# taz.de -- Fassbinders „Katzelmacher“ am BE: Keine Aussicht auf Änderung
       
       > Michael Thalheimer inszeniert Rainer Werner Fassbinders „Katzelmacher“
       > über den Rassismus der Deutschen im Berliner Ensemble.
       
 (IMG) Bild: Gut gelaunt im Wirtschaftswunder, unter der Oberfläche die Kälte
       
       Wirtschaftswunderbunt sind die kurzen Kleider der Frauen. Das ist aber auch
       schon alles, was die Gemeinschaft der jungen Frauen und Männer vom Dorf, in
       dem der erste Fernseher im Wirtshaus eine Sensation ist, mit dem sozialen
       Aufstieg, der ein Land nach dem Krieg beschäftigte, verbindet. Ihre
       Gedanken sind sehr eng gezirkelt, sie kommen kaum über die Bahnsteigkante,
       dort, wo sie warten.
       
       Da passt es gut, dass dieser Gemeinschaft von der Bühnenbildnerin Nehle
       Backhausen ein doppelter Rahmen auf die Bühne gestellt wurde. Alle
       nebeneinander passen sie da gerade mal so hinein in [1][Rainer Werner
       Fassbinders] „Katzelmacher“, von dem Regisseur Michael Thalheimer im
       Berliner Ensemble inszeniert.
       
       Das Stück stellt in krassen Dialogen den Fremdenhass der Deutschen in der
       Nachkriegszeit aus. Als in dem Ort einer auftaucht, der aus dem Ausland
       kommt, richten sich auf ihn der Neid und die Wut der Männer und unbestimmte
       bis sexuelle Sehnsüchte der Frauen.
       
       Im April 1968 uraufgeführt, 1969 verfilmt, 1970 mit einem Filmband in Gold
       ausgezeichnet, steht Fassbinders Stück auch für den Beginn einer
       Auseinandersetzung mit einem den Nationalsozialismus überlebenden
       Rassismus, der sich nicht einmal versteckte. Dass es ein Fehler war, den 50
       Jahre später für überwunden zu halten, zeigt die Gegenwart.
       
       ## Spürbare Aggressionen
       
       Thalheimers Inszenierung sucht keine Aktualisierung auf der Ebene der
       Zeichen. Vielleicht, weil das Erschrecken über die Sätze der jungen Männer
       und Frauen, die fast alle an der Ausgrenzung des Mannes aus Griechenland
       arbeiten, so schon groß genug ist. Jorgos, von Peter Moltzen fast stumm und
       stoisch gespielt, wie ein Block, über den sie ihre Gedanken gießen, bleibt
       ein Unbekannter. Der nicht versteht, beziehungsweise im Nicht-Verstehen
       auch Schutz sucht vor den spürbaren Aggressionen. Es hilft ihm nicht, er
       wird trotzdem zusammengeschlagen.
       
       Fassbinders Sprache der Dialoge ist sehr stilisiert, eine auf knappe Sätze
       reduzierte Kunst-sprache, die an Dialekt und Soziolekt andockt, ein
       vermeintliches Heimatgefühl herausstellt. Ihre Sprecher geben sich schlicht
       im Denken. Aber diese Schlichtheit ist ein Trick, sie verdecken damit
       Egoismus und Brutalität, Häme und Gemeinheit. Der Umgang mit dieser
       Stilisierung liegt Thalheimer, der selbst lange mit ästhetischer
       Verknappung gearbeitet hat.
       
       Er stellt die Schauspieler:innen wie Figuren auf, nebeneinander im inneren
       Rahmen des Bühnenbilds, kleinere Einzelaktionen im größeren Rahmen davor.
       Dort übt Ingrid (Eva Meckbach) an ihrer Schlagerkarriere, ein Weg weg aus
       der Langeweile des Dorfes. Auch sie wird dafür angefeindet, etwas anderes
       werden zu wollen, die Frauen stürzen sich auf ihre Schwachstellen.
       
       Mit den Armen rudernd schiebt Ingrid immer wieder vor dem Mikro Zeilen mit
       viel Herz und viel Sehnsucht auf die Hörer:innen zu, etwas zu oft. Einmal
       singt Elisabeth (Bettina Hoppe) mit, die Chefin von Jorgos, die diesen
       unmissverständlich deshalb beschäftigt, weil er die billigere Alternative
       zur einheimischen Arbeitskraft ist und fügsamer. Sie ringt am Mikrofon um
       die Teilhabe am Gefühl, ein verzweifelter Kampf, sie hat das schon längst
       in sich vertrocknen lassen. Allein wie die Nerven in Hoppes Gesicht dabei
       zucken und krampfen, ist schauspielerisch eine Leistung.
       
       ## Logik der Ausbeutung
       
       Ihre Logik der Ausbeutung, dass in deutschen Kassen am Ende mehr bleibt,
       wenn die billigeren Gastarbeiter kommen, ist es, womit ihr altes Faktotum
       Bruno (Ingo Hülsmann) die Männer des Dorfes, nachdem sie Jorgos
       zusammengeschlagen haben, davon überzeugt, ihn am Leben zu lassen.
       
       Das Kalte, Herzlose, spannend zu gestalten, ist schwerer als das
       emotionsgeladene Dramatische. Das Problem der Inszenierung ist nicht, dass
       sie so fest im historischen Rahmen bleibt. Es ist eher, dass es keine Figur
       gibt, der man auch mit Anteilnahme begegnen möchte, mit Ausnahme vielleicht
       von Bruno. Jorgos selbst wird zu wenig zur Person. Es fehlen die
       Ambivalenzen und damit ein Grund, sich mit den Figuren auseinanderzusetzen.
       Man weiß ja, dass falsch ist, was sie tun. Es kommt kein Punkt, der
       Aussicht auf Änderung verspräche.
       
       23 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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