# taz.de -- Maduro und Guaidó in Venezuela: Machtdemonstrationen zum 1. Mai
       
       > Beide Lager mobilisieren ihre Anhänger zu Kundgebungen. Am Rande kommt es
       > zu einem Streit zwischen Moskau und Washington.
       
 (IMG) Bild: Regierungskritische Demonstranten am 1. Mai in Caracas
       
       Caracas/Buenos Aires taz | In Venezuela haben am Mittwoch erneut
       Zehntausende für und gegen Staatschef Nicolás Maduro demonstriert. Der 1.
       Mai ist in [1][Venezuela] diesmal keine Bühne für die traditionelle Parade
       der Arbeiterschaft mit Fahnen und Parolen, bei der Ausbeutung,
       Gehaltsverbesserungen, Vereinigungsfreiheit anprangert und eingefordert
       werden.
       
       Denn Regierung und Opposition nutzen den Tag um Stärke, Engagement und
       Widerstand zu demonstrieren. Wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen
       Demonstrierenden und uniformierten Einsatzkräften. Etwa 70 Menschen wurden
       durch Gummigeschosse oder Tränengas verletzt. Dennoch war der Tag
       friedlicher verlaufen als am Dienstag. Da wurden mehr als 100 Menschen
       verletzt.
       
       Die Regierung hatte ihre Anhängerschaft zum Präsidentenpalast Miraflores
       mobilisiert. Zwischen Mitgliedern der Regierungspartei und Angehörigen der
       Volksmilizen waren dort auch Tausende von Staatsangestellten zu sehen,
       deren Teilnahme durch Androhung von Disziplinarmaßnahmen teilweise
       erzwungen wurde.
       
       Unter den Demonstrierenden war auch Antonio Espinoza. Der 43-jährige
       Rechtsanwalt arbeitet als Staatsangestellter in der Verwaltung der Unefa,
       der Universität der Streitkräfte, die unter Hugo Chávez eingerichtet wurde.
       Espinoza gibt sich als Linker mit einer kritischen Einstellung zu erkennen.
       Es sei richtig, dass die Arbeiterklasse unter Chávez und Maduro Vorzüge
       genießen, meint er. Allerdings würde die bürokratische
       Gewerkschaftsstruktur einen direkten Einfluss der Arbeiterschaft auf die
       Regierungspolitik verhindern. Er wünsche sich einen effizienteren Umgang
       mit den staatlichen Einnahmen aus dem Ölverkauf.
       
       ## Zur Lage im Land redet Maduro kaum
       
       Das beherrschende Thema waren jedoch [2][die Ereignisse vom Vortag], als
       der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó eine Militärrevolte
       anzetteln wollte. Diese scheitere jedoch bereits im Ansatz, was Staatschef
       Maduro als Triumph feierte. Den Großteil seiner Rede verwandte der
       Präsident im roten Hemd denn auch auf die Abrechnung mit der Rebellion, die
       er erneut als gescheiterten Putschversuch bezeichnete und sich von
       Sprechchören wie „Guaidó, wir werden Dich holen, denn wir haben einen
       Präsidenten“ geduldig unterbrechen ließ.
       
       Genüsslich zog Maduro über den propagandistischen Eifer der
       US-Administration her, bei der „offensichtlich die Nerven blank lagen“,
       weil ihre „Marionette Guaidó“ abermals versagt hätte. So blieb nur wenig
       Redetext zur Lage im Land, die überall zu verbessern sei, weshalb er für
       das kommenden Wochenende zu einem großen Kongress der Völker, einem
       Parteitag und einer Versammlung aller Amtsträger vom Gouverneur bis zum
       Bürgermeister aufrief. Kein Wort zur bereits versprochenen Anhebung des
       Mindestlohns, die noch immer nicht im offiziellen Bulletin verkündet und
       somit auch nicht in Kraft ist.
       
       Nur wenige Stunden zuvor hatte Juan Guaidó im Ostteil der Stadt, auf der
       Plaza Altamira, seinen Auftritt. Ganz in der Nähe der Luftwaffenbasis, bei
       der am Dienstag sein Rebellionsversuch scheiterte und in deren Umgebung es
       auch am Mittwoch wieder zu Auseinandersetzungen kam. Guaidó hatte die
       Treffpunkte und Marschrouten erst knapp eine Stunde vor Beginn verkündet,
       nicht nur um Blockadeaktionen der Nationalgarde zu vermeiden, sondern auch
       um den berüchtigten „Colectivos“ nicht in die Hände zu spielen, jenen
       bewaffneten paramilitärischen Gruppen, die besonders an Protesttagen zur
       Einschüchterung unterwegs sind.
       
       Liandro Da Silva war da schon zur Plaza Altamira gekommen. Weil
       offensichtlich wieder Internet und WhatsApp blockiert waren, hatte sich der
       42-Jährige schlicht zum traditionellen Treffpunkt der Opposition im
       Stadtteil Chacao aufgemacht. Lange hatte der studierte Soziologe im
       Staatsdienst gearbeitet, bevor er sich als Kaufmann selbständig machte. Er
       sei kein Anhänger der politischen Rechten, aber die Regierung von Maduro
       hätte auf allen Feldern versagt und nutze die Sanktionen der US-Regierung
       als Ausrede. „Diese Regierung akzeptiert keine Kritik und schon gar kein
       Abweichen von ihren Vorgaben“, sagte Da Silva. Sie behindere das normale
       Funktionieren von Gewerkschaften und Tarifverträge wären schon lange ein
       unerreichbares Ziel. „Wer nicht spurt, der droht im Gefängnis zu landen.“
       Ob Guaidó der Richtige sei, könne er nicht sagen, aber: „Maduro ist es ganz
       sicher nicht.“
       
       ## Schlagabtausch zwischen Moskau und Washington
       
       Für den 1. Mai hatte Guaido zum „größten Aufmarsch in der Geschichte des
       Landes“ aufgerufen. Viele waren gekommen, der größte Aufmarsch wurde es
       nicht. „Das Ende der unrechtmäßigen Machtübernahme ist nah“, rief er seiner
       Anhängerschaft zu und kündigte für die kommenden Tage eine Reihe von
       Streikmaßnahmen an, die in einen landesweiten Generalstreik münden sollen.
       „Wenn das Regime glaubt, wir hätten bereits den maximalen Druck erreicht,
       dann täuscht es sich“, sagte er.
       
       Fernab von Caracas kam es auch am Mittwoch zwischen Washington und Moskau
       zu einem telefonischen Schlagabtausch. Dabei forderte US-Außenminister Mike
       Pompeo von seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow ein Ende der
       Unterstützung von Maduro. Die russische Einmischung in Venezuela könnte zur
       weiteren Destabilisierung des Ölstaates führen und belaste jetzt schon die
       Beziehungen zwischen Russland und den USA, so Pompeo.
       
       Lawrow hielt dagegen, das weitere „aggressive Schritte“ in Venezuela
       schwere Konsequenzen nach sich tragen könnten. In einem Interview mit einem
       US-Fernsehsender ging Pompeo bereits einen Schritt weiter. „Ein
       militärisches Eingreifen ist möglich. Wenn es das ist, was erforderlich
       ist, werden es die USA tun“, so der US-Außenminister.
       
       2 May 2019
       
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