# taz.de -- Affäre im Verteidigungsministerium: Eine Rechnung über drei Millionen
       
       > Noch immer versucht sich der Untersuchungsausschuss in der Aufklärung
       > dubioser Auftragsvergaben. Für Donnerstag sind zwei zentrale Zeugen
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 (IMG) Bild: Am 14. Februar 2019 fand die erste Sitzung des Untersuchungsausschusses statt
       
       Berlin taz | Es wird der vorläufige Höhepunkt im Versuch, die Berateraffäre
       im Bundesverteidigungsministerium aufzuklären: Am Donnerstag müssen sich
       General Erhard Bühler und der Berater Timo Noetzel vor dem
       Untersuchungsausschuss des Bundestags erklären.
       
       Die beiden werden unangenehme Fragen über sich ergehen lassen müssen, die
       Befragung wird dem Vernehmen nach intensiv. Bühler und Noetzel sind eng
       befreundet, Bühler ist Taufpate von Noetzels Kindern. Es steht der Verdacht
       im Raum, dass auf Grund ihrer Freundschaft Millionenaufträge vergeben
       wurden.
       
       Soweit bekannt, begann alles im Jahr 2016 mit einem externen Mitarbeiter
       der hauseigenen IT-Firma der Bundeswehr, der BWI. Dieser war laut Aussage
       eines Zeugen aus dem Bundesrechnungshof mit seiner Situation unzufrieden
       und suchte nach einer Veränderung. Seine Lebensgefährtin arbeitete damals
       im Beschaffungswesen des Bundes und wies ihn auf einen neuen Rahmenvertrag
       zur IT-Dienstleistung hin – den RV 20237.
       
       Dass die Bundeswehr digitaler werden muss, war im Sommer 2017 allen klar.
       Die gebeutelte Truppe kam einfach nicht aus den Schlagzeilen. Timo
       Noetzel, Manager der Firma Accenture und Freund General Erhard Bühlers,
       bahnte vermutlich über persönliche Bekanntschaften ein millionenschweres
       Pilotprojekt an: Der Militärtransporter A400M sollte ein modernes
       Ersatzteilmanagement bekommen.
       
       ## Erste Gespräche im Sommer 2017
       
       Bereits wenige Wochen später gab es erste Gespräche zwischen Ministerialen
       und Accenture-Vertretern. Im September 2017 fanden Tischgespräche statt,
       bei denen nicht nur die damalige Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder
       anwesend war, sondern teils auch mehrere Vertreter von Accenture.
       
       Es war Suders hartnäckige Weigerung, im Dezember 2018 vor dem
       Verteidigungsausschuss zu erscheinen, der im Februar 2019 letztlich zur
       Einsetzung des Untersuchungsausschusses führte. Dort kann sie vorgeladen
       werden. Ziel ist es herauszufinden, in wie weit die politische Führung des
       Verteidigungsministeriums persönliche Bekannte oder Firmen begünstigte.
       Früh war klar, dass es ein zäher Prozess werden würde: Die Opposition will
       schnell vorankommen, die Regierungskoalition offenbar Zeit schinden.
       
       Dass Accenture den Auftrag bekommen soll, darüber war man sich anscheinend
       in der Führung des Bundesverteidigungsministeriums einig. Lediglich die
       Finanzierung war fraglich. Da solche Summen nicht einfach frei vergeben
       werden können, musste ein Vehikel her. Nach einigem Suchen stieß man auf
       den Rahmenvertrag 20237.
       
       ## Katrin Suder entschied sich für die Umsetzung
       
       Allerdings hielt diesen Vertrag eine bundesweit agierende hessische Firma,
       die sich ihre Risiken mit 100 Euro pro durchgeleitetem Beratertag bezahlen
       ließ. „Alles spricht dafür, dass die Firma als Strohmann genutzt werden
       sollte, da man anders nicht mit Accenture kontrahieren konnte“, sagt der
       SPD-Abgeordnete Dennis Rohde, Sprecher seiner Fraktion im
       Untersuchungsausschuss.
       
       Accenture arbeitete bereits im Oktober 2017, das Ministerium hingegen hatte
       noch mit der Vergabeprüfung zu kämpfen und es konnte noch kein Steuergeld
       fließen. Erst nachdem am 1. Dezember 2017 ein ministerialer Erlass
       herabgereicht wurde, konnte nach intensiven Bemühungen am 21. Dezember ein
       formaler Auftrag ergehen. Katrin Suder hatte entscheiden, dass das Projekt
       umgesetzt werden soll.
       
       Mehrere Beamte sagten aus, die Leitung des Verteidigungsministeriums habe
       einen „Wunschkandidaten“ kommuniziert: Accenture. Die Staatsdiener prüften
       nicht mehr, ob Accenture den Auftrag bekommen kann – sondern lediglich,
       wie. Stellen, die hätten prüfen müssen, prüften nicht. Sie verließen sich
       darauf, dass andere bereits geprüft haben, da ihnen vermittelt wurde, wer
       den Auftrag bekommen soll. Die formalen Beauftragungen sollten ungewöhnlich
       schnell erfolgen. Mitarbeiter berichten von enormen Druck aus dem
       Ministerium und dem schlimmsten Monat ihrer Karriere.
       
       Als die Berateraffäre 2018 bereits durch einen Bericht des
       Bundesrechnungshofes bekannt geworden war, stoppte der Bund die Zahlungen.
       Accenture stellte schlussendlich eine letzte Rechnung in Höhe von ca. 3
       Millionen Euro – ohne Umweg über den Rahmenvertrag 20237.
       
       Indes sorgte sich General Bühler um die Mitarbeiter des Beratungskonzerns.
       Das geht aus einer Mail der Unterabteilungsleiterin im Bereich Planung an
       die Geschäftsführerin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr hervor: „Diese
       Firma setzt ihre Berater auf die Straße, wenn nicht ein Signal kommt, dass
       sie die Arbeit nicht als Verlust abzuschreiben hat.“ Der
       FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Müller, Obmann im
       Verteidigungsausschuss, nannte dies „Quatsch, da die Firma einen Umsatz in
       Höhe des Verteidigungsetats und weltweit 450.000 Mitarbeiter hat“.
       
       Der zähe Kampf zwischen Parlamentariern und Regierung ist im
       Untersuchungsausschuss in vollem Gange. Die kriselnde SPD hat ein
       engagiertes Team aus Haushältern und Verteidigungspolitikerinnen geschickt,
       die sich mit ihrer Arbeit klar hervortun. Mittlerweile zeigt sogar die
       Union Zähne.
       
       Allerdings werden die Aussagen des damaligen internen Ermittlers des
       Verteidigungsministeriums, Andreas Conradi, immer rätselhafter: Aussagen
       anderer Zeugen decken sich nicht mit seinen, die Opposition fordert, ihn
       aus den Sitzungen des Gremiums auszuschließen. Doch er wird wohl bis zum
       Ende für die Bundesregierung teilnehmen.
       
       Auch die Beraterfirmen nehmen den Ausschuss ernst, sie entsenden eigens
       Beobachter. „Offenbar untersuchen wir keine Lappalien“, kommentierte der
       Grüne-Abgeordnete Tobias Lindner.
       
       27 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Pehl
       
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