# taz.de -- Proteste in Japan: Blasen und verformte Zehen
       
       > Frauen rebellieren gegen den Dress-Code am Arbeitsplatz. Die Damen, als
       > „Blumen im Büro“ wahrgenommen, haben Probleme mit dem Schuhwerk.
       
 (IMG) Bild: Pumps am Arbeitsplatz sind für viele JapanerInnen keine Freude
       
       Tokio taz | Welches Schuhwerk sollte frau bei der Arbeit tragen? Damit
       beschäftigte sich in dieser Woche sogar die japanische Regierung. Das
       32-jährige Model Yumi Ishikawa hatte auf change.org eine Petition für ein
       Gesetz gegen den Zwang zum Pumps-Tragen am Arbeitsplatz gestartet – mit
       unerwartet riesigem Erfolg.
       
       Anfang der Woche übergab Ishikawa 18.000 Unterschriften an Arbeits- und
       Gesundheitsminister Takumi Nemoto. Der 68-jährige Konservative verteidigte
       die Pumps-Etikette für einige Jobs als „angemessen und notwendig“ und
       lehnte ein Gesetz ab. Die Kleidungsvorschrift sei nur diskriminierend,
       falls Frauen keine hohen Schuhe tragen könnten, zum Beispiel wegen einer
       Verletzung. Das brachte die Kritiker auf Twitter nicht zum Schweigen.
       Täglich kommen Tausende Unterschriften dazu.
       
       Die Kampagne verbreitete sich dank des kreativen Hashtags #KuToo. Der
       Begriff bezieht sich auf die feministische #MeToo-Bewegung im Westen und
       spielt mit dem japanischen Wort „kutsu(u)“, das Schuhe und Schmerz
       bedeutet.
       
       Auf Twitter klagten Frauen über Blasen, verformte Füße und schmerzende
       Rücken nach einem Arbeitstag in Pumps. In einigen Branchen ist das
       Schuhwerk Pflicht, von Hotels über Kaufhäuser bis zu Fluggesellschaften. An
       vielen Arbeitsplätzen tragen Japanerinnen eine vom Unternehmen gestellte
       Uniform samt Schuhen, oft mit Absatz.
       
       ## Attraktiv aussehen
       
       Gerade hat in Japan die Bewerbungssaison für Trainee-Stellen im nächsten
       Frühjahr begonnen. Zum Vorstellungsgespräch ziehen die Studenten, die im
       Winter die Universität verlassen, den vorgeschriebenen „Recruit Suit“ an:
       Für Frauen bedeutet dies knielanger Rock, weiße Bluse, schwarzer Blazer und
       Schuhe mit halbhohem, breitem Absatz. Kurz: Sie sollen attraktiv aussehen,
       ohne verführerisch zu wirken.
       
       Viele Japanerinnen spüren eine gesellschaftliche Verpflichtung, sich am
       Arbeitsplatz hübsch zu machen. Dazu gehören Make-up, feminine Kleidung und
       Hackenschuhe. Nach dem Krieg bestimmte die „Office Lady“ das Bild der
       erwerbstätigen Japanerin, die im Büro den Tee servierte und Akten kopierte.
       
       Erst Ende der achtziger Jahre tauchten die ersten „Karrierefrauen“ auf, die
       Berühmteste davon war die Diplomatin Masako Owada, die heutige Kaiserin.
       Aber viele ältere Männer nehmen Frauen bis heute als „Blumen der Büros“
       wahr, die der Verschönerung der Arbeitswelt dienen.
       
       Den Ärger der Frauen schürt auch die jährliche „Cool Biz“-Saison. Zwischen
       Mai und September erlauben Behörden und Unternehmen den Männern, ohne
       Jackett und Krawatte zur Arbeit zu erscheinen. Die positive Öko-Idee
       dahinter: Die Klimaanlagen laufen schwächer und verbrauchen weniger Strom.
       Doch der Dresscode für die Frauen wurde nicht erleichtert, als gäbe es sie
       in den Büros nicht.
       
       ## Neues Selbstbewusstsein
       
       Das starke Echo auf den Hashtag #KuToo spiegelt auch zugleich neues
       Selbstbewusstsein der Arbeitnehmer wider, sich das sogenannte „Power
       Harassment“ von Arbeitgebern und Vorgesetzten nicht mehr gefallen zu
       lassen.
       
       Lange ertrugen die Japaner aus Angst um ihren Job Schikanen, unbezahlte
       Überstunden und andere Ausbeutung. Aber wegen der gealterten und
       schrumpfenden Bevölkerung herrscht inzwischen ein großer Mangel an
       Arbeitskräften. Dadurch sitzen sie erstmals am längeren Hebel. Mit Tweets,
       Anzeigen und Klagen wehren sich gegen übergriffige „Power Hara“-Angriffe.
       
       Die Regierung verstärkt diesen Trend mit ihren “Arbeitsstil-Reformen“. Die
       Zahl der Überstunden wurde begrenzt und eine Urlaubsverpflichtung
       eingeführt. Die Arbeitswelt soll angenehmer und erträglicher werden, sodass
       mehr Frauen arbeiten gehen, von jungen Müttern bis zu älteren Hausfrauen
       mit erwachsenen Kindern.
       
       Das soll den Personalmangel lindern. Also buhlen die Unternehmen um Frauen
       wie nie zuvor, indem sie den Feierabend vorziehen und mehr Home-Office-Tage
       erlauben.
       
       ## Männerdominierte Behörden
       
       In der Vorwoche verschärfte das Parlament das Gesetz gegen den
       Machtmissbrauch durch Vorgesetzte. Eine Wirtschaftslobby wandte vergeblich
       ein, die Grenze zwischen „Harassment“ und „strengem, aber fairem
       Management“ sei schwer zu ziehen.
       
       Doch die männerdominierten Behörden und Unternehmen tun sich eben mit
       Frauen schwer. So jammerte ein Ex-Minister trotz des Gesetzes ungeniert
       über den „Egoismus“ der Japanerinnen, lieber Single zu bleiben statt drei
       Kinder zu gebären.
       
       8 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
       ## TAGS
       
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