# taz.de -- Feinstaub durch Heizen mit Holz: Husten fürs Klima
       
       > Gemütlich ist's, wenn die Scheite im Kamin knistern. Aber selbst
       > modernste Holzheizungen emittieren zu viel Feinstaub. Trotzdem fördert
       > sie der Senat.
       
 (IMG) Bild: Immerhin: Hübsch sieht's ja aus, wenn die Schlote rauchen …
       
       Feinstaub ist ein Killer. Von bis zu 60.000 vorzeitigen Todesfällen durch
       Feinstaub in Deutschland ist die Rede. Holz ist ein hochgradiger
       Feinstaubproduzent, wenn es zum Heizen verbrannt wird, auch das ist
       bekannt. Trotzdem fördert der Senat die Anschaffung von Holzheizungen: Mit
       mehreren tausend Euro können sich Haus- und WohnungseigentümerInnen den
       Einbau sponsern lassen. Wie geht das zusammen?
       
       Werfen wir zuerst einen Blick auf Twitter. [1][Hier wettert der Meteorologe
       und Moderator Jörg Kachelmann] seit Langem gegen das Revival des
       Holzheizens und geißelt es als fahrlässige oder bewusste
       Gesundheitsgefährdung. HerstellerInnen und NutzerInnen gemütlicher
       Kaminöfen oder moderner Pelletheizungen belegt er mit Kraftausdrücken:
       „Wahnsinn“ sei es, wie die „Feinstaubdeppen“ sich und ihre Nachbarn in
       einen stinkenden Giftcocktail hüllten – da könne man ja gleich im
       Kinderzimmer rauchen. „DummpolitikerInnen“ förderten das, und Verbände, die
       behaupten, man könne Holz ohne Risiko verbrennen, seien „dreckige
       Heuchler“.
       
       Der Schweizer verweist regelmäßig auf eine [2][Untersuchung des dortigen
       Bundesamts für Umwelt (Bafu)], das 2014 den Ausstoß unterschiedlicher
       Heizungsarten ermittelte. Demnach emittieren die lustig knisternden
       Kaminöfen 1.000-mal so viel Feinstaub wie eine Gastherme, aber auch
       Pelletheizungen kommen noch auf den vier- bis fünfhundertfachen Wert. Auch
       wenn die Hersteller solcher Anlagen geringere Zahlen nennen, bleibt klar:
       Mit Holz heizt man ungleich schmutziger als mit Öl und Gas – schlimmer ist
       nur noch der Kohleofen.
       
       Natürlich ist menschengemachter Holzbrand nicht die einzige
       Feinstaubquelle: Die winzigen Schwebteilchen, die unter anderem
       Schleimhautreizungen und sogar Krebs und neurologische Erkrankungen
       auslösen können, entstehen bei Waldbränden, bei der Industrieproduktion,
       durch Reifenabrieb oder durch die Silvesterböllerei. Aber für den Kritiker
       sind die Holzheizungen, von denen es aktuell laut Umweltbundesamt rund 11
       Millionen in Deutschland gibt, ein völlig vermeidbarer Beitrag zur
       Luftverschmutzung.
       
       Kachelmann unterfüttert das mit Messwerten. Fast täglich twittert er
       Diagramme, die zeigen, wie sich an Winterabenden die Kurve für PM10 – alle
       Partikel mit einem Durchmesser unter 10 Mikrometern (μm) – nach oben wölbt.
       Meist geht es um Mittelstädte in der Provinz, aber auch die Hauptstadt
       behält der Feinstaubjäger im Blick: „Obwohl etwas Wind ist, füllt sich die
       Luft in #Berlin langsam und kontinuierlich mit Feinstaub übers Wochenende“,
       twitterte er am 1. Dezember. „Diese Holzofen-Basis ist unabdingbar für
       Grenzwertüberschreitungen am Montag, die dann von Gaga-Politikern und
       -Verbänden lustigerweise dem Verkehr zugeordnet werden.“
       
       Richtig ist: Obwohl das Umweltbundesamt und Organisationen wie die Deutsche
       Umwelthilfe schon lange vor den Gefahren des Holzheizens warnen, findet
       diese Feinstaubquelle immer noch relativ wenig Beachtung. Ganz im Gegensatz
       zum Straßenverkehr: Die meisten Berliner Messstationen stehen an stark
       belasteten Verkehrsachsen wie der Frankfurter Allee, der Leipziger Straße
       oder dem Mariendorfer Damm. Die wenigen Sensoren in Randlagen wie Grunewald
       und Buch sollen nur als „neutrale“ Vergleichskulisse dienen. Vielleicht
       liegt es daran, dass die von Kachelmann beschworenen Kontaminationsmuster
       nicht wirklich augenfällig sind, wenn man die [3][Feinstaubentwicklung im
       Verlauf des Winters] betrachtet.
       
       Allerdings entlassen brennende Holzscheite und Sägemehl-Presslinge auch
       Stäube in die Umwelt, die von den Sensoren kaum bemerkt werden. Aber für
       den Luftreinhaltungs-Experten Axel Friedrich, der die [4][Kampagne „Clean
       Heat“] der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützt, gehen gerade von den
       „ultrafeinen“ Partikeln die größten Gefahren für die menschliche Gesundheit
       aus. Sie wanderten fast unbehelligt durch die Lungenwand in den
       Blutkreislauf und könnten vermutlich sogar Erkrankungen wie Parkinson
       auslösen. Weil sie keine nennenswerte Masse besäßen, die Grenzwerte aber
       auf Gewicht basierten, würden sie gar nicht erfasst.
       
       Und nun das: Im September veröffentlichte die Senatsumweltverwaltung für
       Verkehr, Umwelt und Klimaschutz die [5][Förderrichtlinie zum „Berliner
       Heizungsaustauschprogramm“]. Es gehört zum groß angelegten Berliner
       Energie- und Klimaschutzprogramms (BEK 2030) und bietet EigentümerInnen
       Zuschüsse, wenn sie Kohleöfen, aber auch Öl- und ältere Gasheizungen durch
       klimafreundlichere Anlagen ersetzen – auch solche, die mit Holz bestückt
       werden. Wer sie kauft, kann 3.500 Euro von der landeseigenen
       Investitionsbank Berlin (IBB) einstreichen.
       
       Offenkundig steht hier Klima- gegen Gesundheitsschutz, auch wenn die
       Senatsverwaltung das so nicht stehen lassen will: Es seien ja „technische
       Mindestbestimmungen“ definiert worden, betont Jan Thomsen, der Sprecher von
       Senatorin Regine Günther (Grüne). „Diese stellen sicher, dass nur
       emissionsarme Holzpellet- und Holzhackschnitzelkessel auf dem aktuellen
       Stand der Technik förderfähig sind.“ Thomsen verweist zudem darauf, dass es
       die Möglichkeit gebe, diese Heizungen mit hocheffizienten Staubfiltern
       nachzurüsten. Dafür könne zusätzlich eine Bundesförderung beantragt werden.
       
       Weil der „aktuelle Stand der Technik“ bei Pellets und Hackschnitzeln keine
       wirkliche Abhilfe schafft, müssten alle, die sich beim Heizungskauf fördern
       lassen, wenigstens einen elektrischen Partikelabscheider einbauen. Das
       sieht auch Dorothee Saar so, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der
       DUH. Sie ist der Ansicht, dass in Ballungsgebieten eigentlich nur mit Holz
       geheizt werden dürfe, wenn alle Anlagen „nachweislich sauber und mit
       entsprechender Abgasreinigungstechnik ausgestattet“ seien. Bloß: Die
       Pflicht zur Aufrüstung mit Partikelabscheidern gibt es nicht.
       
       Die Umwelthilfe, aber auch die Senatsverwaltung setzen darum auf
       freiwillige Aufrüstung. So wie es das mittelständische [6][„Florida Eis“ in
       seiner Spandauer Produktionsstätte] getan hat: Der Partikelabscheider, den
       das Unternehmen auf Anregung der „Clean Heat“-Kampagne in ihre
       Pelletheizung einbauen ließ, senkt laut DUH die Anzahl der ultrafeinen
       Partikel im Abgas um rund 80 Prozent.
       
       Einen kleinen Etappensieg beim Kampf gegen Holzfeinstaub hat die
       Umwelthilfe übrigens gerade eingefahren: Sie hat die „Jury Umweltzeichen“,
       die den sogenannten Blauen Engel vergibt, dazu bewegt, ein solches
       [7][Label für Kaminöfen] zu beschließen – also die mit Abstand
       schmutzigsten Holzheizungen. Ab dem 1. Januar 2020 können Hersteller den
       Blauen Engel auf Öfen kleben, die ebenfalls mit Partikelabscheidern
       ausgerüstet sind. Deren Emissionen bleiben dennoch höher als bei Pellets
       oder Hackschnitzeln, weil beim Verbrennen von Holzscheiten von vornherein
       mehr Dreck entsteht.
       
       Für die BesitzerInnen solcher Öfen ändert sich dadurch allerdings nichts –
       und dass künftige OfenkäuferInnen zu den teureren Öfen mit dem Sauber-Label
       greifen, ist erst einmal auch nur wünschenswert. Es sei denn, das
       Zertifikat wird von den Behörden zur Bedingung gemacht. Hier kann sich die
       Umwelthilfe auf eine Ankündigung berufen, die die Senatsumweltverwaltung im
       aktuellen Luftreinhalteplan macht: Im Rahmen einer zu erarbeitenden
       „Festbrennstoffverordnung“ soll der Blaue Engel künftig Mindestanforderung
       für alle neuen Kaminöfen sein.
       
       19 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/Kachelmann
 (DIR) [2] https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/luft/fachinfo-daten/faktenblatt_emissionsfaktorenfeuerungen.pdf.download.pdf/faktenblatt_emissionsfaktorenfeuerungen.pdf
 (DIR) [3] https://luftdaten.berlin.de/pollution/pm10?stationgroup=all&period=1h&timespan=custom&start%5Bdate%5D=14.12.2019&start%5Bhour%5D=00&end%5Bdate%5D=15.12.2019&end%5Bhour%5D=23
 (DIR) [4] https://www.clean-heat.eu/de/start.html
 (DIR) [5] https://www.berlin.de/senuvk/klimaschutz/bek_berlin/foerderprogramme/heizungsaustausch.shtml
 (DIR) [6] https://www.floridaeis.de/ueber-uns/klimaschutz/feinstaubfilter
 (DIR) [7] https://www.blauer-engel.de/de/produktwelt/bauen-heizen/kaminoefen-fuer-holz
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Holz
 (DIR) Feinstaub
 (DIR) Klimaneutralität
 (DIR) Deutsche Umwelthilfe
 (DIR) Luftreinhalteplan
 (DIR) Energiewende
 (DIR) Energiekrise 
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Gesundheit
 (DIR) Luftqualität
 (DIR) Dieselfahrverbot
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte um Holzheizungen: Klimaneutral mit Fragezeichen
       
       Holzheizungen sind weniger öko, als viele annehmen. Die Bundesregierung
       hält trotzdem an der Förderung als klimaneutrale Wärmequelle fest.
       
 (DIR) Holz als Alternative zum teuren Gas: Platte oder Pellet?
       
       Energie ist so teuer, dass inzwischen sogar Möbelholz im Kraftwerk landet.
       Das Europaparlament will nun aus Klimagründen gegensteuern.
       
 (DIR) Kritik an Dänemarks Klimapolitik: Holz, das den Wald zerstört
       
       Baltische NaturschützerInnen schlagen Alarm: Für Pelletsheizungen in
       Dänemark werden Bäume in Estland gefällt.
       
 (DIR) Luftverschmutzungs-Hotspot Sarajevo: Bosnier gegen Dreckluft
       
       Die schmutzigste Luft der Welt atmeten in den vergangenen Wochen die
       BewohnerInnen Sarajevos. Aufregung darüber gab es kaum – bis jetzt.
       
 (DIR) Luftqualität in Europa: 412.000 Todesfälle durch Feinstaub
       
       Mehr als 400.000 EU-Bürger fallen jährlich der Belastung durch Schadstoffe
       zum Opfer. Kaum jemand kann in Europas Städten reine Luft einatmen.
       
 (DIR) Fahrverbote für Dieselfahrzeuge kommt: Bald durchatmen statt durchfahren
       
       Senat beschließt Diesel-Fahrverbote auf acht Straßenabschnitten und 59 neue
       Tempo-30-Zonen. Polizeigewerkschaft äußert Kritik.