# taz.de -- Trend zur Dreier-Koalition: Ménage-à-trois
       
       > Weil sich die Parteienlandschaft verändert, werden Koalitionen zu dritt
       > häufiger. Sie bringen eine neue Dynamik mit sich.
       
 (IMG) Bild: Geschafft: Vertreter*innen von Grünen, SPD und Linken (von links) in Bremen nach den Verhandlungen.
       
       Bremen taz | Zu harmonisch – nee, also die Gefahr besteht nicht, dass
       [1][Linke, Grüne und SPD in Bremen] aus dem Kuscheln gar nicht mehr
       rauskommen: Schon vergangene Woche hat es einen kleinen Stresstest für den
       Fortbestand des Mitte August gewählten neuen Senats gegeben.
       
       Und, nein, es ist nicht überraschend, dass es gerade auf dem Feld der
       Einwanderungspolitik gehörig gerumst hat, wenn auch mehr noch hinter den
       Kulissen: Der SPD-Innensenator wollte einen Mann kurz vor dessen
       Eheschließung abschieben lassen, als Dublin-Fall, ohne Anhörung der
       Härtefallkommission, die der Koalitionsvertrag vorsieht.
       
       Grüne und Linke haben ihn – na ja, sagen wir mal: davon überzeugt, dass ein
       Koalitionsvertrag schon auch bindend ist für alle Partner. In letzter
       Minute, drei, höchstens vier Stunden vor dem angesetzten Abflug [2][hat der
       Innensenator die Rechtslage neu bewertet].
       
       Ein Machtspielchen, zynischerweise auf dem Rücken eines jungen Mannes
       ausgetragen, aber immerhin mit gutem Ausgang: Eine Dreierbeziehung ist ein
       durchaus anspruchsvolles Modell der Kooperation. Es gilt einerseits eine
       gemeinsame Richtung festzulegen, andererseits die Reaktionen der zwei
       Partnerinnen auf eigene Initiativen mit einzukalkulieren und schließlich –
       save the difference – das eigene Begehren nicht zu verraten und die eigene
       Tendenz.
       
       ## Am Ende steht irgendwer allein da
       
       Denn selbstverständlich kann irgendwer am Ende allein dastehen, während die
       beiden anderen untergegangen sind. Das scheint sogar fast regelmäßig zu
       passieren, wo Dreierbündnisse prominent auftreten. Bei Crassus, Pompeius
       und Caesar war es so, beim zweiten Triumvirat hat sich Augustus
       durchgesetzt und beim dritten Ole von Beust.
       
       Und bei [3][Jules und Jim] lief es ja auch darauf hinaus: In diesem
       wundervollen Liebesfilm von Truffaut zwingt Catherine zum Schluss Jim,
       mitzufahren in ihrem neuen Auto, und sie brettert einfach auf die
       kriegszerstörte Brücke von Yvelines, immer weiter, immer schneller, in der
       Mitte ist das Loch – …
       
       Tja, und anders als Caesar ist Witwer Jules noch nicht einmal ein Sieger.
       Es ist einfach nur traurig. Aber gut, das ist halt Film und Fiktion und
       Liebe und Gefühl. Und hier geht es ums Ausgleichen von Staats- und
       Machtpolitik und um rationale Interessenabwägung.
       
       Eine Dreierkoalition ist eine Antwort auf die Frage, wie stabile Mehrheiten
       mit demokratischen Partnern gebildet werden können. Aber eben auch eine
       Antwort auf die Schwierigkeit, dass dort, wo gleich mächtige Partner ein
       Zweierbündnis bilden, beide drohen als Einheit wahrgenommen zu werden –
       wodurch alle verlieren. Oder, noch schlimmer: dass einer den anderen
       überstrahlt.
       
       ## SPD hat am wenigsten zu verlieren
       
       Gerade der [4][SPD passiert das regelmäßig]: In Baden-Württemberg ist sie
       von 23 Prozent 2011 binnen fünf Jahren auf unter 13 Prozent gerutscht, seit
       der Großen Koalition 2005 ist die alte Tante bundesweit nicht mehr über 30
       Prozent gekommen. Sie hat machtpolitisch in einem Dreierbündnis auch
       deshalb am wenigstens zu verlieren, weil ihr die Partnerschaft mit der CDU
       so besonders schlecht zu bekommen scheint.
       
       [5][Die Dynamik ist bei drei Partnerinnen eine andere]: Da ist zu erwarten,
       dass Konflikte durch Ad-hoc-Bündnisse von zwei Beteiligten entschieden
       werden. Das kann eine sehr produktive Dynamik erzeugen – solange sie sich
       nicht verstetigen. Wenn die Fronten verhärten, muss jede Koalition
       zerbrechen. So viel zu Glanz und Elend der Parteien.
       
       ## Andere Perspektiven zulassen
       
       Spannend ist, wie sich eine Dreierkoalition auf die Inhalte auswirkt. Damit
       ist nicht die Diskussion gemeint, wie der Zwang, sich zu dritt auf eine
       Richtung zu einigen, die jeweiligen Programme in den Augen der Mitglieder
       verwässert. Sondern ob im Zulassen der anderen Perspektiven etwas
       Zukunftsfähigeres entsteht, als die Vorhaben der Parteien für sich genommen
       gewesen wären.
       
       Muss nicht. Kann aber: Bremens Koalitionsvertrag skizziert ein
       Polizeigesetz, das sozialdemokratisches Sicherheitsbedürfnis mit
       Bürgerrechten und Datenschutz kombiniert, das beste dreier Welten
       sozusagen. Das könnte also ein Beispiel werden.
       
       Als ein anderes mag die entspanntere Streit- und Applauskultur im Kieler
       Landtag erscheinen, in dem eine Jamaika-Koalition den Ton angibt: Wenn
       diese sich tatsächlich etabliert, dann wäre das ein echter Gewinn für die
       Demokratie. Auch wenn die FDP am Ende unter 5 Prozent landet.
       
       Mehr zu Dreierkoalitionen finden Sie in der taz am Wochenende oder
       [6][hier].
       
       10 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rot-Rot-Gruen-in-Bremen/!5617278/
 (DIR) [2] /R2G-in-Bremen-wendet-Koalitionskrise-ab/!5619756/
 (DIR) [3] https://www.imdb.com/title/tt0055032/
 (DIR) [4] /Debatte-Sozialdemokratie-in-der-Krise/!5596801/
 (DIR) [5] /Psychoanalytikerin-ueber-Dreiergruppen/!5621473/
 (DIR) [6] /Unser-eKiosk/!114771/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
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