# taz.de -- Allianzen für Klimapolitik: Die falsche Rede vom Kulturkampf 
       
       > Klimapolitik ist die notwendige Basis für eine ordentliche Zukunft. Muss
       > Grünen-Chef Robert Habeck eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede halten?
       
 (IMG) Bild: Teile Australien brennen ab – wie radikal müssen die Grünen argumentieren?
       
       Neuerdings kommen klimapolitisch engagierte Leute zu mir und rufen voller
       Verve: „So geht es nicht weiter, Robert Habeck muss endlich eine große
       Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede halten!“ Der Parteitag in Bielefeld an diesem
       Wochenende sei die Gelegenheit.
       
       Die naheliegende Frage darauf lautet: Was soll das bringen?
       
       Ja, weil es schlimm stehe mit der Erderhitzung und im Angesicht des
       klimapolitischen Totalversagens der Bundesregierung, müsse der
       Bundesvorsitzende der Grünen die Gesellschaft churchillmäßig auf das Ausmaß
       der Veränderungen einschwören. Die Grünen müssten sich das trauen, aber sie
       trauten sich ja nichts mehr blablabla.
       
       Dazu kann ich nur sagen, dass der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter
       seit vielen Jahren im Schweiße seines Angesichts Reden hält, die zumindest
       mir die Tränen in die Augen treiben. Die Mehrheitsfähigkeit von
       sozialökologischer Klima- und Wirtschaftspolitik, für die er ohne Zweifel
       werben will, hat das nicht vorangebracht.
       
       ## Klimapolitik als Antwort auf die soziale Frage
       
       Gleichzeitig kommen die linksozialkonservativen Kulturen und sagen, was sie
       immer sagen: Dass die Grünen sich aber nicht auf das „Klimathema“
       reduzieren dürften und die „soziale Frage“ vergessen. Der Schnupsibegriff
       „Klimathema“ zeigt, dass sie keine Ahnung haben, dass die politische
       Bekämpfung der Erderhitzung die Antwort auf die soziale Frage des 21.
       Jahrhunderts ist.
       
       Und dann ist da noch die CDU Deutschlands. Kein potenzieller
       CDU-Kanzlerkandidat würde versuchen, sich mit dem Versprechen von
       Klimapolitik die Mehrheit in Partei und Bevölkerung zu sichern. Nein, auch
       nicht Laschet. Die Strategie lautet: Wir waren nackt und sprachlos, als die
       Kids von Fridays for Future die gesellschaftliche Gesprächsbasis neu
       justierten. Nun haben wir eine Antwort (das „Paket“), mit der wir
       durchkommen. Damit warten wir schön auf eine Wirtschafts- oder
       Sicherheitskrise.
       
       Und wir haben noch gar nicht von der AfD gesprochen, das sind die
       Revolutionäre von heute, die einen Kulturkampf gegen das „Establishment“
       führen wollen, womit sie uns meinen. Klimapolitik wird von Populisten als
       Kulturkampf inszeniert, damit es in ihr Framing passt, in dem die
       Mercedes-Diesel-Verdammten dieser Erde sich gegen die herrschende
       Elektroauto-Elite der Weltbürgermoralschwafler auflehnen.
       
       Deshalb ist es auch fahrlässig, wenn der FDP-Politiker Christian Lindner
       mit dem Wort „Kulturkampf“ zündelt oder Regierungspolitiker so tun, als
       seien die Verträge von Paris Larifari und das wahre Problem hypermoralische
       Kids und Grüne, die auf ihre Einhaltung bestehen. So stärken sie das Bild
       eines Klassenkampfs zwischen verlogener Ökomoralelite und ihren armen
       Opfern.
       
       ## Sich als Obama versuchen
       
       Klimapolitik gegen die Erderhitzung ist keine Kultur oder Moral, sondern
       die notwendige gemeinsame Basis für eine ordentliche Zukunft, in der die
       einen kulturell so und die anderen kulturell anders leben.
       
       Ich teile den sozialökologischen Frust [1][über eine Bundesregierung, die
       verloren hat, verloren ist und unsere Zeit vergeudet]. Aber das alte
       Paradigma, die Realität einer vielfältigen Macht- und komplizierten
       Lösungskonstellation durch ignorant-radikales Sprechen bannen zu wollen,
       ist over.
       
       Der Weg zu einer demokratischen Mehrheit und einer europäische Allianz für
       postfossiles Wirtschaften ist weit und wird mit Kompromissen und
       Widersprüchen gepflastert. Es geht darum, zu skizzieren, was gehen kann –
       und nicht, was alles nicht mehr geht. Mit einer
       Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede würde man diesen Weg nicht abkürzen, sondern
       blockieren. Erfolgversprechender ist, sich als Obama zu versuchen.
       
       15 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
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