# taz.de -- Junger Geflüchteter wird nicht betreut: Wer sich beklagt, wird nicht beraten
       
       > Ein junger Flüchtling wurde in Bremen aus dem Jugendhilfesystem geworfen.
       > Zuvor hatte er sich über schlechte Betreuung beschwert.
       
 (IMG) Bild: An das Jugendamt hat der junge Geflüchtete keine guten Erinnerungen
       
       Bremen taz | Als Karim (Name von der Redaktion geändert) die Betreuung
       durch das Jugendamt unvermittelt versagt wird, ist er 20 Jahre alt. Die
       Eltern des jungen Flüchtlings leben nicht in Deutschland; er hat noch keine
       Ausbildung oder eine berufliche Perspektive – und am liebsten würde er noch
       mal zur Schule, aber wie das gehen soll, das weiß er nicht so recht. Karim
       wünscht sich bei diesen Fragen Unterstützung.
       
       Doch die wird ihm abrupt entzogen: „Die bisher geleistete Jugendhilfe wird
       mit Wirkung vom 28. 02. 2019 eingestellt“, wird Karim kurzfristig in einem
       Schreiben vom 14. Februar mitgeteilt. Unter „Begründung“ fasst das Amt sich
       kurz: „Die Jugendhilfemaßnahme wurde zum 28. 02. 2019 beendet“, heißt es
       da. Dabei hatte der neue Bewilligungszeitraum für Karim erst am 1. Februar
       begonnen und sollte noch bis Ende Juli laufen.
       
       Später wird man genauer: Karim habe mit seinem Betreuer nicht gut
       zusammengearbeitet – ohnehin könne er die Ziele aus dem Hilfeplan
       „mittlerweile eigenständig umsetzen“. Karim versteht das nicht. „Ich sollte
       noch bis Juli beim Jugendamt sein“, sagt er. „Warum plötzlich nicht mehr?
       Weil ich mich beschwert habe?“
       
       So wie er die Geschichte darstellt, kann nicht die Rede davon sein, dass er
       nicht mitgearbeitet hat, im Gegenteil: Anfang Februar war sein Betreuer zum
       wiederholten Male nicht zu einem Termin erschienen. Karim meldet den Fall
       bei seiner Case-Managerin – und wird zum Hilfeplangespräch geladen. Zu
       seiner Überraschung geht es dort um die Beendigung der Jugendhilfe: Es gibt
       eine Broschüre „Goodbye Jugendhilfe“ und die Ankündigung, dass seine neu
       bewilligte Betreuung in zwei Wochen beendet werde.
       
       ## Karim ist kein Einzelfall
       
       Wie sich K. in dem Betrieb machte, in dem er Anfang des Jahres zum
       Probearbeiten war? Laut Karim keine Frage dazu. Was er in Zukunft beruflich
       plane? Ebenfalls keine Frage. Dass er nicht weiß, wie er ohne Jugendhilfe
       seine nächste Miete zahlen soll? Vorerst kein Thema. Für Karim ist klar:
       „Ich darf mich nicht beschweren. Die Leute benutzen persönliche Sachen,
       wenn sie entscheiden: Wer bleibt da, wer geht raus?“
       
       Ein Einzelfall ist Karim nicht. „Es gibt nicht so furchtbar wenige Fälle,
       bei denen die Betreuung holterdiepolter enden soll“, so der [1][Bremer
       Migrationsanwalt Anatol Anuschewski], der auch Karim vertritt. Die
       Sozialbehörde dagegen glaubt an ihr Hilfesystem. „Junge Erwachsene, die von
       der Jugendhilfe betreut werden, haben immer die Möglichkeit, sich an ihren
       Fallmanager zu wenden, auch wenn sie Probleme mit einem Betreuer haben
       sollten“, heißt es von dort.
       
       Für Anuschewski ist das keine Lösung auf Augenhöhe. Schließlich arbeite ein
       Case-Manager oft seit Jahren mit den Trägern zusammen. „Wenn da vom
       Jugendlichen und vom Träger eine Beschwerde kommt, ist einfach die Frage:
       Wer ist sich näher?“
       
       Immerhin: Während sein Verfahren vor der Widerspruchsstelle läuft, ist das
       Jugendamt verpflichtet, die Geldleistungen weiter zu überweisen; eine
       Betreuung findet aber nicht mehr statt. Anwalt Anuschewski ist sicher, dass
       die Beendigung der Jugendhilfe im Februar „rechtlich erheblich mangelhaft“
       war.
       
       Doch um eine Entscheidung der Widerspruchsstelle in dieser Sache kommt die
       Behörde herum: Kurz vor Ende des ursprünglichen Bewilligungszeitraums hebt
       das Jugendamt seinen Bescheid auf – Karims Widerspruch gilt damit nur noch
       für die wenigen Monate bis zu seinem 21. Geburtstag.
       
       ## Betreuung war zuvor schon mangelhaft
       
       Karims Frust sitzt tief. „Gerechtigkeit gibt es nur für manche in
       Deutschland“, sagt er. Schon vor dem frühzeitigen Ende sei er mangelhaft
       betreut worden. Dass die Betreuer tatsächlich die 7,5 Stunden wöchentlich
       für ihn gearbeitet haben, die sie vom Jugendamt bezahlt wurden, kann er
       sich nicht vorstellen: Seinen Betreuer hat er nur alle drei Monate gesehen.
       Als er im Februar aus dem Jugendhilfesystem ausgeschlossen wird, ist sein
       Jugendhilfeplan schon ein halbes Jahr abgelaufen.
       
       Wie das Jugendamt die Arbeit der freien Träger evaluiert, diese Antwort
       bleibt die Sozialbehörde zum Teil schuldig. Entscheidungen würden im Team
       gefällt, heißt es auf Nachfrage. Doch ob auch eine unabhängige Kontrolle
       der freien Träger stattfindet, wird nicht mitgeteilt. Für Karim ist die
       Jugendamtsphase nun ohnehin vorbei – vergangene Woche ist er 21 Jahre alt
       geworden. „Es geht auch nicht mehr um mich“, sagt der junge Mann. „Ich bin
       frei. Es geht um viele Jungs, die Nachteile haben.“
       
       13 Nov 2019
       
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