# taz.de -- Grüner über Finanztransaktionssteuer: „Das ist ein Etikettenschwindel“
       
       > Die Finanztransaktionssteuer soll nun für die Grundrente genutzt werden.
       > Attac-Mitgründer Sven Giegold sagt: ein Verrat an der ursprünglichen
       > Idee.
       
 (IMG) Bild: Die Finanztransaktionsteuer sollte eigentlich gegen Armut weltweit eingesetzt werden
       
       taz: Herr Giegold, Sie kämpfen seit 20 Jahren für die Einführung der
       [1][Finanztransaktionssteuer]. Nachdem es darum lange still war, soll sie
       jetzt kommen – und die Einnahmen zur Finanzierung der Grundrente verwendet
       werden. Ist das für Sie ein Grund zur Freude? 
       
       Sven Giegold: Leider überhaupt nicht. Ich fühle mich ehrlich gesagt doppelt
       verschaukelt. Erstens ist es ein Etikettenschwindel, denn das, was jetzt
       geplant ist, hat mit der ursprünglichen Idee der Transaktionssteuer nichts
       zu tun, weil alle Derivate ausgenommen sind. Und zweitens sollen die
       dramatisch geschrumpften Einnahmen, die eigentlich in die internationale
       Armutsbekämpfung fließen sollten, jetzt für die Finanzierung der Grundrente
       genutzt werden.
       
       Ist das nicht auch eine Form von Armutsbekämpfung? 
       
       Schon, und den Ansatz der [2][Grundrente] finde ich auch völlig richtig.
       Aber der Grundgedanke der Finanztransaktionssteuer war, dass man die
       Einnahmen aus den Finanzmärkten den ärmsten Ländern zur Verfügung stellt,
       weil diese besonders unter den Folgen von Finanzspekulationen und
       plötzlicher Auf- und Abwertung von Währungen leiden.
       
       Dafür hatte sich im Rahmen des Bündnisses „Steuer gegen Armut“ in der
       Vergangenheit auch die SPD eingesetzt. Doch jetzt will sie diese Grundidee
       aufgeben, dass die Globalisierung des Finanzsystems auch mit einer
       Globalisierung von Solidarität einhergehen muss.
       
       Sie sagten, die geplante Steuer habe mit dem ursprünglichen Konzept nichts
       mehr zu tun. Was hat sich denn geändert – und warum? 
       
       Ursprünglich war sie als globale Steuer gedacht, nach der Absage der USA
       und Chinas dann in Europa, und nach einem Veto aus Großbritannien in der
       Eurozone. Die EU-Kommission hat einen sehr guten Vorschlag vorgelegt, wie
       man es hinkriegt, auch abgeleitete Finanzprodukte wie Derivate in einem
       kleinen Raum zu besteuern, ohne dass der Handel verlagert wird.
       
       Doch dieser Vorschlag wird seit Jahren blockiert, weil einige Staaten die
       hochspekulativen Instrumente nicht besteuern wollen und andere, darunter
       Deutschland, sich dafür nicht intensiv genug eingesetzt haben. Stattdessen
       gibt es jetzt einen deutsch-französischen Kompromiss, der auf einem
       absoluten Minimum beruht und mit einer Finanztransaktionssteuer eigentlich
       nichts mehr zu tun hat.
       
       Hat nicht auch das, was jetzt geplant ist, zumindest einen kleinen
       positiven Einfluss auf die Finanzmärkte? 
       
       Nein. Indem Derivate ausgenommen sind, trifft sie faktisch nur
       Kleinanleger, die Aktien direkt kaufen und salopp gesagt zu blöd sind, die
       Steuer zu umgehen. Einen großen Sinn kann ich in dieser Sonderbelastung
       nicht erkennen.
       
       Ist es denn überhaupt realistisch, dass die Steuer, wenn auch in dieser
       abgespeckten Form, im nächsten Jahr tatsächlich kommt? 
       
       Im Moment sieht es nicht danach aus. Denn jetzt sagen die kleinen Staaten,
       wenn so wenig besteuert wird, lohnt sich die Einführung der Steuer gar
       nicht. Der Aufwand ist größer als der Nutzen. Deshalb verlangen sie, von
       den Staaten mit größeren [3][Börse]nstandorten kompensiert zu werden. Das
       zeigt die Ironie der Geschichte.
       
       13 Nov 2019
       
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