dem Anschlag in Halle im Oktober und dem Mord an Walter Lübcke im März
       2019. Es gibt Anzeichen dafür, dass Hanau ein Wendepunkt sein könnte.
       Angela Merkel spricht nun endlich von Rassismus statt von
       „Fremdenfeindlichkeit“. Horst Seehofer will einen Expertenkreis einberufen,
       der den Hass gegen Muslim:innen untersuchen soll – analog zum Expertenkreis
       Antisemitismus, der vor einigen Jahren Empfehlungen für die Politik
       erarbeitete.
       
       Seit Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsident weg ist, nimmt das
       Amt die AfD stärker in den Blick, die Partei hat seitdem rhetorisch spürbar
       abgerüstet. Auch die anderen Sicherheitsbehörden sind aufmerksamer
       geworden. Erst vor drei Wochen, eine Woche vor Hanau, wurden bei
       bundesweiten Razzien zwölf Männer festgenommen, die Attentate auf Moscheen
       und Politiker:innen geplant hatten.
       
       Der BKA-Präsident Holger Münch warnt davor, dass die rechte Szene bis in
       die Mitte der Gesellschaft hinein Akzeptanz findet. Aber die Stimmen
       migrantischer Verbände und anderer Teile der Gesellschaft, die diesen Hass
       nicht mehr akzeptieren wollen, sind lauter geworden. Letztlich liegt an uns
       allen, dafür zu sorgen, dass die Politik nach Hanau nicht wieder zur
       Tagesordnung übergeht. Der Hass gegen und das abfällige Sprechen über
       Muslim:innen muss, wie jeder andere Hass, stärker geächtet werden. Wir
       müssen uns stärker mit den Betroffenen solidarisieren. Das wird Taten wie
       in Hanau nicht verhindern. Aber es trägt dazu bei, dass sich
       Rechtsextremist:innen nicht mehr als Vollstrecker:innen einer „schweigenden
       Mehrheit“ fühlen können.
       
       7 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Integrationsgipfel-im-Kanzleramt/!5666554
 (DIR) [2] /Antimuslimischer-Rassismus/!5659578
 (DIR) [3] /Rassismus-in-Hanau-und-an-EU-Genzen/!5666503
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
 (DIR) antimuslimischer Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Deutsche Islamkonferenz
 (DIR) Meinungsfreiheit
 (DIR) Integration
 (DIR) Alice Weidel
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Auftakt der Deutschen Islamkonferenz: Mehr Imam*innen aus Deutschland
       
       Bundesinnenministerin Faeser fordert zum Kampf gegen antimuslimischen
       Rassismus auf – und will mehr islamische Geistliche hierzulande ausbilden
       lassen.
       
 (DIR) Islamistischer Mord in Frankreich: Meinungsfreiheit verteidigen
       
       Als Muslim kann man Karikaturen verachten. Trotzdem gilt es aber die
       Meinungsfreiheit zu schützen.
       
 (DIR) Rassismus in Deutschland: Kulturvielfalt statt Leitkultur
       
       Integration braucht eine aufnahmewillige Gesellschaft. Und gleiche Regeln
       für alle heißt nicht im Gleichschritt denken.
       
 (DIR) Der rechtsextreme Flügel der AfD: Gefährlicher als die NPD
       
       Der Verfassungsschutz stuft die AfD-Strömung „Der Flügel“ als rechtsextrem
       ein. Ihr Einfluss aber ist parteiintern so groß, dass dies nicht ausreicht.
       
 (DIR) Rassismus in Bus und Bahn: Die Stille nach dem Standardsatz
       
       Immer wieder werden Reisende von Mitarbeiter:innen des ÖPNV rassistisch
       beleidigt. Unternehmen setzen auf die Erzählung vom Einzelfall.
       
 (DIR) Gedenkfeier in Hanau: Was bleibt? Leere und Schmerz
       
       Erinnerungen an die Getöteten: Bei der Trauerfeier für die Opfer des
       rechtsextremen Anschlags in Hanau steht das Gedenken im Mittelpunkt.
       
 (DIR) Integrationsgipfel im Kanzleramt: Gegen rechts als „Chefinnensache“
       
       Der Kampf gegen rechts dominiert auch den Integrationsgipfel.
       Migrantenverbände wollen Antirassismus im Grundgesetz verankern.
       
 (DIR) Islamfeindliche Übergriffe in Deutschland: Ins Gesicht gespuckt
       
       Im Schnitt werden in Deutschland mehr als zwei islamfeindliche Straftaten
       pro Tag angezeigt. Besonders gefährdet sind Frauen.