# taz.de -- Messe „Wind 2019“ startet in Husum: Zehn Gigawatt in der Pipeline
       
       > Fehlende Leitungen, veraltete Gesetze und lange Genehmigungsverfahren
       > behindern den Ausbau der Windkraft. Was wünscht sich die Branche?
       
 (IMG) Bild: Ihre Energie wird auch zum Heizen verwendet: Windräder in der Nähe des Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog
       
       Husum taz | Zum 30. Mal trifft sich die Windenergiebranche in dieser Woche
       zur Messe im nordfriesischen Husum. Doch die Stimmung auf der Wind 2019 ist
       schlecht: Es werden kaum neue Windanlagen aufgestellt, Rotorenhersteller
       bauen Arbeitsplätze ab. Die Schuld sehen die Windmüller*innen bei der
       Politik.
       
       Nordfriesland ist Wind-Wunderland. [1][Im Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog
       liefern Hybridheizungen Wärme, die den Windstrom des örtlichen
       Bürgerwindparks verbrauchen]. Das Dorf Klixbüll ist Spitzenreiter bei
       E-Mobilität, sogar das „Dörpsmobil“ rollt mit dem Strom der Windräder.
       Insgesamt produziert Schleswig-Holstein 150 Prozent seines Strombedarfs mit
       Windanlagen, kann also exportieren.
       
       Doch der Ausbau der Rotoren stockt: 56 neue Anlagen wurden 2017 bewilligt,
       2018 seien es sogar nur 20 gewesen, sagt Marcus Hrach, Geschäftsführer des
       Bundesverbandes Windenergie (BWE).
       
       In Schleswig-Holstein stört ein juristisches Hindernis den Ausbau: 2015
       erklärte ein Gericht die Regionalpläne für die Ausweisung von Flächen für
       Windrädern für unwirksam. Seither wird jede Anlage als „Ausnahme“
       genehmigt.
       
       ## Schleppender Neuanfang
       
       Im Sommer 2018 stellte Innenstaatssekretärin Kristina Herbst (CDU) einen
       [2][neuen Kriterienkatalog] vor und versprach mehr Tempo. Aber derzeit
       warten 309 Windräder auf den Behördenstempel. „Kein einziger Antrag liegt
       bei uns“, sagt Ministeriumssprecher Dirk Hundertmark. Stattdessen wird auf
       örtlicher Ebene geprüft, ob Umwelt, Baupläne oder Flugverkehr betroffen
       sind. Beschleunigen? Wie soll das gehen, ohne Naturschutz- oder
       Beteiligungsrechte zu beschneiden?
       
       Aus Sicht der Branche ist das Gesamtergebnis dramatisch: „Im Land bräuchten
       wir jährlich 230 neue Anlagen, damit das politische Ziel von zehn Gigawatt
       Strom bis 2025 erreicht wird“, sagt Hrach. Auch bundesweit stehe „die
       Branche mit dem Rücken zur Wand“. Das spüren auch die Hersteller: 2016
       arbeiteten 133.800 Personen in der Branche, die Zahl sank bis Ende 2017 auf
       112.100. Im Offshore-Bereich gingen 4.200 von 27.200 Jobs verloren.
       
       Beim Berliner „Windgipfel“ Anfang September kritisierten Windkraft- und
       Umweltverbände überlastete Behörden, bundesweit unterschiedliche
       Abstandsregeln, fehlende Koordination zwischen Ländern und Bund. „700 bis
       800 Tage dauert es, bis eine Anlage genehmigt wird“, sagt Hrach. Bundesweit
       steckten rund „zehn Gigawatt in der Pipeline“ – das entspricht mehreren
       konventionellen Kraftwerken.
       
       ## Windfreundliche Schleswig-Holsteiner*innen
       
       In Schleswig-Holstein, wo dank Bürgerwindparks viele Menschen an den
       Anlagen beteiligt sind, gebe es vergleichsweise wenige Proteste, so der
       BWE-Geschäftsführer. In anderen Regionen bilden sich dagegen schnell
       Initiativen gegen Windenergie. Die Gruppen sind bundesweit vernetzt und
       tauschen Tricks aus, um die Genehmigungen zu verlangsamen.
       
       Doch auch bereits laufende Windräder werden buchstäblich ausgebremst. Weil
       Leitungen fehlen und konventionelle Kraftwerke zuerst einspeisen dürfen,
       werden Windräder „abgeregelt“. Da die Windmüller*innen dennoch Geld
       erhalten, wird doppelt für eine Kilowatt-Stunde bezahlt: für den erzeugten
       konventionellen und für den nicht erzeugten Windstrom.
       
       Die Energie anders zu nutzen, etwa zum Heizen, ist technisch möglich, aber
       wirtschaftlich aktuell unsinnig: Da Öl oder Gas geringer besteuert werden,
       kostet ein Kilowatt Heizungswärme aus fossiler Energie 6 Cent, aus
       Windenergie 29 Cent. „Erneuerbare Energie muss auf Augenhöhe mit fossiler
       kommen“, fordert Hrach. Dafür müssten Gesetze und Umlagen „an das Zeitalter
       erneuerbarer Energie angepasst werden“.
       
       ## „Irrsinn“ Deckelung
       
       Doch stattdessen stecken seit 2017 die Windkraft-Kraftprotze Niedersachsen
       und Schleswig-Holstein mit Mecklenburg-Vorpommern in einem
       „Netzausbaugebiet“, in dem der Bau neuer Windräder gedeckelt wird, solange
       Leitungen fehlen. Für Hrach ist es „Irrsinn, den für die Klimaziele
       dringend benötigten Ausbau künstlich zu bremsen“.
       
       Auch Schleswig-Holsteins Energieminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hält
       die von Berlin beschlossene Deckelung für ein Haupthindernis. „Wir sind
       initiativ in Richtung Berlin“, sagte er der taz. Dank der bundesweiten
       Proteste gegen den Klimawandel stünden die Chancen gut, dass sich nun etwas
       bewegt: „Seit Anfang des Jahres liegen unsere Anträge im
       Wirtschaftsministerium. Damals wurde signalisiert, dass man uns nicht
       folgen würde. Heute werden dort ähnliche Ideen beraten, auch in der Union
       tut sich etwas.“
       
       Hrach wünscht sich im Jubiläumsjahr der Husumer Windmesse einen
       Bewusstseinswandel: „Die Mehrheit der Bevölkerung ist für die Energiewende.
       Sicher muss man Probleme diskutieren, aber wenn wir eine CO2-neutrale
       Gesellschaft werden wollen, brauchen wir die Windenergie – und Politiker in
       den Ländern und im Bund, die das selbstbewusst kommunizieren.“
       
       10 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.wind-und-waerme.de/Projekt.html
 (DIR) [2] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/Windenergieflaechen/_documents/zweiterPlanentwurf.html#doc2212370bodyText3
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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