# taz.de -- Streaming-Spielfilm „Isi und Ossi“: Wow, Netflix kann auch schlecht!
       
       > Deutsche Netflix-Produktionen sind normalerweise besser als deutsches TV.
       > Der neue Netflix-Spielfilm „Isi und Ossi“ aber ist wie Sat.1 in den
       > 90ern.
       
 (IMG) Bild: Isi und Ossi – reich trifft prollig, in Heidelberg
       
       Wenn Düsseldorf das deutsche Dallas ist, wie man einst in [1][Helmut Dietls
       „Kir Royal“] lernen konnte – dann muss Heidelberg das deutsche Denver sein:
       ein bisschen bescheidener, die umgebende Bergwelt eher eine
       Hügellandschaft, aber auch sehr malerisch, und die Nobelvillen am rechten
       Neckarufer, in einer davon residierte einmal Steffi Graf, vielleicht doch
       eher mit dem SUV als mit der Stretchlimo davor, es ist ja auch eine andere
       Zeit.
       
       Es ist eine Zeit, die vielleicht einmal als das „[2][Netflix-Zeitalter“]
       historisch werden wird – so etwas weiß man ja immer erst hinterher. Netflix
       ist jedenfalls gerade dabei, die über Jahrzehnte etablierte Kino- und
       Fernsehlandschaft komplett umzukrempeln; und als wie groß die Bedrohung
       empfunden wird, konnte man gerade in dieser Woche an der demonstrativen
       Ignoranz sehen, mit der das alte Hollywood-Establishment die cineastisch
       ambitionierten Netflix-Produktionen („The Irishman“ und „Marriage Story“)
       bei den [3][Oscars] übergangen hat. Ambitioniert ist auch das Stichwort,
       wenn es um die allererste deutsche Netflix-Serie [4][„Dark“] geht und das
       Gewese, das vor gut zwei Jahren darum gemacht wurde.
       
       Es war da nur eine Frage der Zeit, bis es auch den ersten deutschen
       Netflix-Spielfilm geben würde. Aber das musste natürlich wohlüberlegt sein.
       Welche hiesige Größe würden die Amerikaner wohl verpflichten: einen
       cinephilen Feingeist wie [5][Christian Petzold]? Oder am Ende doch den
       Rambo unter den Autorenfilmern, Til Schweiger?
       
       Weder noch. Es ist Oliver Kienle geworden. Der wäre wohl nur Insidern ein
       Begriff, hätte er nicht den aktuellen „Serien-Event“ des ZDF ([6][„Bad
       Banks“]) geschrieben. Wahrscheinlich ist er trotzdem nur Insidern ein
       Begriff.
       
       ## Die europäische Bronx
       
       Den Film also, „Isi und Ossi“, hätte man sich auch im Programm von
       ProSieben oder Sat.1 vorstellen können – vor 20 Jahren, als die noch so was
       produziert haben.
       
       Heidelberg, das deutsche Denver: „Als Isi zehn Jahre alt war, belief sich
       das Vermögen ihrer Eltern auf exakt 2.347.867.513,27 Euro. Zum selben
       Zeitpunkt betrug das Vermögen der alleinerziehenden Mutter von Oskar 27,63
       Euro“, erfahren wir aus dem Off. Oskar, genannt „Ossi“, wohnt auch nicht im
       schmucken Heidelberg, auf der Sonnenseite des Lebens sozusagen, sondern in
       Mannheim, der etwas prolligen, migrantisch geprägten Nachbarstadt, die in
       Sachen Döner und Problemschulen durchaus Berliner Qualitäten hat –
       zumindest aus Sicht des Filmemachers. Nur dass, aus dessen Sicht, Berlin
       halt schon ziemlich durch ist, totgefilmt sozusagen. Da braucht man für die
       Standardsituation „armer Junge trifft reiches Mädchen“ schon wenigstens ein
       anderes Setting.
       
       Ossis Mutter (Lisa Hagmeister) ist arg verschuldet, er muss seinen ersten
       großen Boxkampf vorfinanzieren – er will also nur an Isis (Lisa Vicari)
       Geld. Die will zuerst auch nur an ihr Geld. Ihre dünkelhaften Eltern haben
       ihr Konto und Kreditkarten gesperrt, weil sie lieber Köchin werden als BWL
       studieren will. Mit einem maximal unstandesgemäßen neuen Freund will Isi
       ihre Eltern provozieren: Auftritt Ossi. Die beiden schließen ein
       Zweckbündnis. Isi: „Kannst du mich bitte richtig asozial küssen?“ Ossi:
       „Ich kann nur gut küssen, tut mir leid.“
       
       So wenig neu und originell sind die (von „Erkan und Stefan“ schon in den
       1990ern parodierten, in der RTL-Serie „Arme Millionäre“ schon vor 15 Jahren
       bedienten) Klischees, wie sie Oliver Kienle nun im Dampfkochtopf seines
       Auftraggebers Netflix kaum mehr als wieder aufwärmt.
       
       Das kann man unterm Strich so fad finden wie viele der Gags („Man sagt
       nicht mehr Schwuchtel – man sagt jetzt Hipster.“). Oder man zollt den
       Netflix-Managern im fernen Los Gatos einfach mal Respekt: dafür, dass sie
       dem filmisch hierzulande bislang völlig unterbewerteten Mannheim eine große
       internationale Bühne bereiten. Wenn Heidelberg das deutsche Denver ist –
       dann muss Mannheim die europäische Bronx sein!
       
       14 Feb 2020
       
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