# taz.de -- EuGH-Urteil zu katalonischem Politiker: Inhaftierter genießt doch Immunität
       
       > Das Gericht sichert Oriol Junqueras sein Mandat als Europaabgeordneter.
       > Das könnte auch Folgen für Ex-Regionalchef Puigdemont haben
       
 (IMG) Bild: In echt noch in Haft: Oriol Junqueras
       
       Madrid/Freiburg taz | Der inhaftierte katalanische Politiker Oriol
       Junqueras ist Europaabgeordnter und genießt Immunität. Das entschied der
       Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Anfrage des obersten spanischen
       Gerichtshofs. Die spanische Regierung hat Junqueras bisher nicht als
       Abgeordneten behandelt.
       
       Junqueras ist seit 2011 Vorsitzender der linken katalanischen Partei ERC.
       Zeitweise war er auch Vizepräsident der katalanischen Regionalregierung.
       Wegen Beteiligung am Unabhängigkeitsreferendum von 2017 saß Junqueras
       während der Europawahlen im Mai 2019 in Untersuchungshaft, wurde aber
       dennoch gewählt.
       
       Bisher galt Junqueras aber nicht als Europaparlamentarier. Denn er stand
       nicht auf der von Spanien erstellten Liste der spanischen
       Europaabgeordneten. In Untersuchungshaft konnte er nicht den nach
       spanischem Recht erforderlichen Amtseid ableisten.
       
       Nun aber entschied der EuGH: Junqueras ist bereits seit Bekanntgabe der
       Wahlergebnisse Europaabgeordneter. Auf spanische Formalitäten komme es
       hierfür nicht an. Deshalb steht ihm auch seit diesem Zeitpunkt die für
       Europaabgeordneten geltende Immunität zu. Er hätte deshalb trotz
       Untersuchungshaft auch zur Eröffnungssitzung des EU-Parlaments nach
       Straßburg reisen dürfen.
       
       ## Spanien kann Aufhebung der Immunität beantragen
       
       Wenn Spanien diese Reise hätte verhindern wollen, hätte es laut EuGH die
       Aufhebung der Immunität Junqueras beantragen können. Einen solchen Antrag
       muss Spanien auch stellen, wenn es Junqueras weiter im Gefängnis behalten
       will. Denn im Oktober 2019 wurde Junqueras als Mitorganisator des
       Referendums wegen Aufruhrs und Veruntreuung öffentlicher Mittel zu [1][13
       Jahren Freiheitsstrafe verurteilt]. Zudem wurde ihm für 13 Jahre die
       Wählbarkeit (auch zum Europäischen Parlament) aberkannt.
       
       Über die Aufhebung der Immunität entscheidet das EU-Parlament mit einfacher
       Mehrheit. Es prüft dabei, ob die Strafverfolgung willkürlich oder politisch
       motiviert ist.
       
       Mittelbar betrifft das EuGH-Urteil auch die beiden katalanischen
       Europaabgeordneten Carles Puigdemont und Toni Comin. Auch sie wurden von
       den Bürgern gewählt, standen aber ebenfalls nicht auf der spanischen Liste
       der Abgeordneten. Beide leben in Belgien und wollten nicht in Spanien den
       Amtseid ablegen, weil ihnen dort die Verhaftung drohte. Der
       EuGH-Argumentation zufolge waren auch sie ab Verkündung der Wahlergebnisse
       Abgeordnete. Sie können nun wohl auch ihren Sitz im Europaparlament
       einnehmen. Puigdemont war 2017 von Spanien als katalanischer
       Regionalpräsident abgesetzt worden.
       
       „Die Gerechtigkeit kommt aus Europa“, heißt es auf dem Twitter-Account von
       Junqueras. „Unsere Rechte und die der zwei Millionen Bürger, die uns
       gewählt haben, wurden verletzt. Das Urteil für ungültig erklären und
       Freiheit für alle!“, fordert er. Puigdemont und Comin forderten ebenfalls
       die sofortige Freilassung.
       
       ## Rechtsradikale Vox: „EU beleidigt Spanien“
       
       „Die EU beleidigt Spanien und die Justiz“, beschwerte sich hingegen die
       rechtsradikale Partei VOX. „Wäre es um Deutschland gegangen, hätten sie
       sich das nicht getraut“, hieß es weiter.
       
       Die spanische Regierung unter dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten
       Pedro Sánchez bewertete das Urteil bisher nicht. Sánchez dürfte voller
       Sorge auf die Reaktion von Junqueras’ ERC warten. [2][Der Sozialist
       verhandelt derzeit mit der Partei.] Um nach den vergangenen Wahlen im
       November erneut vom spanischen Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt zu
       werden, braucht er im zweiten Wahlgang die Enthaltung der 13
       ERC-Abgeordneten. Nur so kann er mehr Ja- als Nein-Stimmen auf sich
       vereinigen. Ob sich der europäische Richterspruch darauf auswirken wird,
       muss sich in den nächsten Tagen zeigen.
       
       Spaniens Justiz legte Sánchez am Donnerstag einen weiteren Stein in den
       Weg. Der katalanische Regierungschef Quim Torra wurde vom obersten Gericht
       in Katalonien dazu verurteilt, eineinhalb Jahre keine öffentlichen Ämter
       bekleiden zu dürfen. Der Grund: Er habe der Anordnung der Wahlbehörde nicht
       umgehend Folge geleistet, Solidaritätstransparente mit inhaftierten und im
       Ausland weilenden Unabhängigkeitsführern von Amtsgebäuden zu entfernen.
       Torra kann Widerspruch einlegen – vor dem Gericht, dass Junqueras im
       Oktober verurteilte. (Az. C-502/19)
       
       19 Dec 2019
       
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