# taz.de -- Greta Thunberg in New York: Die Veränderung kommt
       
       > Eine Viertelmillion Menschen waren in New York auf dem Klimastreik. Die
       > meisten davon Teenager, die Greta Thunberg wie eine Ikone feiern.
       
 (IMG) Bild: „Greta for President“, finden die Demonstrierenden in New York
       
       Das Wunder geschieht drei Wochen nach [1][Greta Thunbergs Landung im
       Yachthafen von New York]. Am Freitag ziehen mehr als 250.000 Menschen vom
       Rathaus der Stadt zum Battery Park am Südrand von Manhattan. Es ist die
       größte Klimademonstration in der Geschichte der USA. Die Viertelmillion
       TeilnehmerInnen sind blutjung, kommen aus allen Bezirken und sehen so
       divers aus, wie die Stadt selbst. Für viele ist es die erste Demonstration
       ihres Lebens. Trotz ihres Zukunftspessimismus ist ihre Stimmung ausgelassen
       und witzig.
       
       „Die Dinosaurier haben es nicht kommen sehen“, ist in dem dichten Gedränge
       am Fuß des Rathauses auf einem Transparent zu lesen. „Es war ein
       wunderschöner Planet“, auf einem anderen. Außerdem: „Leugnen ist keine
       politische Strategie“. Das Durchschnittsalter der TeilnehmerInnen liegt
       weit unter 18 Jahren. Die Mehrheit sind Mädchen. Sie haben sich Mühe
       gegeben, kreative, originelle und handgemalte Schilder mitzubringen. Ihre
       erwachsenen BegleiterInnen – oft Mütter – halten sich zurück. Es ist der
       Moment einer öffentlichen Abrechnung. Die Nachgeborenen fragen die Alten,
       warum sie sie nicht schützen.
       
       Die drei zwölfjährigen Schulfreundinnen Leyli, Sigrid und Chloe aus
       Brooklyn sind allein in den Battery Park gekommen: „Es ist ja nur zwei
       U-Bahnstationen entfernt.“ Chloe sagt, dass sie schon „seit sehr langer
       Zeit“ von der Klimaveränderung weiß. Sie habe es zuerst von ihrem Vater
       erfahren. Sigrid hat es erstmals „in einer Rede von Obama“ gehört. Und
       Leyli findet, ihre Mutter hätte den Großteil ihres Lebens hinter sich, aber
       „wir sind in eine Welt in der Klimakrise hineingeboren worden“. Die drei
       gehören zu der „Generation Z“ und befürchten, dass sie die letzte
       Generation sein könnten.
       
       Die Angst vor der Zukunft bewegt alle DemonstrantInnen. Sie wissen, dass
       ihnen mehr Überschwemmungen, mehr Dürreperioden, mehr Waldbrände, Stürme
       und Hungersnöte drohen, und dass große Fluchtbewegungen wegen
       Klimaveränderungen bevorstehen. In der Menge sind zahlreiche junge Frauen,
       die schon sehr viel darüber nachgedacht haben, ob sie es sich noch erlauben
       können, Kinder zu kriegen. „Es wäre nicht ethisch, sie in eine solche Welt
       zu bringen“, hat sich die 18-jährige Sofia schon vor zwei Jahren gesagt.
       Ihre Kommilitoninnen von der Filmschule in Brooklyn nicken zustimmend.
       
       ## „Eine Ikone unserer Zeit“
       
       Im Battery Park kommen junge Leute aus Mittelamerika und Brasilien ans
       Mikrofon. Sie berichten darüber, wie der Klimawandel bereits ihre Leben
       verändert hat. Ihre Erzählungen reichen von der Zerstörung des
       Amazonas-Urwald bis zu Wasserknappheit und dem Ausbleiben von Ernten. Eine
       junge Frau aus Bangladesch schildert drastisch, wie die Flutkatastrophen in
       ihrem Land „die Ärmsten und unter ihnen die Frauen“ am härtesten trifft.
       „Der schiere Wahnsinn“, sagt die 14-jährige Schülerin Maud dazu, wie die
       Klimakatastrophe bereits Leben verändert und tötet. Sie hat ein Transparent
       mitgebracht, auf dem sie einen Satz von Greta Thunberg zitiert: „Wartet
       nicht auf Hoffnung, sondern auf Taten“.
       
       Die 16-jährige Schwedin Thunberg ist der Stargast auf der Demo und wird
       auch so angekündigt: „Sie ist, die Katalysatorin unserer Bewegung. Eine
       Ikone unserer Zeit. Und eine Nominierte für den Nobelpreis“, sagt die
       14-jährige New Yorkerin Alexandria Villaseñor. Die Menge jubelt. Ein
       Schild: „Greta for President“ tanzt über den Köpfen. Thunberg tritt mit
       ihrem schwedischen Transparent „Skolstrejk för klimatet“ auf die Bühne.
       „Hello New York“, sagt sie und gibt die beeindruckenden Zahlen des Tages
       weiter: „Mehr als vier Millionen Klimademonstranten in 150 Ländern“. In
       ihrer Rede mahnt Thunberg auch die UN, die am Montag ihren Klimagipfel in
       New York beginnt: „Die Augen der Welt sind auf Euch gerichtet. Wir
       verlangen eine sichere Zukunft.“
       
       Die Kinder in der Menschenmenge wissen, dass sie an diesem Freitag etwas
       von historischem Ausmaß organisiert haben. Aber sie machen sich keine
       Illusionen darüber, dass die Mächtigen deswegen ihr Verhalten ändern
       werden. Schon am selben Abend geben die großen Medien ihrem Pessimismus
       recht. Sie berichten zwar über die Demonstrationen. Aber ihre
       Hauptschlagzeilen widmen sie wie üblich den neuesten politischen Intrigen
       des US-Präsidenten Donald Trump. Als hätte Greta Thunberg es geahnt, hat
       sie den Mächtigen in ihrer Rede am Battery Park selbstbewusst gedroht, dass
       die Demonstration kein Einzelereignis ist: „Dies ist erst der Anfang. Die
       Veränderung kommt – ob ihr es wollt oder nicht“.
       
       21 Sep 2019
       
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