# taz.de -- Berlinale am Potsdamer Platz: Der Glanz kommt nur vom Regen
       
       > Am Donnerstag startet die Berlinale – zum 20. Mal am Potsdamer Platz.
       > Cineasten, die nur deswegen an diesen Ort kommen, werden entsetzt sein.
       
 (IMG) Bild: In der Sinfonie der Großstadt spielt der Potsdamer Platz nicht die erste Geige
       
       Berlin taz | Der perfekte Ausgangspunkt für einen Stimmungsbericht vom
       Potsdamer Platz? Das wäre an diesem zugigen Montagvormittag am ehesten das
       Dunkin Donuts, gleich neben dem Filmmuseum, in der Potsdamer Straße.
       „Dunkin Donuts sagt Servus in einem von rund 11.000 Shops in 35 Ländern
       weltweit“, kündet ein Poster neben dem Verkaufstresen. Und während beim
       Verzehr eines süßen Kringels, wie man ihn exakt in derselben Form an 11.000
       anderen Orten essen könnte, nebenan sächsisch, arabisch und slowenisch
       gesprochen wird, fühlt man sich quasi im Kern dieses Ortes.
       
       Der Potsdamer Platz entwickelt sich aktuell zu genau dem gesichtslosen
       Retortenplatz, den seine Kritiker schon immer in ihm sahen. [1][Ende 2019
       schloss mit dem CineStar] im Sony-Center eines der beiden Multiplexe vor
       Ort mit acht Kinos und 2.543 Sitzplätzen. Dort, wo ab Donnerstag zum 20.
       Mal am Potsdamer Platz vor allem Berlinale-Filme in den Nebenreihen
       Panorama und Forum hätten gezeigt werden sollen, herrscht [2][gähnende
       Leere]. Die Fans müssen zum Kino Cubix am Alexanderplatz fahren, das die
       Berlinale als Ersatz angemietet hat. „Kuschlig ist das nicht“, sagt
       Adrienne Boros, die Verwaltungsleiterin der Berlinale, zur taz. „Aber es
       ist machbar.“
       
       Ödes Einerlei hier, Vakuum da. In der wettergeschützten Einkaufspassage
       Potsdamer Platz Arkaden wirbt Gerry Weber mit einem Plakat, auf dem „nur
       noch 7 Tage“ steht. Im Untergeschoss ist nicht zu überhören, dass die
       Umbauarbeiten bis zur Wiedereröffnung 2022 begonnen haben.
       
       Die Eigentümer der Arkaden, das börsennotierte kanadische Unternehmen
       Brookfield Asset Management, wirbt am Eingang damit, dass einige Geschäfte
       für den Grundbedarf wie Rewe und DM offen bleiben. Das „Herzstück“ an
       diesem Ort werde „kulinarisch“, eine „schöne neue Shoppingwelt“, verspricht
       man – mehr wird auch gegenüber der taz nicht verraten.
       
       ## Verlorene Schlangen
       
       An diesem Montagmittag, dem ersten Tag des [3][Vorverkaufs von
       Berlinale-Karten], wirken die berühmten Schlangen in den Arkaden reichlich
       verloren. „Ach, ich habe sowieso immer eine Thermoskanne dabei“, sagt
       einer, der angeblich schon seit einer Stunde wartet. „Berlin ist eine
       Baustelle“, sagt eine andere weiter hinten.
       
       Dort, wo vergangenes Jahr noch Schaufenster lockten, befinden sich nun
       weiße Wände. Adrienne Boros weist im Gespräch ausdrücklich darauf hin, dass
       es weiterhin Sitzecken und Merchandising-Stände gibt plus eine kleine
       Ausstellung zur Berlinale und den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der
       Vereinten Nationen. An einer Wand, auf der das Publikum auf Haftnotizen
       Wünsche an die Berlinale notieren kann, steht bis jetzt noch nicht viel:
       „Mir ist langweilig“, hat jemand vermerkt.
       
       Der Wind pfeift kräftig um die hohen Häuser am Potsdamer Platz, die wie
       immer je nach Blickwinkel wie überdimensionierte Schwimmbäder wirken oder
       wie Erinnerungen an das Backstein-New-York des 19. Jahrhunderts, allerdings
       ohne Leben drin. Gegen Mittag sind hier vor allem Büromenschen in teurem
       Zwirn unterwegs. Viele strömen zur Edelkantine Weilands am
       Tiergartentunnel, andere eilen zum Supermarkt, um mit einer braunen Tüte
       zurückzukommen.
       
       Von den zwei schräg ansteigenden Rasenflächen, die sich Tilla-Durieux-Park
       nennen, kann man erkennen, dass tatsächlich noch immer Menschen hier
       wohnen. Zumindest zeugen davon eine Wäschespinne und ein Kochtopf auf zwei
       benachbarten Balkons. Die zwei Anwohnerinnen, die am frühen Nachmittag
       unterwegs sind, geben sich wortkarg: „Ich schätze die Anonymität“, sagt
       eine. „Leider in Eile“, die andere.
       
       Jenseits des Parks, am Marlene-Dietrich-Platz, befindet sich das
       Premierenkino der Berlinale, das sonst als Theater genutzt wird. 1.750
       Plätze gibt es darin, aber 2022 läuft der Mietvertrag aus. Mariette
       Rissenbeek, die neue Geschäftsführerin der Berlinale, gibt sich
       zuversichtlich, dass er verlängert wird. Beim Filmmuseum inklusive Kino
       Arsenal liegt die Sache ähnlich: Hier läuft der Mietvertrag 2025 aus.
       
       ## Zurück in den Westen
       
       Viele Fans der Filmfestspiele wünschen sich deswegen immer vehementer, das
       Event möge an seinen Entstehungsort zurückkehren, in den guten, alten
       Westen. Allerdings ist das einstige Premierenkino, der Zoo Palast, nicht
       mehr als solches tauglich: Die 1.700 Sitzplätze verteilen sich seit
       Sanierung auf insgesamt sieben Säle.
       
       Was würde wohl mit dem Potsdamer Platz, wenn es eines Tages ein
       [4][Filmhaus] gäbe, zum Beispiel direkt neben dem Gropius Bau, fünf
       Gehminuten entfernt vom Potsdamer Platz? Der Plan dazu wurde zum ersten Mal
       2017 von Dieter Kosslick ventiliert, dem alten Berlinaleleiter. Einziehen
       würde nicht nur Berlinale und Filmmuseum mit Arsenal, sondern auch die
       Deutsche Filmakademie. Immerhin: Laut Heidi Berit Zapke, Sprecherin der
       Deutschen Kinemathek, ist das Filmhaus nach wie vor in Planung.
       
       Dort, wo früher der Notausgang der Kinos CineStar war, kann man wenigstens
       noch pinkeln gehen. Eine freundliche Toilettenfrau, die ihren Namen nicht
       preisgeben will, schüttelt verständnislos den Kopf, als die Sprache aufs
       Kino kommt. „Das CineStar musste ja wegen der hohen Mieten raus“, weiß sie.
       „Ich habe das Gefühl, die haben da oben kein Konzept“, fügt sie an.
       
       Sie hat recht: Der Senat hat das Grundstück Potsdamer Platz 1998 an
       DaimlerChrysler verkauft und seitdem keinen Einfluss mehr. Berlin dürfte
       erleichtert sein, falls der Bund beim Bau eines Filmhauses hilft.
       
       19 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
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