# taz.de -- Volksentscheid zum Rennbahnquartier: Der Senat macht mobil
       
       > Mit Flyern und Plakaten wirbt der Bremer Senat für ein „Nein“ zum
       > Volksentscheid gegen die Rennbahnbebauung. Dafür erntet er viel Kritik.
       
 (IMG) Bild: Ob hier gebaut wird oder nicht, darüber soll das Volk entscheiden: die ehemalige Galopprennbahn
       
       Bremen taz | Mehr bezahlbarer Wohnraum, Wohnen im Grünen, schnell in den
       Feierabend – dem Senat fallen einige Gründe ein, beim Volksentscheid zum
       Rennbahnquartier mit Nein zu stimmen. Dass er diese Gründe nicht nur
       mitteilt, sondern über Plakate und Flyer auch offensiv sowie kostenintensiv
       in der Stadt verbreitet, stößt auf Kritik.
       
       Vor allem FDP, CDU und Freie Wähler, die die Bürgerinitiative
       „Rennbahngelände Bremen“ unterstützen, empören sich über die Kampagne des
       Senats. Bis zu 250.000 Euro aus öffentlichen Mitteln sollen dafür
       ausgegeben werden. „Damit beeinflusst der Senat den Volksentscheid zum
       Nachteil der Bürgerinitiative“, so FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner.
       „Das ist Steuergeldverschwendung und Beeinflussung.“ In einer Aktuellen
       Stunde will ihre Fraktion am Dienstag in der Bürgerschaft fordern, dass die
       Kampagne eingestellt wird.
       
       Die Freien Wähler gehen noch einen Schritt weiter und wollen sogar klagen.
       Doch rechtlich scheint die Aktion des Senats abgesichert: 1996 hat der
       Staatsgerichtshof bestimmt, dass die staatlichen Organe bei
       Volksentscheiden keiner klaren Neutralitätspflicht unterliegen. „Dass es
       legal ist, heißt aber noch lange nicht, dass es auch legitim ist“, findet
       Tim Weber vom Bremer Verein „Mehr Demokratie“: „Der Senat vertritt
       schließlich alle Bürger – sollte eine Mehrheit gegen die Bebauung sein,
       vertritt er eben auch die.“
       
       Ihn stört nicht so sehr, dass der Bürgermeister, der ja auch ein
       politisches Amt ausfüllt, sich zu dem Volksentscheid äußert. „Aber die
       Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein – wenn aus öffentlichen Mitteln eine
       Kampagne mehr als zehnmal so viel Geld bekommt wie die Gegenseite zur
       Verfügung hat, dann ist das eben nicht mehr fair.“
       
       Die Senatskanzlei zeigt sich gelassen. „Wir freuen uns auf die Debatte in
       der Bürgerschaft“, so Kanzleisprecher André Städler. In der Werbekampagne
       für ein Nein sieht er nur die Informationspflicht des Senats erfüllt: „Die
       Volksabstimmung ist eine wichtige Angelegenheit, die Bürger sollten wissen,
       worüber sie abstimmen.“
       
       Eine solche Information hat es in neutralerer Form allerdings bereits
       gegeben: Mit den Wählerbenachrichtigungen zur Bürgerschaftswahl kam auch
       ein Infoflyer in jeden Haushalt, in dem alle Fraktionen ihre Position
       darstellen konnten, die Länge der Stellungnahmen variiert dabei nach Anzahl
       der Bürgerschaftssitze. Mehr noch: Alle Fraktionen gemeinsam bekamen dort
       ebenso viel Platz wie die Bürgerinitiative. Diese Regel hat die
       Bürgerschaft in Bremen bereits 2009 beschlossen, unter der ersten
       rot-grünen Landesregierung.
       
       Damit, so findet Weber, habe das Parlament vorgemacht, wie fair und klar
       man eigentlich mit einem Volksentscheid umgehen könne. Auch den Termin
       zeitgleich mit der Wahl zählt er dazu, schließlich erleichtere der das
       Erreichen des Quorums.
       
       ## Ja heißt Nein
       
       Informationen unterdes können die Bremer WählerInnen durchaus gebrauchen.
       Laut Landesverfassung gilt ein Volksentscheid als angenommen, wenn eine
       Mehrheit ihm zustimmt – also mit Ja abstimmt. So kommt es zu der etwas
       komplizierten Konstruktion, dass GegnerInnen der Bebauung das positive Ja,
       BefürworterInnen aber das Nein ankreuzen müssen. Ob die Verwirrung mit der
       Kampagne abnimmt, ist zumindest fraglich: „Es gibt viele gute Gründe für
       das Neue Rennbahnquartier“, formuliert der Senat – und wirbt zugleich mit
       diesem positiven Statement für ein Nein beim Volksentscheid.
       
       Auch die Argumente, die er für eine Bebauung heranzieht, könnten zur
       Konfusion beitragen. „Mehr Sandkästen“ etwa führt die Kampagne ins Feld –
       dabei könnte dieses Argument auch von der Gegenseite reklamiert werden:
       Schließlich wäre auf einer unbebauten Rennbahnfläche noch mehr Platz für
       Sand und Förmchen.
       
       Immerhin: Bei der Abstimmung zu Stuttgart 21 gab es eine ähnlich
       verwirrende „Ja-Nein-Konstellation“ für GegnerInnen und BefürworterInnen.
       Eine Studie stellte damals jedoch fest, dass dies zwar zu einigen falsch
       vergebenen Stimmen in beide Richtungen geführt, das Endergebnis aber nicht
       maßgeblich beeinflusst hatte.
       
       3 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Stadtentwicklung Bremen
 (DIR) Immobilien Bremen
 (DIR) Bremen
 (DIR) Volksentscheid
 (DIR) Wahl in Bremen
 (DIR) Immobilien Bremen
 (DIR) Pferdesport
 (DIR) Pferde
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Galopprennbahn gegen Wohnungen: Auf den Hund gekommen
       
       Andreas Sponbiel hat einen Volksentscheid gegen den geplanten Bau von
       Wohnungen für 1.200 Menschen in Bremen initiiert – und Erfolg gehabt.
       
 (DIR) Bebauung der Bremer Galopprennbahn: Fast vergaloppiert
       
       Bremens rot-grüne Koalition konnte sich nicht auf den Vorschlag einigen,
       mit einem zweiten Volksentscheid der Bürgerinitiative Rennbahn
       entgegenzutreten.
       
 (DIR) Bebauung des Bremer Rennbahngeländes: Galopper wehren sich
       
       Mit einem Volksbegehren will eine Bürger-Ini die Bebauung des
       Rennbahngeländes in der Vahr verhindern. Die Stadt Bremen will dort über
       1.000 Wohnungen bauen.
       
 (DIR) Wohnen statt Reiten: Aus der galoppierende Traum
       
       Bremens Pferderennbahn schließt: Die Stadt kriegt Bauland für dringend
       benötigte Wohnungen in der Vahr – und der Verein wird sein Defizit los.