# taz.de -- „Breaking Bad“-Fortsetzung „El Camino“: Wie im Wilden Westen
       
       > Nach der extrem erfolgreichen Serie „Breaking Bad“ kommt nun der Spielfim
       > in die Kinos. Wirklich notwendig war der nicht.
       
 (IMG) Bild: Nachdem alle Charaktere gestorben sind, dreht sich der Film nur noch um ihn: Jesse Pinkmen
       
       Ob das jetzt wirklich nötig war? [1][„Breaking Bad“], die in den Kanon der
       besten Serien aller Zeiten eingegangene Geschichte von der langsamen
       Wandlung des biederen Chemielehrers Walter White zum skrupellosen
       Drogenboss, war doch eigentlich auserzählt. Hatte doch nach fünf Staffeln
       und 62 Folgen ein eigentlich gutes Ende gefunden. Gut im Sinne von: gut
       erzählt.
       
       Und mit [2][„Better Call Saul“] gab es schließlich längst ein Spin-off (die
       Geschichte von der langsamen Wandlung des kleinen Pflichtverteidigers Jimmy
       McGill zum windigen Rechtsverdreher Saul Goodman), das in seiner jüngsten,
       vierten Staffel – mit diesem Erzählstrang um den braven deutschen Ingenieur
       Werner Ziegler, mit dem es ein (gut erzähltes) böses Ende nehmen musste –
       qualitativ längst zu „Breaking Bad“ aufgeschlossen hatte. Und weil „Better
       Call Saul“ ein Prequel ist, also eine Vorgeschichte erzählt, geriet das
       gute Ende von „Breaking Bad“ zu keinem Zeitpunkt in Gefahr.
       
       Bis jetzt. Bis Netflix also am vergangenen Freitag (nicht etwa schon um
       0:00 Uhr, sondern erst um 9:00 Uhr MEZ) „El Camino“ veröffentlicht hat:
       [3][„Ein[en] ‚Breaking Bad‘-Film“]. Scheint eine neue Mode zu sein in einem
       Jahr, das bereits vormalige Serien abschließende „Deadwood“-, „Downton
       Abbey“- und „Transparent“-Filme gesehen hat – von denen allein der
       „Deadwood“-Film zwingend notwendig war.
       
       Der „Breaking Bad“-(Netflix-)Film war es, wie gesagt, nicht. Und er vergeht
       sich sogleich an dem offenen Ende der (AMC-)Serie. Macht kurzen Prozess mit
       der Deutungsmöglichkeit, Walter White könnte die Schusswunde in seinem
       Bauch, mit der ihn das bleihaltige Finale am Boden liegend zurückgelassen
       hatte, überlebt haben. Hat er nicht, das steht jetzt ein für alle Mal fest.
       
       ## Dualität des brillanten Spießbürgers
       
       Seit jener letzten Folge sind sechs Jahre vergangen – in der Binnenwelt der
       Handlung ist es keine Minute. Der Film setzt damit ein, dass Jesse Pinkman,
       die zweite Haupfigur der Serie, Walters früherer Schüler und späterer
       partner in crime, vom Ort seines Martyriums davonbraust – in dem Chevrolet
       El Camino seines Peinigers Todd. Den er vor sechs Jahren, also gerade eben,
       mit seinen Handfesseln erdrosselt hat, nachdem Walter die anderen
       White-Trash-Nazi-Drogen-Rednecks, die Jesse in einem Käfig gefangen
       gehalten hatten, mit einem M60-Maschinengewehr erledigt hatte.
       
       Jesse sieht aus wie der Graf von Monte Christo nach 14 Jahren Château d’If
       – und mindestens so schlimm war es wohl auch. Davon künden nicht nur die
       Narben auf seinem Rücken und in seinem Gesicht, sondern auch die
       Rückblenden, aus denen der Film zu einem Gutteil besteht. Dieser
       dramaturgische Griff allein ermöglicht es Vince Gilligan (Buch und Regie),
       auch solche Figuren wieder auftreten zu lassen, die längst verstorben sind:
       den Kindermörder mit dem Babyface Todd Alquist (Jesse Plemons); den Fixer
       Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks); last not least: Walter White (Bryan
       Cranston).
       
       Der Film indes kennt nur noch eine Hauptfigur, und die heißt Jesse (Aaron
       Paul). Es ist die Geschichte seiner Flucht. Die Polizei fahndet nach ihm
       als person of interest. Das ist überhaupt die größte Abweichung von der
       Serie, mit der man jetzt klarkommen muss: Die Serie basierte auf der
       Dualität des brillanten, aber unterschätzten, über 62 Folgen alle seine
       Skrupel ablegenden Spießbürgers Walter White – und des von Gott oder Mutter
       Natur gerade mit dem Mindestmaß an Intelligenz ausgestatteten
       Kleinkriminellen Jesse, dem sein Gewissen zunehmend zu schaffen machte, als
       Walters Sidekick.
       
       ## Letzte Rolle
       
       Nun ist Walter also tot – ob man das wissen wollte oder nicht –, und der
       auf sich allein gestellte Jesse ist plötzlich in der Lage, einen Plan zu
       fassen und überlegt, kaltblütig gar in die Tat umzusetzen, Shootout
       inklusive („Like the Wild West?“ „Yeah.“). Wer hätte das von ihm gedacht?
       Die Gefangenschaft hat einen anderen Menschen aus ihm gemacht.
       
       Zu denen, die wieder auftreten, gehört auch der Staubsaugerverkäufer Ed,
       der im Nebenberuf neue Identitäten verschafft. In Folge 61 hatte Jesse
       dessen Dienste noch ausgeschlagen, jetzt hat er es sich anders überlegt. Zu
       dem verlangten Preis von 250.000 Dollar fehlen Jesse ganze 1.800 Dollar.
       Aber Ed ist kein Mann, an dessen Mitleid man appellieren sollte: „From
       where I sit, you made your own luck. As did your former partner. As did
       your lawyer.“
       
       Robert Forster („Jackie Brown“), der den Ed spielt, ist am vergangenen
       Freitag – dem Tag der „El Camino“-Veröffentlichung – gestorben. Es war
       seine letzte Rolle.
       
       14 Oct 2019
       
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