# taz.de -- Krieg, Terror und Journalismus: Halle, Hass und Erdoğan
       
       > Keine Woche ist wie die andere – und selten ist eine so beschissen, wie
       > die vergangene. Ein Rückblick auf irrsinnige sieben Tage.
       
 (IMG) Bild: Gebratene Täubchen fliegen uns auch nicht mehr in den Mund
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Die Auswahl an geeigneten Antworten auf diese
       Frage.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Der Zwischenruf „Halt die Fresse“ gegen Störer bei der Schweigeminute für
       die Opfer in Halle.
       
       Türkische Truppen marschieren im Norden Syriens ein und die üblichen
       Verdächtigen [1][wie Medico International protestieren]. Dazu gibt es noch
       [2][einen offenen Brief von Künstlern und Journalisten], die zur
       Solidarität mit Rojava aufrufen. Juckt das Erdoğan überhaupt? 
       
       Nein.
       
       Annegret Kramp-Karrenbauer sprach nach dem Anschlag in Halle lediglich von
       einem „Alarmzeichen“. Hat die CDU-Parteivorsitzende eventuell den Schuss
       nicht gehört? 
       
       Korrekt. Wer im Moment von Schock und jäher Trauer gelassen das
       etymologische Wörterbuch konsultiert, liest: „all`arme“, zu den Waffen; und
       dieser Ruf liegt vor dem Schuss – nicht wie hier: dahinter. Auch Seehotte
       Hofer rumpumpelte von „Lackmustest“. Die rhetorischen Platzpatronen
       „unschuldige Menschen“ (Heiko Maass) und „sinnlos getötet“ (AKK) waren
       wieder mit dabei. Semantisch ein klares Plädoyer, schuldige Menschen
       sinnvoll zu töten. Die Ehrennadel für versehentliches Kollateralgoebbeln
       jedoch geht an eine Video-Unterzeile der Bild: „Weil Stefan B. an der
       Synagoge keinen Erfolg hatte, erschoss er wahllos …“ Kein Erfolg. Ach so.
       Wohlfeil, vom sortierten Schreibtisch aus in Aufwallung Erbrochenes
       feinzuwägen. Soweit jedoch das Gesprochene Gedachtes enthielt, macht es
       aber schon Angst.
       
       Das [3][ZDF schaltete den AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen im „Morgenmagazin“
       zu], um über Antisemitismus und Halle zu sprechen. Warum machen die das? 
       
       Warum schaltete man grüne Politiker, wenn es bei Anti-AKW-Demos zu
       Gewaltausbrüchen kam? Weil das Journalismus ist. Oder doch werden könnte.
       Renate Künast und Volker Beck, die gegen die redaktionelle Entscheidung des
       ZDF twitterten, mögen sich daran noch erinnern. Michel Friedman hatte tags
       zuvor die AfD der „geistigen Brandstiftung“ geziehen. In der gleichen
       Ausgabe des „Moma“ präparierte Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte
       der Bundesregierung, den „sekundären Antisemitismus der AfD“ präzise
       heraus. Nur im Interview selbst dann verliebte sich der Moderator suizidal
       in ein Höcke-Zitat von Wölfen, Hämmern, Ambossen und irgendwas mit Hitler,
       wofür er sich die Erstohrfeige „Was hat das mit Halle zu tun?“ von Meuthen
       abholte. Der schwärmte von seiner Rassenbande als „pro-israelisch“, man
       habe „ganz viele“ jüdische Mitglieder und gar eine „jüdische Gruppe“.
       Informierte Nachhaken wie „Wie viele jüdische Mitglieder genau, bitte?“ und
       „Was sagen die zu Halle?“ blieben aus. Oder: „Umvolkung, Massenmigration –
       warum teilen Sie Vokabeln mit dem Mörder von Halle?“ Oder „Beschneidung,
       Schächtung – warum will die AfD das verbieten?“ Stattdessen kotaute das Eis
       in der Unterwerfungswendung des Moderators: „Wir werfen Ihnen persönlich
       diese Formulierung gar nicht vor.“ Was man im Sportstudio nochmal als
       Zeitlupe wiederholen kann: Hau dir einen Elfer über 90 Meter rücklings ins
       eigene Tor. Also – es ist noch schlimmer. Die müssen das nicht nur machen –
       die müssten das sogar gut machen.
       
       Laut „report München“ wurden 87 Prozent aller weiblichen
       Bundestagsabgeordneten bereits Ziel von Hass und Bedrohung im Netz. Männer
       raus? 
       
       Aus Umfragen offenbar. Report München befragte alle 221 weiblichen
       Bundestagsabgeordneten, 77 antworteten. Die Schlagzeile „Hass und Bedrohung
       gegen weibliche Abgeordnete“ konnte man also schon vor Stattfinden der
       Umfrage bereitlegen.
       
       Die Turteltaube wurde zum Vogel des Jahres 2020 ernannt. Was sagt uns das
       über Deutschland? 
       
       Dass uns die gebratenen Täubchen auch nicht mehr in den Mund fliegen. In
       Europa ist der Bestand um zwei Drittel, in Deutschland um 80 Prozent
       zurückgegangen. Jeweils seit neulich. Ursache: industrielle Landwirtschaft
       und Waidmannsheil in Spanien, Italien, Malta. Unter Tauben kein Geheimnis,
       dass die Turtelmenschen aussterben.
       
       Der [4][Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an Äthiopiens Premier]. Ihre
       Prognose für 2020: Thunberg oder Merkel? 
       
       Trump will auch noch einen. Thunberg erspart die diesjährige Wahl ein
       Schicksal als 18-jährige Rentnerin. Merkel hat schon geliefert, oft zielt
       die Jury eher auf Ermutigung denn auf Honoratiorenbelohnung. Also: ein
       aktiver Ausgleichspolitiker wie Abiy Ahmed – nach vorne geschaut eine gute
       Wahl.
       
       [5][Die Bundespressekonferenz wird 70]. Ihre Frage an die Bundeskanzlerin? 
       
       „Würden Sie durch ein vielsagendes Schweigen einräumen, dass der Laden hier
       ohne Tilo Jung im Gestern stecken geblieben wäre?“
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Spielfrei. Die esoterische Version des Unentschiedens.
       
       Fragen: Simon Sales Prado
       
       13 Oct 2019
       
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 (DIR) [4] /Friedensnobelpreis-2019/!5632716
 (DIR) [5] /70-Jahre-Bundespressekonferenz/!5632704
       
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