# taz.de -- Kommentar Anstieg von Masern: Impfpflicht hilft nicht
       
       > Die Debatte um die Impfpflicht dreht sich um ein Feindbild. Dabei wird
       > übersehen, dass etwas anderes besser gegen Nicht-Impfen helfen würde.
       
 (IMG) Bild: Impfen? Lieber freiwillig
       
       Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) hat sich
       [1][gegen die von der Bundesregierung geplante Masern-Impfpflicht]
       ausgesprochen. Eine Stimme der Vernunft in einer Debatte, in der von einem
       „Erstarken der Impfgegner“ fantasiert wird, die für den Anstieg der
       Masernerkrankungen verantwortlich sein sollen.
       
       Belege? Braucht es nicht. Das Wort „Impfgegner“ reicht, um ein Feindbild zu
       beschwören: Verschwörungstheoretiker*innen, die das Leben anderer aufs
       Spiel setzen, weil sie ihren Blagen nur Kügelchen geben. [2][Denen zeigen
       wir’s jetzt mit der Impfpflicht!]
       
       Niedersachsens Gesundheitsministerin, die Masernimpfungen zu Recht
       befürwortet, weiß, dass es so einfach nicht ist. So würde die Pflicht die
       großen Impflücken, die vor allem bei jungen Erwachsenen bestehen, nicht
       schließen. 97 Prozent der Schulanfänger*innen sind nämlich einmal gegen
       Masern geimpft, die zweite Impfung haben 93 Prozent bekommen. Das sind zwei
       Prozentpunkte zu wenig, um Masern auszurotten. Stimmt. Und 93 Prozentpunkte
       zu viel, um hysterisch zu werden.
       
       Tatsächlich belegt eine alle zwei Jahre erscheinende [3][Studie der
       Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)] Reimanns These, dass
       es sinnvoller wäre, Eltern besser zu informieren. Nur ein Prozent der
       befragten Eltern lehnt Impfungen grundsätzlich ab, ein weiteres Prozent
       bezeichnet sich als „eher ablehnend“. Laut BZgA ist der Anteil der
       Impfgegner*innen seit 2012 gesunken.
       
       ## Wissensdefizite als häufig genanntes Impfhindernis
       
       Wenn man davon ausgeht, dass diese zwei Prozent Hardcore-Impfgegner sind,
       wären sie die Gruppe, für die es die Pflicht bräuchte, weil man bei ihnen
       mit Argumenten nichts erreicht. Das Problem ist: Eben weil sie so überzeugt
       sind, werden sie Wege finden, der Impfpflicht zu entgehen und sei es
       mithilfe ihrer homöopathischen Hausärzte.
       
       Und dann gibt es noch die 13 Prozent der Eltern, die sich als „teils/teils“
       bezeichnen. Bei ihnen ist Hopfen und Malz nicht verloren. Aber sie
       bräuchten eine Kinderärztin, die Zeit hat, sie „ausführlich“ zu beraten,
       „welche Impfungen sinnvoll sind“. Das soll sie tun, so steht es im
       Vorsorgeuntersuchungsheft für Kinder.
       
       Und jetzt können sich alle, die in den letzten Jahren mal beim Kinderarzt
       waren, überlegen, wie viel Zeit da wohl gewesen wäre, um „ausführlich“ zu
       beraten, auf Sorgen einzugehen und diese kenntnisreich zu zerstreuen – und
       nicht mit einem barschen „Glauben Sie nicht alles, was im Internet steht“
       abzuwehren. Laut BZgA-Studie ist das am häufigsten genannte Impfhindernis
       bei Masern: Wissensdefizite.
       
       Aber das kassenärztliche Abrechnungssystem so zu organisieren, dass
       Ärzt*innen auch längere Gespräche möglich sind, wäre ein viel dickeres
       gesundheitspolitisches Brett als ein Gesetz über eine Impfpflicht. Wenn
       diese eingeführt wird, steigt das Risiko dafür, dass als Trotzreaktion
       andere freiwillige Impfungen nicht gemacht werden. Das [4][zeigen
       Untersuchungen] und Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern. Halb so
       wild, könnte man argumentieren, dann machen wir eben alle von der
       Impfkommission empfohlenen Impfungen zur Pflicht! Das aber würde dann doch
       niemand wollen. Oder?
       
       7 May 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.maz-online.de/Nachrichten/Politik/Impfung-gegen-Masern-SPD-Gesundheitsministerin-gegen-Spahns-Plan-einer-bundesweiten-Impfpflicht
 (DIR) [2] /Kommentar-Masernimpfung/!5579996
 (DIR) [3] https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/infektionsschutzstudie_2016--f4f414f596989cf814a77a03d45df8a1.pdf
 (DIR) [4] https://academic.oup.com/eurpub/article/26/3/378/2467110
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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