# taz.de -- Aufnahmen von Siri und Alexa: Anhören oder abhören
       
       > Smarte Geräte schneiden mit, was ihnen gesagt wird, und die Anbieter
       > lassen das transkribieren. Genau das ist der Job unserer Autorin.
       
 (IMG) Bild: Gesagt, notiert und korrigiert
       
       Die deutsche Sprache hat viele Feinheiten – ich höre seit zehn Monaten
       Gesprächsfetzen oder Befehle aus der Spracherkennungssoftware namens Siri
       von Teilnehmern aus dem deutschen Sprachraum an, nicht ab. Ich sitze jeden
       Tag in einem Großraumbüro mit Kopfhörern vor dem Computer und höre sehr gut
       zu. Ist das, was ich höre, nicht verständlich, wird es als solches
       kategorisiert, gleichermaßen bei zufälligen, fremdsprachigen oder
       abgehackten Aufnahmen.
       
       Wenn alles okay ist, schaue ich mir an, was die Software, zuständig für die
       schriftliche Erfassung und Wiedergabe, daraus gemacht hat. Manchmal muss
       ich die Qualität der Aufnahmen „graden“, also einschätzen und
       kategorisieren. Anfangs habe ich gefragt, wozu ich das eigentlich mache,
       darauf konnten mir die Manager allerdings keine Auskunft geben. Irgendwann
       war klar: Wenn das keine geheimdienstliche Tätigkeit ist (aber wozu?), dann
       eben Softwareoptimierung. Da braucht man anscheinend authentische Gespräche
       für die Verschriftlichung.
       
       „Und du musst noch den Code eingeben“, sagt da jemand gut verständlich.
       Siri schreibt: „Und du muss doch den Kot eingeben.“ Die Lehrerin, die ich
       ja eigentlich bin, korrigiert also die automatische Transkription und
       schickt die neue Version ab. Abgesehen davon sorgt so was für einen
       Kicherer im tristen Alltag.
       
       [1][Nun regen sich also die User auf, weil ihre intimen Gespräche
       bezihungsweise Kommunikationsfetzen, die sie über Siri absetzen, „ab“gehört
       werden]. Als ich mit dem Job anfing, war ich auch überrascht. Das geht?
       Aber warum eigentlich nicht? Ich hab keine Ahnung, wer irgendwas gesagt
       hat, bei mir ist alles strikt anonym. Aber vielleicht irgendwer an anderer
       Stelle?
       
       ## Kein Trost möglich
       
       Könnte man den Typen, der anscheinend Frau und Kind hat und nebenbei eine
       „geile Sau“ bedient, erpressen? Alles Menschliche kommt bei Siri an, im
       Guten wie im Schlechten, sozusagen. Deswegen wohl bezeichnen Kinder sie oft
       als ihre beste Freundin. Aber ich kann nichts machen.
       
       Ich kann auch die Pubertierende nicht trösten, weil ihre beste Freundin sie
       nicht mehr sehen will. Das weinende Kind nicht, weil es „wieder alles
       falsch falsch gemacht hat“. Die Frau nicht, die irgendjemandem vom Tod der
       Mama berichtet. Ich kann höchstens auf die „Unverständlich“-Taste drücken,
       wenn mir der Dirty Talk, den so viele anscheinend gern mal schnell nebenbei
       losschicken, zu heftig wird.
       
       Und dann wären da noch die, die sich tierisch aufregen und das
       Softwareprogramm namens Siri anbrüllen, was für eine dämliche Fotze sie
       eigentlich sei, dass sie so einen Scheiß schreibt. Wenn die wollen, dass
       das anscheinend als weiblich identifizierte Programm, welches auch für mich
       älteres Semester überraschenderweise häufig mit “Fotze“ betitelt wird,
       besser transkribiert, müssen sie dafür sorgen, dass wir „Transcribers“ und
       „Correctors“ unseren Job behalten. Ich dankenswerterweise in einem sich
       recht fair verhaltenden Unternehmen am Stadtrand von Barcelona.
       
       ## Überlegt mal, was ihr wollt
       
       Denn wenn die Maschine, deren Teil Siri ja ist, nicht eine riesige Menge an
       Daten eingefüttert bekommt, kann sie nicht lernen, dass das phonetisch
       gleichklingende Kot“ in bestimmten Kontexten graphemisch als „Code“ zu
       schreiben ist. Künstliche Intelligenz halt. Das findet ihr doch alle so
       geil!
       
       Und Siri hat es gelernt. Fantastischerweise funktioniert es. Seit einigen
       Tagen steht da immer ganz perfekt „Code“ wenn jemand das Wort ausspricht!
       Ich wäre euch also dankbar, wenn ihr zum einen mit dem Fotze-Geschimpfe
       aufhört und euch zum anderen mal überlegt, was ihr wollt. Entweder überall
       alles herumplappern können und sich auch noch die „Arbeit des
       Fingerschreibens“ (User-O-Ton) zu ersparen oder eben nicht.
       
       Ich hab ein (vorerst noch) bezahltes langes Wochenende vor mir, nachdem wir
       alle bis auf Weiteres nach Hause geschickt wurden, geh jetzt an den Strand
       und betrinke mich mit ganz viel kühlem Bier und schau aufs blaue
       Mittelmeer. Nimm das, User im deutschen Sprachraum!
       
       Die Autorin hat in München Deutsch als Fremdsprache studiert und lebt seit
       15 Jahren in Barcelona.
       
       7 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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