# taz.de -- Protestmagazin „Tuk-Tuk“ im Irak: Gefährt der Revolte
       
       > Seit Anfang Oktober erlebt der Irak die größte Protestbewegung seit dem
       > Ende der Hussein-Ära. Jetzt hat sie sogar ihre eigene Zeitung.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Titel bekundet die Redaktion, nicht vom Ausland gesteuert zu sein
       
       In einem Zelt findet die Redaktionskonferenz statt, auch die Texte werden
       dort geschrieben, diskutiert und redigiert – mitten auf dem Tahrir-Platz in
       Bagdad. In geheimen, lokalen Druckereien werden die Seiten dann gelayoutet
       und gedruckt. Das Magazin Tuk-Tuk ist die erste eigene Publikation der
       irakischen Protestbewegung. Seit Anfang Oktober gibt es [1][im Irak die
       bisher größte Protestwelle] seit 2003, als Saddam Hussein gestürzt wurde.
       Die Proteste richten sich gegen die Regierung und die weitverbreitete
       Korruption.
       
       Anfang November verteilten AktivistInnen die erste Ausgabe einer
       Print-Publikation mit dem Titel Tuk-Tuk auf dem Tahrir-Platz, dem
       Hauptprotestplatz im Zentrum der irakischen Hauptstadt. Hinter dem Projekt
       steht ein Redaktionsteam aus zwei JournalistInnen, zwei AktivistInnen und
       einem Layouter. Das Blatt drucken sie heimlich, mittlerweile mehrmals pro
       Woche etwa 3.000 Exemplare.
       
       Die Zeitschrift wurde nach den dreirädrigen Tuk-Tuk-Fahrzeugen benannt,
       deren Fahrer verletzte DemonstrantInnen, manchmal durch das Feuer der
       Scharfschützen hindurch, von der Frontlinie der Demonstrationen bis zu
       medizinischen Zentren bringen, wenn die Fahrer der Krankenwagen sich nicht
       trauen. So erklären es die HerausgeberInnen in einem Editorial der ersten
       Ausgabe. Das Tuk-Tuk sei das „Fahrzeug der Armen, das zur Ikone der
       Revolution wurde“.
       
       Die Idee, Tuk-Tuk zu gründen, kam dem Journalist Ahmad Abd Alhussein, als
       die Regierung mal wieder den Zugang zum Internet sperrte. Das berichtet der
       53-Jährige der taz. „Es musste etwas geben, um alle auf dem Laufenden zu
       halten und einen Raum, in dem die DemonstrantInnen ihre Meinung äußern
       können“, sagt Abd Alhussein.
       
       ## DemonstrantInnen sehen eine Informationslücke
       
       Die Zeitung enthält Artikel lokaler Aktivisten und Übersetzungen
       internationaler Medienberichte über den Irak und wichtige Ereignisse der
       Proteste und sie verbreitet Forderungen der Bewegung. Auch Gedichte und
       Meinungen finden einen Platz im Blatt.
       
       Die erste Ausgabe enthält etwa „eine Roadmap zur Rettung des Iraks“, in der
       die Absetzung der Regierung und die Änderung der Verfassung gefordert wird.
       [2][Mittlerweile ist Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi tatsächlich
       zurückgetreten].
       
       Das Vertrauen der breiten Protestbewegung zu gewinnen, die Iraker aus allen
       Gesellschaftsschichten, von der armen Arbeiterklasse bis zur Elite, sei das
       Ziel von Tuk-Tuk, sagt Abd Alhussein. Aber auch eine Herausforderung. „Wir
       setzen uns für jede Ausgabe mit den Demonstranten zusammen und diskutieren
       über die neuesten Entwicklungen und schreiben mit.“
       
       Ahmad Al Scheikh Majed, ein weiteres Mitglied der Redaktion, sagt: „Tuk-Tuk
       schließt eine Informationslücke, die die irakischen Massenmedien
       hinterlassen haben.“ Es gebe keine wirkliche Medienberichterstattung über
       die Protestbewegung in der irakischen Presse – nicht so, dass die
       Demonstranten sich angemessen abgebildet sähen.
       
       ## Die Pressefreiheit leidet
       
       Genauso sieht es Noor Aldin Hussein Ali, der Pressesprecher der irakischen
       Facebook-Nachrichtenseite [3][Al-khuwa al-nadhifa]. „Nach Ansicht der
       Demonstranten arbeiten viele irakische JournalistInnen mit der Regierung
       zusammen, um die Bewegung zu untergraben.“ Es gebe jedoch auch
       JournalistInnen, die von den DemonstrantInnen respektiert würden. Sie seien
       aber gezwungen, sich selbst zu zensieren, nachdem mehrere Medienbüros nach
       der ersten Protestwelle von nicht identifizierten Bewaffneten angegriffen
       worden sind.
       
       Der Organisation Iraq Press Freedom Advocacy Association zufolge war der
       Oktober der schlechteste Monat für die Pressefreiheit im Land seit 2003.
       Die NGO gab an, 89 Verstöße gegen JournalistInnen in mehreren Provinzen
       verzeichnet zu haben. Morddrohungen, Inhaftierungen und Angriffe auf
       JournalistInnen.
       
       Die Redaktion hofft, bald täglich eine Ausgabe von Tuk-Tuk produzieren zu
       können. Die Kosten seien niedrig, da die Mitarbeiter ehrenamtlich schrieben
       und eine Druckerei zugestimmt habe, sie kostenlos zu veröffentlichen.
       Tuk-Tuk, sagt die Redaktion, sei der Gegenbeweis gegen die Behauptung der
       Regierung, dass die Proteste von ausländischen Akteuren, einschließlich der
       USA, finanziert würden.
       
       4 Dec 2019
       
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