# taz.de -- Verleiher über Probleme des Filmmarkts: „Es gibt keine Wertschätzung“
       
       > Der neu gegründete „Hauptverband Cinephilie“ hat den „Notstand der
       > Filmkultur“ ausgerufen. Initiator Jakob Kijas erklärt, was schiefläuft
       > und was sich ändern sollte.
       
 (IMG) Bild: Film als Kunstform oder doch „nur“ Unterhaltung?
       
       taz: Herr Kijas, Sie haben mit 14 Personen aus Produktion, Regie, Kino,
       Verleih, Filmkritik und Kuration einen „Aufruf zur Cinephilie“ gestartet.
       Was war der konkrete Anlass? 
       
       Jakob Kijas: Es gab keinen akuten Anlass. Die Schieflage ist schon länger
       bekannt. Und letztlich war kürzlich [1][zur Berlinale] der perfekte
       Zeitpunkt zu sagen: „Jetzt oder nie!“. Viele Initiativen, die sich den
       Branchen zuwenden, wie AG Kino oder AG Verleih, gibt es ja bereits, aber
       noch keinen Verband, der sich allen Branchen mit dem kleinsten und zugleich
       größten gemeinsamen Nenner widmet – der Cinephilie, also der Liebe zur
       Filmkunst.
       
       Ihr Aufruf liest sich wie eine Generalabrechnung im Umgang mit der Film-
       und Kinokultur in Deutschland. Gleichzeitig wirken Ihre Forderungen so
       allgemein, dass es wundert, dass sich auf Anhieb so viele Fürsprecher*innen
       gefunden haben. An wen richten Sie sich überhaupt? 
       
       An alle! Wie so oft ist es so, dass alle etwas ändern können. Aber
       natürlich richtet sich der Aufruf auch sehr klar an die Politik, an die
       Förderanstalten, an Kultur- oder Bildungspolitiker, die Film nicht wirklich
       im Bildungskanon oder als Kunstsparte sehen, an eine Förderpolitik, die
       nach quantitativen Marktkriterien fördert und nicht nach qualitativen. So
       verwunderlich, dass wir 300 Unterzeichnende haben, ist es nicht, weil wir
       einen Nerv treffen mit den Aussagen, so breit sie auch formuliert sein
       mögen.
       
       Trotz der solidarischen Euphorie kam auch die ein oder andere Kritik von
       Film- und Kinoverbänden: Doppelstrukturen, noch mehr ehrenamtliche Arbeit,
       zu denen viele gar keine Kapazität haben … 
       
       Wir sind zwar ein zusätzlicher Verband, aber gerade unsere Vielfalt macht
       die Mehrarbeit wett und bündelt die Stimmen. Es ist doch im Moment so: Die
       Verleiher gegen die Kinos, die Kinos gegen die Kritik und andersherum.
       Letztlich geht es darum, aus diesem Hamsterrad herauszutreten und zu sagen:
       Nein! Wir haben doch alle ein gemeinsames Ziel und lasst uns doch dafür
       eine neue Form finden! Alle können dabei mitmachen. Wir sind nichts
       Elitäres, sondern wollen inklusiv gedacht werden.
       
       Im Februar erhielt Ihr Verleih „Eksystent“ gemeinsam mit „Grandfilm“ aus
       Nürnberg den Innovationspreis der deutschen Filmkritik. Welche konkreten
       politischen Veränderungen wünschen Sie sich für Ihre Arbeit? 
       
       Uns geht das Publikum aus. Der Jugend wird nicht beigebracht, Film zu lesen
       und Film als Kunstform wahrzunehmen. Das heißt, dass die Filme, die die
       Kollegen aus Nürnberg oder ich herausbringen, an diesen Leuten vorbeigehen.
       Es muss zudem eine stärkere kulturelle Förderung geben. Die Filmförderung
       ist mehrheitlich eine Wirtschaftsförderung. Aber das macht es dann
       schwieriger, den deutschen Kinomarkt divers zu gestalten mit Filmen, die
       nicht zwingend als Blockbuster gedacht sind.
       
       Unter den Initiatoren ist das Wolf in Neukölln. Es ist Programmkino,
       Café-Bar, Verleih, Postproduktionsstudio, Diskurs- und Kunstort und wurde
       durch die Initiative vieler, auch junger Menschen 2015 eröffnet. Ist dies
       das Kino der Zukunft? 
       
       Das kann ich nur aus Verleihersicht beantworten. Das Wolf macht eine
       fulminante Arbeit. Sie haben es geschafft, sich lokal zu verankern und die
       Nachbarschaft ins Haus zu kriegen.
       
       Ist dies nicht ein Argument seitens der Politik, dass es auch ohne
       öffentliche Förderungen geht, Kino neu zu erfinden? 
       
       Es ist ein Unterschied, ob man von städtischer Struktur ausgeht oder von
       ländlicher. Das Wolf hat natürlich eine Crowdfunding-Initiative gehabt,
       aber nicht das ganze Geld wird darüber akquiriert worden sein. Dazu kann
       nur das Wolf selbst etwas sagen. Aber dass das allein die Alternative ist,
       glaube ich nicht, weil jedes Kino heutzutage auf öffentliche Förderung
       angewiesen ist, sei es über Kinoprogrammpreise oder institutionelle Gelder.
       
       Wie lässt sich denn aus Ihrer Sicht der Missstand lösen, dass viele der
       Mitarbeitenden einerseits unterbezahlt sind und andererseits auf höchstem
       Niveau kuratorische Arbeit leisten, das Filmerbe sichern und das Handwerk
       bewahren, analoge Filme zu zeigen? 
       
       Das ist ein Missstand, der die ganze Branche durchzieht, weil es keine
       Wertschätzung der Arbeit gibt. Wie kann es sein, dass diese
       kulturvermittelnden Tätigkeiten im Kino, auf Festivals, im Bereich Verleih
       oder in der Filmkritik nicht adäquat gefördert werden? Daher braucht es
       eine institutionelle Förderung zum Beispiel für Kinos, wenn sie bewiesen
       haben, dass sie in den letzten drei Jahren ein herausragendes Kinoprogramm
       gemacht haben. Ähnlich bei Verleihern. Hier ist es von Film zu Film
       abhängig, ob man eine Förderung bekommt oder nicht. Das wäre auch für
       Verleiher wie Grandfilm oder uns oder andere eine Hilfe, zu wissen, wir
       können diese oftmals schwierige Arbeit mit einer gewissen Sicherheit im
       Rücken ausführen.
       
       Sie meinen mit der institutionellen Förderung die Förderung der
       Programmkinos, die aktuell nur über Kinopreise öffentlich gefördert werden? 
       
       Genau richtig. Das ist ja auch gut, das sollte auch erhalten bleiben. Aber
       es ist jedes Jahr ein Riesenaufwand, die Bewerbungen einzureichen. Aber
       wenn sich ein Kino über fünf Jahre bewusst für ein Thema wie den Kurzfilm,
       den asiatischen Film oder was auch immer einsetzt und ein herausragendes
       kuratiertes Programm macht, dann wäre es doch auch schön, wenn man sagen
       würde: Du hast das jetzt schon bewiesen, wir geben dir fünf Jahre lang
       einen Hauch von finanzieller Sicherheit.
       
       Mit den Kinos und der analogen Vorführtechnik verschwinden Abspielorte für
       viele noch nicht digitalisierte Filme. Zudem ist Digitalisierung unsicher
       durch die sich stets ändernden Speicherformate. Dominik Graf bezeichnete
       die Restaurierung auf 4K als Placebo und Film [2][als das einzig
       Rettenswerte]. 
       
       Das eine ist der Placebo-Effekt. Das andere ist die Wahl, welche Filme
       überhaupt digitalisiert oder restauriert werden. Das ist alles wahnsinnig
       kostenaufwendig. Auch hier ist die Politik gefragt. Es wurde erst kürzlich
       ein öffentlicher Finanztopf für Filmdigitalisierung bereitgestellt. Aber
       was wird damit als schützenswert erachtet?
       
       Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre dies? 
       
       Mein größter Wunsch wäre tatsächlich, wenn die Cinephilie mehr Einzug
       finden würde in die Köpfe der Menschen und Film als Kunst wahrgenommen wird
       und nicht nur als reines Unterhaltungsmedium.
       
       19 Apr 2019
       
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