# taz.de -- Das Attentat von Halle: Mörder oder Terrorist?
       
       > Gegen den Attentäter von Halle wird zu Recht wegen Mordes und nicht wegen
       > Terrorismus ermittelt. Denn das Delikt „Terrorismus“ existiert nicht.
       
 (IMG) Bild: Im deutschen Strafrecht ist eine bloße Gesinnung ist nicht strafbar
       
       Der Zeit-Journalist und ehemalige taz-Kollege [1][Yassin Musharbash hat die
       Frage aufgeworfen], warum gegen den Attentäter von Halle nicht „wegen
       Terrorismus“ ermittelt wird. Die Frage ist interessant, behandelt aber ein
       Schein-Problem.
       
       Im rechtsstaatlichen deutschen Strafrecht wird immer eine Tat bestraft.
       Eine bloße Gesinnung ist nicht strafbar. [2][Stephan B., der Täter von
       Halle,] hat zwei Menschen erschossen und versucht, noch viele mehr zu
       töten. Deshalb wird gegen ihn wegen Mordes und Mordversuches ermittelt.
       Mord wird grundsätzlich mit „lebenslanger Freiheitsstrafe“ bestraft. Damit
       droht B. die härteste Strafe, die das deutsche Strafrecht kennt. Es besteht
       hier also ganz sicher keine Strafbarkeitslücke.
       
       Die terroristische Gesinnung eines Täters wird vom Strafrecht nicht
       ignoriert. Die Tötung eines Menschen wird nur dann als „Mord“ bestraft,
       wenn eines von neun Mordmerkmalen vorliegt (ansonsten gilt die Tat als
       „Totschlag“). Eines der Mordmerkmale sind „niedrige Beweggründe“. Hierzu
       gehört, wenn die Tat aus rassistischen oder antisemitischen Motiven
       begangen wurde oder wenn Unbeteiligte ohne jeden Anlass getötet werden.
       
       Auch beim Strafmaß sind die „Ziele des Täters“ und die „Gesinnung, die aus
       der Tat spricht“ zu berücksichtigen. Bei Mord ist das Strafmaß zwar immer
       „lebenslang“, doch auch hier gibt es Abstufungen. Stellt das Gericht eine
       „besondere Schwere der Schuld“ fest, ist eine Haftentlassung des Täters
       nach 15 Jahren weitgehend ausgeschlossen. Hierbei spielt das terroristische
       Ziel des Täters und das Ausmaß der Tat natürlich ebenfalls eine große
       Rolle.
       
       Auf der symbolischen Ebene wird ein Mord auch dadurch als mutmaßlich
       terroristische Tat gekennzeichnt, dass der Generalbundesanwalt die
       Ermittlungen übernimmt. Für „normale“ Morde ist die Staatsanwaltschaft vor
       Ort zuständig. Bei „besonderer Bedeutung“ eines Mordfalles kann dagegen die
       Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen an sich ziehen. So war es
       auch nach dem Anschlag von Halle. Begründung: Der Plan, in der Synagoge ein
       Massaker anzurichten, sei geeignet, ein „Klima der Angst“ zu schaffen,
       insbesondere bei Mitbürgern jüdischen Glaubens.
       
       ## Das eigentliche Attentat gilt immer als Mord
       
       Seit 1976 gibt es auch das Delikt der Gründung und Mitgliedschaft in einer
       „terroristischen Vereinigung“ (§ 129a Strafgesetzbuch). Es wurde im Zuge
       der Bekämpfung der linksextremistischen RAF eingeführt – bis dahin gab es
       nur „kriminelle Vereinigungen“. Auf dieses Delikt stellen die Ermittler
       aber vor allem dann ab, wenn noch keine konkrete Tat nachgewiesen werden
       kann. Dann kann schon die Zugehörigkeit zu einer gefährlichen Struktur, der
       terroristischen Vereinigung, ermittelt und bestraft werden.
       
       Um im Vorfeld einer Tat auch terroristische Einzeltäter und lose Gruppen zu
       erfassen, wurde 2009 ein weiteres Delikt eingeführt: „Vorbereitung einer
       schweren staatsgefährdenden Gewalttat“. Damit werden aber ausschließlich
       Vorbereitungshandlungen für Attentate erfasst, etwa das Beschaffen von
       Sprengstoff. Das eigentliche Attentat gilt immer als Mord.
       
       Hartnäckig hält sich der Mythos, der Begriff „Terrorismus“ sei nicht
       rechtlich definiert. Richtig ist daran nur, dass es international schwierig
       ist, sich auf gemeinsame Definitionen zu einigen und diese auf konkrete
       Gruppen und Personen anzuwenden. Demokratische Staaten und Diktaturen haben
       hier ganz andere Maßstäbe. Wer in einer Diktatur als Terrorist gilt, kann
       im demokratischen Ausland durchaus als Freiheitskämpfer gefeiert werden.
       
       In Deutschland gibt es jedoch eine zwar komplizierte, aber eindeutige
       gesetzliche Definition für terroristische Vereinigungen. Erfasst sind alle
       Gruppen, deren Ziel Morde und Entführungen sind. Bei anderen Delikten wie
       Körperverletzungen und Brandstiftungen müssen die Taten darauf abzielen und
       geeignet sein, die Bevölkerung einzuschüchtern oder den Staat zu nötigen.
       
       Ob man einen Einzeltäter wie Stephan B. als „Terrorist“ bezeichnet, ist
       keine rechtliche Frage, sondern eine politische Wertung.
       
       13 Oct 2019
       
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 (DIR) [1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-10/limburg-lkw-fahrer-hessen-anschlag-terrorismus
 (DIR) [2] /Terroranschlag-in-Halle/!5632736
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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