# taz.de -- Recycling-Firma verunreinigt Gewässer: „Schwere Schäden“
       
       > Der Osnabrücker Recycler Grannex leitet seit Jahren Kunststoffmahlgut in
       > umliegende Gewässer. Die Gewerbeaufsicht kriegt die Firma nicht in Griff.
       
 (IMG) Bild: Findet immer wieder Kunststoffpartikel im Osnabrücker Stichhkanal: Ralf Florian
       
       Osnabrück taz | Eigentlich ist es ja ganz hübsch hier, am Osnabrücker
       Stichkanal. Eine Teichlandschaft, ein Auwald, ein Uferweg zum
       Spazierengehen. Gut, gegenüber sind die Rotteboxen der Herhof
       Müllbehandlungsanlage, und wenn es da gerade mal wieder brennt, wälzt sich
       Qualm rüber. Ja, und da sind die Tanklager, der Lärm der Speditionen und
       Steinbrecher, der Geruch der städtischen Kläranlage. Aber sonst ist es ganz
       hübsch hier.
       
       „Kann wirklich idyllisch sein“, sagt auch der Gitarrist und
       Pilzsachverständige Ralf Florian, der hier draußen wohnt, in einem
       selbstgebauten, muschelförmigen Haus. Er betreut im Auftrag der Stadt
       Osnabrück den benachbarten Sinti-„Kulturplatz“. „Waldschnepfen gibt es
       hier, Ringelnattern, Zwergspechte, seltene Fledermäuse“, zählt Florian auf.
       
       Wenn nur das Entsorgungsunternehmen Grannex an der Dornierstraße nicht
       wäre, gleich hinter den Bäumen. Das sortiert, schreddert, wäscht und
       trocknet hier Hartkunststoff. Und die Versprechung seiner grün-weiß clean
       gestalteten Website, die Einhaltung „sämtlicher gesetzlicher Vorschriften
       und Umweltstandards“ sei „selbstverständlich und die Grundlage allen
       Handelns und Wirtschaftens“ ist ganz offensichtlich nur eine Worthülse.
       
       Besonders alarmierend zeigt sich das am Oberflächenwasser-Einlauf von
       Grannex. Dort, wo Wasser aus dem Unternehmen in den Stichkanal fließt, ist
       der gesamte Uferbereich zu beiden Seiten des vergitterten Rohrs gesprenkelt
       mit millimeterdünnem Kunststoff-Mahlgut. Rot und weiß, orange und blau.
       Alles bunt.
       
       Das Mahlgut klebt an Grashalmen, treibt auf dem Wasser, steckt im Erdreich.
       „So ist das hier schon seit zwei Jahrzehnten. Mal kommt weniger raus, mal
       mehr“, sagt Florian. „Viel treibt weg, viel sinkt runter auf den
       Kanalboden. Da müsste man mal Proben ziehen! Hunderte von Tonnen müssen das
       inzwischen sein.“ Liegen hier in einem Augenblick ganze Händevoll der
       winzigen Kunstoffteile, sind sie im anderen Moment oft schon wieder weg, so
       heftig sind die Bug- und Kielwasserwellen der stetig vorbeiziehenden
       Binnenschiffe.
       
       Jeder Angler hier am Kanal kennt das Zeug. „Einige haben es sogar schon im
       Hafen von Bohmte gesehen, 30 Kilometer entfernt“, sagt Florian. Erst vor
       ein paar Tagen hat Florian, selbst Angler, dazu was in die
       Facebook-Mitgliedergruppe der Niedersächsisch Westfälischen
       Anglervereinigung (NWA) gepostet: „Seit vielen Jahren habe ich Behörden,
       die NWA, die Polizei und die verursachende Firma darauf aufmerksam gemacht
       …“, schrieb er und binnen Stunden kamen Dutzende Likes. Und Kommentare wie
       der von Thorsten Kühn: „Hoffe, dass das jetzt endlich ein Ende findet.
       Jeder normale Bürger hätte längst ein Verfahren am Arsch gehabt. Verstehe
       nicht, warum das bei denen so lange dauert.“
       
       Ralf Florian ist kein Querulant. Er ist Naturschützer. „Ich will doch nur,
       dass das Gewässer hier sauber ist“, sagt er. Florian ist frustriert, weil
       sich nichts ändert. „Oft ist deren ganzer Firmenhof übersät damit. Das
       landet dann in den Gullys. Und von da aus geht eben viel in den Kanal.“
       
       Und es geht nicht nur in den Kanal. Es geht auch in die Hase, einen Fluss
       auf der anderen Seite des Grannex-Geländes. Auch dort gibt es einen
       Einlauf, und auch dort schwebt Mahlgut im Wasser, verunreinigt die
       Uferböschung. Im Moment liegt hier zwar nicht so viel wie am Kanal, aber es
       ist ja auch Hochwasser, da spült der Fluss viel weg.
       
       Jürgen Bobe ist der stellvertretende Leiter des Staatlichen
       Gewerbeaufsichtsamts Osnabrück und er kennt die Situation rund um Grannex.
       Im Jahr 2015 sei seine Behörde erstmalig auf das Unternehmen aufmerksam
       geworden, sagt er. Ein Anwohner hatte Anzeige erstattet – wegen
       Umweltverschmutzung. Achtmal waren Bobes Kontrolleure im Laufe der nächsten
       Jahre zu Stichproben vor Ort – mal mit Anmeldung, mal ohne. Seit 2018 hat
       jeder Gully auf dem Firmengelände jetzt zwei Filter, nach Bobes Vorgabe.
       Aber das hilft ganz offenbar nicht. „Unverständlich“, sagt Bobe. „Technisch
       müsste alles funktionieren. Aber da kommt offenbar keine Ruhe rein.“
       
       Besonders skeptisch haben Bobe die Schadstoffbehälter gemacht, die sein Amt
       im Jahr 2018 auf dem Grannex-Gelände gefunden hatte. „Einer davon lag
       damals sogar hinten bei mir im Wald“, sagt Florian und zeigt Fotos, die er
       von einem der Behälter gemacht hat: knallblau, Gefahrgutklasse 8,
       „Corrosive“ steht drauf. „Sowas darf Grannex gar nicht verarbeiten“, sagt
       Bobe.
       
       Klar, die Filter bewirken ein bisschen. Aber es kommt eben drauf an, wie
       man sie reinigt – und wie oft. „Unten am Kanal kommt ständig was raus“,
       sagt Florian. „Aber ich bin einfach nicht der Typ, der alle drei Tage seine
       Nachbarn anschwärzt.“
       
       ## Nächste Woche gibt es einen Ortstermin
       
       „Das geht so natürlich nicht!“, sagt Detlef Gerdts zu den aktuellen
       Verunreinigungen. Gerdts ist als Fachbereichsleiter Umwelt und Klimaschutz
       der Stadt Osnabrück auch zuständig für die Untere Wasserbehörde. „Die
       müssen ihren Hof sauberer halten. Und auch dieses Siebsystem ist offenbar
       nicht das Nonplusultra“, sagt er. Nächste Woche gebe es einen Ortstermin,
       mit Gewerbeaufsichtsamt und Polizei. „Wir wissen seit anderthalb Jahren von
       den Schwierigkeiten dort. Offenbar brauchen wir da weitere Auflagen.“
       
       Markus Börger, der Geschäftsführer von Grannex, von der taz mehrfach um
       eine Kommentierung gebeten, spielt derweil auf Zeit. Mails seien im
       Spam-Ordner gelandet. Telefonieren will er nicht. Auf schriftliche Fragen
       kommt tagelang keine Antwort. Gut, er bietet einen Ortstermin an. Aber erst
       in der kommenden Woche. Derweil fahren Kehrmaschinen über seinen Hof,
       Lastwagen mit Absaugschläuchen.
       
       Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat der Stadt Osnabrück,
       findet harte Worte: „Kunststoffpartikel verursachen in Gewässern und der
       Natur schwere Schäden. Das ist kein Kavaliersdelikt.“ Zur aktuellen
       Verunreinigung sagt er: „Wenn sich der Vorwurf bestätigt, müssen auch
       strafrechtliche Konsequenzen geprüft werden – insbesondere, wenn dies zum
       wiederholten Mal passiert.“ Man habe „von einer möglichen problematischen
       Lagerungspraxis der Kunststoffabfälle“ erstmals 2018 gehört.
       
       ## Auch bei der Polizei aktenkundig
       
       Auch Polizeioberkommissar Frank Oevermann von der Polizeiinspektion
       Osnabrück bestätigt, dass das Unternehmen Grannex bereits vor längerer Zeit
       aktenkundig geworden ist. „In Erinnerung“ sei „eine Anzeigenerstattung
       wegen eines Umweltdeliktes“ aus dem Jahr 2015. Zu den aktuellen
       Verunreinigungen sagt er, man leite das „zuständigkeitshalber an die
       Kollegen der Wasserschutzpolizei Duisburg, Standort Hörstel, weiter“.
       
       Die Verunreinigung ist keine heimliche Entsorgung. Mit diesem Mahlgut
       verdient Grannex sein Geld. Aber der Umgang damit ist unprofessionell.
       Selbst auf der Dornierstraße liegt Mahlgut herum, keine zehn Schritte von
       Florians idyllischem und artenreichen Auwald entfernt. Den Wald würde sich
       Grannex übrigens gern einverleiben und abholzen, dann würde das
       Firmengelände fast direkt an den Kanal grenzen. Gut, der Wald ist im
       Flächennutzungsplan als Industrie- und Gewerbegebiet ausgewiesen. Aber das
       muss ja nicht so bleiben.
       
       „Wir Grüne“, sagt Bajus, „werden darauf drängen, dass unabhängig von den
       alten Plänen auch die aktuelle ökologische Situation Berücksichtigung
       findet und Alternativen geprüft werden. Sollten sich zudem die Vorwürfe
       gegen die Firma bestätigen, sind Verkaufsverhandlungen sehr kritisch zu
       sehen.“
       
       Und die Grünen haben noch mehr getan: Für den städtischen Ausschuss für
       Stadtentwicklung und Umwelt, Mitte Februar, haben sie die Verwaltung um
       einen Sachstandsbericht gebeten: „Gewässerverunreinigung durch ein
       Recyclingunternehmen im Industriegebiet Hafen“. Geht doch.
       
       7 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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