# taz.de -- Nach der Wahl in Großbritannien: Die BBC zwischen den Fronten
       
       > Die Konservativen wollen die BBC zum Teil boykottieren – und die Labour
       > Party ist sauer auf den Sender, weil sie die Wahl verloren hat.
       
 (IMG) Bild: Boris Johnson vor seinem BBC-Auftritt in der Andrew Marr Show im September 2019
       
       Berlin taz | In Großbritannien dreschen zehn Tage nach der Unterhauswahl
       [1][die siegreichen Konservativen] wie die abgeschmierte Labour Party
       lautstark auf die BBC ein. Dass nach einer Wahl sowohl Sieger wie Verlierer
       auf die Medien sauer sind, ist ein alter Hut. Im Allgemeinen gilt so etwas
       als Beleg, dass die Medien alles richtig gemacht und keine politische
       Richtung bevorzugt haben. Doch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in
       Brexit Britain ist das ein eher schwacher Trost. Denn die BBC steht klar
       auf der Umbau-Liste von Boris Johnson und seinem Top-Berater Dominic
       Cummings, dem innigste Verachtung für diese britische Institution
       nachgesagt wird.
       
       Die Ankündigungen lassen also nichts zu Wünschen übrig: Johnson und seine
       Minister werden auf Cummings’ Befehl bis auf Weiteres das „Today Programme“
       von BBC Radio 4 boykottieren. Das setzt zwar wie beim Deutschlandfunk die
       „Politik am Morgen“ gewissermaßen die politische Agenda im (noch)
       Vereinigten Königreich. Doch die Tories fühlten sich hier zuletzt ein
       bisschen zu sehr auf den Zahn gefühlt, was ihre übertriebenen
       Wahlversprechen anging.
       
       Und dann hatte auch noch der BBC-TV-Bluthund Andrew Neil live in seiner
       Sendung Boris Johnson angezählt. Nur weil der beim geplanten Tête-à-Tête
       mit Neil kniff, nachdem der knallharte Interviewer alle anderen
       Spitzenkandidaten und ganz besonders Labours Jeremy Corbyn zerlegt hatte.
       Von Corbyns „car-crash interview“ war danach zu lesen – und Labour ist
       seitdem auf die BBC ebenfalls stocksauer.
       
       Johnson hatte da schon ganz nebenbei fallen gelassen, dass man ja mal über
       die Finanzierung der BBC nachdenken könne. Zwar plane er „im Augenblick
       keine Abschaffung aller Rundfunkgebühren, aber wir schauen uns das
       sicherlich genau an“, hatte der Premier am 9. Dezember bei einem
       Wahlkampf-Auftritt in Nordengland zu Protokoll gegeben. Seine Kultur- und
       Medienministerin [2][Nicky Morgan hatte schon im Oktober erklärt], sie sei
       für einen Umbau der BBC zu einem über Abo-Gebühren finanziertes Angebot
       nach dem Vorbild von Netflix offen.
       
       ## Mal kurz geadelt
       
       Nun hatte Nicky Morgan eigentlich vor der Wahl auch gesagt, sie wolle als
       Ministerin und Abgeordnete abtreten, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu
       verbringen. Sie sitzt auch tatsächlich nicht mehr im britischen Unterhaus.
       Medienministerin von Johnsons Gnaden bleibt sie trotzdem – vorerst. Man hat
       Morgan einfach mal kurz geadelt, und mit dem ihr so zustehenden Sitz im
       House of Lords kann sie im Kabinett bleiben. Bloß Reden im Unterhaus oder
       Fragen von Abgeordneten beantworten sind nicht mehr drin, weil „Peers“ dort
       nicht Reden dürfen.
       
       Da dies so gar keinen Sinn ergibt, wird in London damit gerechnet, dass
       Morgan nach dem EU-Austritt beim geplanten Kabinettsumbau Anfang Februar
       ausgetauscht wird. Und sicherlich nicht durch eine BBC-freundlichere
       Person.
       
       Dazu passt, dass im Parteiprogramm der siegreichen Konservativen kaum
       Aussagen zur Medienpolitik und schon gar nicht zur BBC zu finden sind: Wie
       in seinem höchst selektiven Umgang mit den Medien im Wahlkampf hält sich
       der gelernte Skandaljournalist Johnson hier alle Optionen offen. Zwar ist
       die BBC als „Gesamtkunstwerk“ bis 2027 durch ihre „Royal Charter“
       gesichert.
       
       ## Der Hebel Rundfunkgebühr
       
       Doch auch die ließe sich ändern, und vorher gibt es genügend Mechanismen,
       um Druck auf den Sender auszuüben: 2022 entscheidet das Parlament, in dem
       Johnsons Tories eine haushohe Mehrheit haben, beispielsweise über die
       künftige Höhe der Rundfunkgebühr.
       
       Außerdem lässt Johnson prüfen, ob Gebührenverweigerer künftig sanfter
       angefasst werden sollen. Wer bislang die „Licence Fee“ nicht zahlt, begeht
       eine Straftat. Sollte dieses Drohpotenzial wegfallen, rechnet die BBC mit
       bis zu 200 Millionen Pfund Gebührenausfällen im Jahr.
       
       Dazu kommt, dass sie ab 2020 auch noch die Kosten für die Befreiung aller
       Menschen über 75 von der Gebühr übernehmen soll. Diese halbe Milliarde
       zahlte bislang der Staat.
       
       Nun war eigentlich die Labour Party stets der verlässlicher Verteidiger der
       BBC und ihrer Werte. Doch jetzt ist Andy McDonald, ein Mitglied in Corbyns
       Schattenkabinett, die BBC ebenfalls hart angegangen. Sie habe „ihren Anteil
       zum [3][Abschneiden der Labour Party bei den Wahlen]“ beigetragen. Das
       kenne man bislang eigentlich nur von den rechtsgerichteten britischen
       Zeitungen, so McDonald. Nach natürlichen Verbündeten klingt das nicht.
       
       22 Dec 2019
       
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