# taz.de -- Angst vor dem Mietendeckel: Jammern auf hohem Niveau
       
       > Ist die Mietendeckel-Angst von Vermietern und Bauwirtschaft berechtigt?
       > Nein: Die Immobilienwirtschaft kann sich vor Aufträgen nicht retten.
       
 (IMG) Bild: Boom, boom: Wohnungsbau an der Schöneberger Linse
       
       50.000 wegfallende Jobs und Streichungen von bis zu 90 Prozent der
       Investitionen im Sanierungsbereich – das waren unter anderem die
       Horrorszenarien, die rund 1.000 Vermieter:innen und Vertreter:innen der
       Immobilienwirtschaft bei [1][einer Demo am Montag] auf den vom
       rot-rot-grünen Senat beschlossenen Mietendeckel projizierten. Aber wie
       berechtigt sind die Sorgen einiger Eigentümer und Baufirmenchefs sowie
       [2][ihrer mitgeschleppten Handwerker:innen]?
       
       Hört man sich in der Branche um, bekommt man schnell andere Einschätzungen
       zu den Auswirkungen des Mietendeckels: Für den IG-Bau-Regionalchef
       Berlin-Brandenburg, Nikolaus Landgraf, waren die auch von Kai Wegner (CDU)
       und Sebastian Czaja (FDP) beklatschten Botschaften der Vermieterdemo nichts
       als Panikmache. Der Gewerkschafter hält einen drohenden Wegfall von
       Arbeitsplätzen in der Baubranche infolge des Mietendeckels für „Humbug und
       Angstmacherei“.
       
       Landgraf sagt: „Wenn Vermieter gegen den Mietendeckel auf das teuerste
       Pflaster Berlins ziehen, um fürs eigene Portemonnaie zu demonstrieren, dann
       ist das ein Protest einer expliziten ‚Komfortzonen-Klientel‘.“ Die
       Schreckensbotschaften der Wohnungswirtschaft seien ein unverantwortliches
       Geschäft mit der Angst.
       
       Und mit unverantwortlichen Geschäften kennen sich einige Vermieter Berlins
       wohl aus, wie ihre Demo unter Beweis stellte: Spannend war etwa das
       Bekenntnis eines Eigentümers, der den Mietendeckel für „asozial“ befand, im
       nächsten Atemzug aber davon sprach, jetzt nicht mehr günstig an Studierende
       vermieten zu wollen.
       
       Ach so, und seine Wohnungen habe er damals in einer Zwangsversteigerung
       erworben. Ebenso bemühte Bernhard Schodrowski vom [3][windigen
       Immobilien-Lobby-Bündnis „Neue Wege für Berlin“] das derzeit in Berlin
       umgehende Sozialismus-Schreckgespenst und klapperte angesichts der
       bevorstehenden Nordkoreanisierung Berlins schon mit den Zähnen.
       
       ## Wachsende Beschäftigungszahlen
       
       Geltend machten Baufirmen-Chefs auch, dass Aufträge wegen des Mietendeckels
       bereits gekündigt worden seien. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner
       Mietervereins, wischte diese Einwände allerdings weg: Er glaube nicht, dass
       Handwerksbetriebe schon jetzt die Auswirkungen des Mietendeckels spürten.
       
       Etwaige gekündigte Aufträge seien vielmehr auf die [4][verschärfte
       Mietpreisbremse auf Bundesebene] zurückzuführen, die seit Anfang dieses
       Jahres gilt. Vor allem für renditegierige Vermieter sei das ein Grund,
       weniger zu investieren. „Die ganzen Modernisierer, die teilweise
       Mietsteigerungen von 3, 4, 5 Euro pro Quadratmeter monatlich genommen
       haben, sind jetzt alle weg vom Fenster“, [5][sagte Wild im RBB].
       
       Ein Grund für Mitleid mit Berlins Bauwirtschaft ist der Mietendeckel
       jedenfalls nicht, wie auch die Wirtschaftsverwaltung von Senatorin Ramona
       Pop (Grüne) bekräftigt: Es gibt wachsende Beschäftigungszahlen und
       zunehmende Einkommen. „Wir bewegen uns im Baugewerbe auf sehr hohem
       Niveau“, sagt Pops Sprecher Matthias Borowski.
       
       Nach einem extremen Anstieg im vergangenen Jahr könne man 2019 erneut
       einen leichteren Anstieg verzeichnen. Angesichts der hohen Baunachfrage
       gebe es weiterhin die Perspektive auf eine rege Bautätigkeit in Berlin –
       Mietendeckel hin oder her.
       
       ## Auftragszahl steigt
       
       Das deckt sich mit den Zahlen der IG Bau Berlin-Brandenburg. Dirk Kuske,
       deren stellvertretender Regionalleiter, präzisierte noch einmal auf
       taz-Nachfrage: „Laut jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die
       Auftragseingänge um 5,8 Prozent höher als im Vorjahr.“ Auch die aktuellsten
       Zahlen legten noch ein Wachstum nahe. Vom August zum September 2019 seien
       die Aufträge um 7,6 Prozent gestiegen. Die Bauwirtschaft bleibe
       Deutschlands Konjunkturlokomotive, sagt Kuske: „Es brummt, und es sieht
       auch mittelfristig nicht anders aus. Die Auftragsbücher sind und bleiben
       voll – derzeit finden sie keine Firma für Neubau.“
       
       Die auf der Demo kolportierten Schreckensszenarien erinnerten Kuske an die
       „Panikmache“ vor dem Mindestlohn: „Damals wurde auch der Verlust von
       Tausenden Arbeitsplätzen vorausgesagt. Und was passierte? Der Mindestlohn
       ist eine Erfolgsgeschichte und bis auf ein paar Verwerfungen im Taxigewerbe
       waren nur positive Effekte spürbar.“
       
       Tatsächlich hat kürzlich auch das Statistische Bundesamt einen besonders
       großen Bauüberhang in Berlin festgestellt. „Im Jahr 2018 gab es in Berlin
       mit 64.000 Bauüberhängen die bei Weitem höchste Anzahl von genehmigten,
       aber noch nicht fertig gestellten Wohnungen“, schreibt das [6][Amt in einer
       Pressemitteilung]. Die Anzahl der Bauüberhänge werde deutschlandweit nur
       von den größten Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und
       Baden-Württemberg übertroffen.
       
       Zu zäher Wohnungsbau [7][liege danach weder am Mietendeckel] noch an
       langsamen behördlichen Genehmigungen, wie sie etwa von der Immobilienlobby
       moniert werden. Es fehle demgegenüber hauptsächlich an Kapazitäten in der
       Bauwirtschaft. Und das ist im Übrigen nicht nur ein Berliner Problem, wie
       Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamts, sagte: „Den Betrieben
       fehlt offenbar das Personal.“
       
       12 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vermieter-Demo-gegen-Mietendeckel/!5648285
 (DIR) [2] /Eigentuemer-Demo-gegen-den-Mietendeckel/!5645042
 (DIR) [3] /Initiative-Neue-Wege-fuer-Berlin/!5649089
 (DIR) [4] /Abstimmung-im-Bundestag/!5554736
 (DIR) [5] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/12/mietendeckel-berlin-abgeordnetenhaus-handwerker-mieterverein.html
 (DIR) [6] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen/2019/Wohnen/pm_BB_wohnen.pdf;jsessionid=2208267491EF11F65B6C4AE8E078BCE6.internet731?__blob=publicationFile
 (DIR) [7] https://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_wirtschaft/article204057776/Deutschland-steckt-offiziell-im-Baustau.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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