# taz.de -- Iranische Community demonstriert: Die Kluft vergrößert sich
       
       > Für oder gegen die Regierung in Teheran? Die Haltungen zu den jüngsten
       > Eskalationen gehen innerhalb der iranischen Community in Berlin
       > auseinander.
       
 (IMG) Bild: Nach der Tötung des Generals Soleimani protestieren rund 70 Iraner vor der amerikanischen Botschaft
       
       Die Tötung des iranischen Generals Qasim Soleimani durch die USA
       polarisiert die ohnehin politisch gespaltene iranische Community in Berlin
       noch mehr. Am heutigen Donnerstag gedenkt das „Islamische Zentrum Imam
       Riza“ in der Reuterstraße in Neukölln nach Angaben auf seiner Facebookseite
       ab 18 Uhr des „heldenhaften Märtyrers“ Soleimani. Laut dem Geschäftsführer
       des Vereins iranischer Flüchtlinge, Hamid Nowzari, ist das Zentrum eine von
       mehreren Moscheen in Berlin, die von Teheran unterstützt werden. Und eine
       Gegenkundgebung gibt es auch: Eine Privatperson hat laut
       Polizeipressestelle eine Demo unter dem Motto „gegen Islamismus und
       Antisemitismus, für Menschenrechte im Iran“ angemeldet.
       
       15.000 Menschen mit iranischen Wurzeln leben in Berlin. Darunter sind 7.000
       mit iranischer Staatsangehörigkeit, die zumeist erst in den letzten zehn
       Jahren geflohen sind und dem Regime in Teheran stark ablehnend
       gegenüberstehen. Zu ihnen gehören viele christliche Konvertiten, die nicht
       selten von Abschiebung bedroht sind. Unter den länger hier lebenden
       iranischstämmigen Berlinern gibt es auch Anhänger des Mullah-Regimes, aber
       vor allem viele sehr gut integrierte Intellektuelle mit hohem politischem
       Interesse und kritischem Verhältnis zur iranischen Politik.
       
       Eine von ihnen ist die Ingenieurin Roya Vahedi, die seit 1986 in Berlin
       lebt. „Als ich die Nachricht von der Tötung des Generals hörte, habe ich
       mich zuerst gefreut, dass ein Mörder weniger auf der Erde lebt“, sagt sie
       der taz. „Aber gleich danach habe ich Trump verurteilt. Es kann doch nicht
       sein, dass der amerikanische Geheimdienst Methoden anwendet, die an das
       Mykonos-Attentat 1992 in Berlin erinnern.“ Damals hatte der iranische
       Geheimdienst in einem griechischen Restaurant in Wilmersdorf vier iranische
       Exilpolitiker erschossen und zwei Unbeteiligte schwer verletzt.
       
       Vahedi ist davon überzeugt, dass die Insassen in iranischen Gefängnissen
       seit der Tötung des Generals noch mehr Grausamkeit erleben müssen. „Sie
       sind die Leidtragenden.“ Terror könne man nicht beseitigen, indem man die
       Zahl der Mörder reduziert, sagt die Frau: „Dann kommt der nächste
       Diktator.“
       
       ## Keine Einzelmeinung
       
       Hamid Nowzari vom Verein iranischer Flüchtlinge sieht es ähnlich.
       „Oppositionelle Iraner aller Lager freuen sich, dass einer der brutalsten
       Vertreter des Regimes nicht mehr lebt. Aber es gibt auch die Sorge, dass
       durch die Tötung Antiamerikanismus geschürt wird, der über die Kluft
       zwischen Bevölkerung und Regime im Iran hinwegtäuschen kann.“
       
       Kazem Polady floh erst vor wenigen Jahren nach Berlin, weil er als Christ
       im Iran um sein Leben fürchtete. „Meine Freunde und ich haben sich ohne
       Einschränkungen über die Tötung gefreut“, sagt der Chemielaborant der taz.
       „Als Iraner konnten wir nichts gegen den menschenverachtenden brutalen
       General unternehmen. Das haben jetzt die USA für uns gemacht.“
       
       Das ist keine Einzelmeinung, sagt Gottfried Martens. Er ist Pfarrer der
       evangelisch-lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Steglitz, einer
       Freikirche, die persischsprachige Gottesdienste anbietet. Etwa 1.000 der
       1.600 Gemeindemitglieder kommen aus dem Iran. Auch Polady ist hier
       Mitglied. Martens zufolge wurde die Tötung von vielen Gemeindemitgliedern
       bejubelt. „Er war der meistgehasste Mann des Regimes. Er steht als
       Schlächter hinter der Tötung von Demonstranten und Oppositionellen,
       darunter auch von vielen Angehörigen unserer Gemeindemitglieder.“
       
       Für den Pfarrer hingegen sei die Tötung „aus europäischer Perspektive“, wie
       er sagt, „keine so gute Nachricht. Ich sehe das distanzierter und fürchte,
       dass es einen Krieg geben könnte. Aber für viele Geflohene verbindet sich
       damit die Hoffnung auf einen Regimewechsel.“ Das sah eine Gruppe von
       iranischstämmigen Berlinern wohl ähnlich, die am Montag der amerikanischen
       Botschaft für das Attentat gedankt hatten.
       
       9 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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