# taz.de -- Polizeigewalt in Frankreich: Wer ist schuld am Tod von Steve?
       
       > Der Franzose hatte eine Party in Nantes besucht, die mit einem
       > Polizeieinsatz endete. Viele machen Ordnungskräfte für seinen Tod
       > verantwortlich.
       
 (IMG) Bild: Was macht die Polizei – noch Fragen? Wandgemälde in Nantes
       
       Paris taz | Bleibt in Frankreich Polizeigewalt aus Prinzip ungesühnt? Nach
       dem ein wochenlang vermisster 24-Jähriger am Montag tot in Nantes gefunden
       wurde, ist eine heftige Debatte entbrannt. Der Erzieher Steve Maia Caniço
       war zuletzt auf einer Party gesehen worden, die mit einem hoch umstrittenen
       Polizeieinsatz aufgelöst worden war.
       
       Bereits zuvor hatte es immer wieder heftige Kritik am gewaltsamen Vorgehen
       der französischen Polizei gegen die nach ihren gelben Westen Gilets jaunes
       genannten Demonstranten gegeben. Im Todesfall von Caniço in Nantes
       schockiert vor allem das Ergebnis einer internen polizeilichen Ermittlung
       der nationalen Inspektion IGPN. Sie betont, zwischen dem Tod des
       24-Jährigen und dem Einsatz der Ordnungskräfte am Ufer der Loire bestehe
       „keinerlei Verbindung“.
       
       Caniços Leiche wurde am Montag in Nantes in der Loire geborgen und
       identifiziert. Er galt seit der Nacht vom 21. auf den 22. Juni als
       vermisst. Seit Wochen hatte man befürchtet, dass der Erzieher am
       unbefestigten Ufer in den Fluss gefallen war, wo wie schon in früheren
       Jahren eine Techno-Party stattfand. Caniço konnte nach Angaben seiner
       Freunde nicht schwimmen. Das wurde ihm vermutlich zum Verhängnis, als in
       dieser Sommernacht nach vier Uhr früh die Polizei anrückte, um die nach
       ihren Angaben allzu laute Party aufzulösen.
       
       Auf kurzen Videos ist im Internet trotz der Dunkelheit und des
       Tränengasnebels zu sehen, wie Polizisten mit dem Knüppel auf junge Menschen
       einprügeln. Wie die IGPN bestätigte, haben die Einsatzkräfte zudem 33
       Tränengas- und Lärmgranaten und 10 Gummigeschosse gegen die zum Teil
       betrunkenen Feiernden abgefeuert.
       
       ## „Wo ist Steve?“
       
       In der dabei ausgelösten panischen Flucht stürzten insgesamt 14 Personen in
       die Loire. Außer Steve konnten alle gerettet werden. Als seine Freunde und
       Bekannten am Tag danach nichts von ihm hörten, ahnten sie schon das
       Schlimmste. Mit dem Schild „Wo ist Steve?“ posierten sie für Fotos in den
       sozialen Netzwerken, VertreterInnen der Opposition schlossen sich der
       Solidaritätskampagne an.
       
       Die IGPN bezeichnet nun den fraglichen Einsatz zur Auflösung der
       unbewilligten Party als „angebracht“ und „nicht unverhältnismäßig“. Dieser
       Persilschein, der die Polizei von jeder Verantwortung freisprechen soll,
       scheint selbst dem französischen Premierminister Édouard Philippe etwas
       peinlich zu sein. Er hat jetzt eine administrative Untersuchung verlangt,
       bei der auch die Verantwortung der lokalen Polizeibehörden unter die Lupe
       genommen werden soll. Cécile de Oliveira, die Anwältin der Eltern von
       Steve, hofft, dass die am Dienstag eingeleitete gerichtliche Untersuchung
       wegen „fahrlässiger Tötung“ die nötige Klarheit liefern wird.
       
       Auf einer Hauswand nahe der Unglücksstelle in Nantes haben Unbekannte eine
       Freske mit dem Porträt von Steve gemalt, der als Opfer zum Symbol der
       Polizeigewalt in Frankreich geworden ist. Es ist nicht der einzige Fall,
       der Frankreich aufhorchen lässt: Am 2. Dezember wurde am Rande einer
       Demonstration der Gilets jaunes die 80-jährige Zineb Redouane von einer
       Polizeigranate am Kopf tödlich verletzt. Auch hier stößt die [1][Ermittlung
       der Verantwortlichen] intern auf einen fast systematischen Widerstand.
       
       Das Onlinemagazin Mediapart kritisiert in diesem Zusammenhang eine Politik
       der öffentlichen „Leugnung“ polizeilicher Gewalt und sogar eine „Doktrin“
       des „Laissez faire, laissez tirer“ („Lasst machen, lasst schießen“) seitens
       des Innenministers Christophe Castaner, der die Gunst des Regierungschef
       und auch des Staatspräsidenten Emmanuel Macron genießt. Mit ihrer
       anhaltenden Rückendeckung für den umstrittenen Minister nehmen es Macron
       und Philippe in Kauf, dass die drängenden Fragen zum Tod von Cariço und
       Redouane und zu anderen Fällen repressiver Gewalt im Namen der Republik zu
       einer Staatsaffäre werden.
       
       31 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
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