# taz.de -- Der Rechtsterrorist von Christchurch: Vollstrecker einer Ideologie
       
       > Der Attentäter von Christchurch ist muslimfeindlich. Sein „Manifest“
       > bedient die Wahnbilder, mit der auch Neurechte oder die AfD hantieren.
       
 (IMG) Bild: „White Power“: Brenton Tarrant gibt ein rechtsextremes Handzeichen
       
       Berlin taz | Als Brenton Tarrant am Samstagmorgen [1][vor einem Gericht in
       Christchurch vorgeführt wird], macht er aus seiner Gesinnung keinen Hehl.
       Fotos zeigen ihn grinsend, in seiner rechten Hand hat er den Daumen und
       Zeigefinger aufeinandergelegt, die anderen Finger nach unten gespreizt.
       Eine „White Power“-Geste.
       
       Tags zuvor war Tarrant in die Masjid-al-Noor-Moschee in dem
       neuseeländischen Ort gestürmt und hatte dort [2][41 Menschen erschossen].
       Auch in einer fünf Kilometer entfernten Moschee fielen später Schüsse,
       sieben Menschen starben. Die Tat übertrug er live ins Internet. Nun
       beschuldigt das Gericht den Australier offiziell des Mordes. Tarrant
       schweigt dazu.
       
       Schon kurz vor der Tat aber hatte er sein Motiv klargemacht. Auf seinen
       Onlineprofilen veröffentlichte der 28-Jährige Links zu einer Art Manifest,
       gut 70 Seiten lang. Tarrant bezeichnet sein Attentat darin als rassistisch
       und islamophob, er selbst sei ein „Öko-Faschist“. Er wolle die weiße Rasse
       retten.
       
       Ein rechtsextremer Terroranschlag also.
       
       ## „Der große Austausch“
       
       Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern sagte, der Attentäter „hatte
       absolut die Absicht, seine Attacke fortzuführen“, [3][bevor er von der
       Polizei gestoppt wurde]. In seinem Auto habe er zwei weitere Schusswaffen
       und Sprengstoff gehabt. Ardern kündigte eine Verschärfung der Waffengesetze
       an. Tarrant habe seit November 2017 einen Waffenschein besessen und in der
       Folge die fünf Waffen gekauft, die er bei seinem Attentat benutzte.
       
       Als Extremist sei Tarrant den Sicherheitsbehörden nicht aufgefallen, teilte
       Andern mit. Dabei war der Australier offenbar seit Jahren in der extrem
       rechten Szene aktiv. Sein „Manifest“ jedenfalls verortet ihn genau dort: Es
       bildet fast prototypisch diejenige Ideologie ab, mit der Rechtsextreme und
       Neurechte momentan weltweit hantieren – auch in Deutschland. Und es zeigt,
       wie international der Rechtsterrorismus inzwischen verzweigt ist.
       
       Schon der Titel weist den Weg: „Der große Austausch“ hat Tarrant seinen
       Schriftsatz überschrieben. Es ist das Leit- und Angstmotiv der
       rechtsextremen Identitären, unter dem Titel veröffentlichte auch deren
       Vordenker Renaud Camus eines seiner Werke. Gemeint ist eine angeblich
       gezielte, massenhafte Einwanderung von Muslimen in „weiße“ Nationen, um
       deren einheimische Bevölkerungen zu marginalisieren.
       
       ## „Genozid an den Weißen“ und „14 Words“
       
       Im Grunde ist es eine alte rechtsextreme Parole: Auch die NPD warnte schon
       vor Jahren vor einem „Volkstod“. Zuletzt nun war es AfD-Chef Alexander
       Gauland, der davon sprach, dass die Regierung das „Volk völlig umkrempelt“.
       Deren Politik sorge dafür, „dass dieses Land von der Erde verschwindet und
       sozusagen nur noch irgendeine uns fremde Bevölkerung hier lebt“. Der
       NRW-Chef der AfD, Thomas Röckemann, wurde noch expliziter: Die Politik
       müsse „endlich die Stärke zur politischen Aktion aufbringen“, schrieb
       dieser 2016. „Sie muss bereit sein, das ‚Eigene‘ zu verteidigen und das
       ‚Fremde‘ auszuschließen.“
       
       Tarrant knüpft genau an dieses Wahnbild an – und lädt es terroristisch, mit
       wüsten Gewaltaufrufen, auf. Auch er schreibt von einer
       „Masseneinwanderung“, von einer muslimischen „Invasion“ und „Besetzung“. Es
       seien die hohen Geburtenraten der Zuwanderer, welche die Einheimischen zur
       Minderheit werden ließen. Die „Invasoren“ gehörten deshalb bekämpft und
       deportiert, sonst drohe ein „Genozid an den Weißen“. Als Ziel gibt Tarrant
       eine klassisch rechtsextreme Chiffre aus, die „14 Words“: „Wir müssen die
       Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern.“
       
       Als seinen Vordenker benennt Tarrant den Engländer Oswald Mosley, den
       Gründer der „British Union of Fascists“. Benannt wird auch Donald Trump,
       den er zwar als „leader“ ablehne, aber als ein „Symbol für eine erneute
       weiße Identität“ unterstütze. Tarrant selbst sieht sich als „Partisan“.
       „Gewalt ist der einzige Weg zur Macht“, schreibt er.
       
       ## Hauptfeindin Angela Merkel
       
       Vieles davon erinnert an ein anderes „Manifest“: [4][das von Anders
       Breivik]. Der Rechtsextremist erschoss 2011 auf der norwegischen Insel
       Utoya 77 Jugendliche. Und auch er schwadronierte von einer „islamischen
       Kolonisation Europas“, von der Absicht einer „Versklavung“ der Europäer und
       einer „demografischen Kriegsführung“. Tarrant behauptet nun, Kontakt zu
       Brevik gehabt und dessen „Segen“ für das Attentat in Neuseeland erhalten zu
       haben.
       
       Die beiden Taten in Neuseeland und Norwegen stehen indes nicht für sich.
       Schon 2017 erschoss ein Rechtsextremist in einem muslimischen Kulturzentrum
       [5][im kanadischen Québec sechs Menschen]. In London tötete im selben Jahr
       ein Mann mit einem Van einen Menschen und verletzte zehn weitere. Als Motiv
       gab er Islamhass an. Und im italienischen Macerata schoss ein
       Rechtsextremist aus seinem Auto auf Migranten, verletzte sechs von ihnen.
       Alle drei Attentäter lobt Tarrant in seinem Manifest, die Namen von zweien
       schrieb er auf seine Gewehre, mit denen er schoss.
       
       In seinem Schriftsatz erwähnt der Australier auch Deutschland. Er geißelt
       die Ereignisse der Kölner Silvesternacht 2015. Und er benennt als einen
       seiner größten Feinde Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wenige hätten mehr
       dafür getan, Europas Bevölkerung „rassisch auszulöschen“, schreibt Tarrant.
       Merkel stehe „ganz oben auf der Liste“ derjenigen, die ebenfalls ermordet
       gehörten.
       
       ## „Widerstands“-Aufrufe mit Folgen
       
       Der Hass auf Merkel und ihre Flüchtlingspolitik, die Schmähungen von
       Muslimen: All das vernimmt man auch in der AfD, bei den Identitären oder
       Pegida – wenn auch dort Gewaltfreiheit betont wird. Gleichzeitig wird die
       Kritik indes mit steten „Widerstands“-Aufrufen gekoppelt. Nicht ohne
       Folgen: So verübte 2016 ein früherer Pegida-Redner einen
       Sprengstoffanschlag auf eine Dresdner Moschee, verletzt wurde niemand. Der
       Mann wurde [6][zu knapp zehn Jahren Haft verurteilt].
       
       Es ist nicht der einzige Fall, in dem auch in Deutschland der Schritt von
       der Agitation in den rechten Terror erfolgte. Schon 2015 hatte auch die
       rechtsterroristische „Oldschool Society“ über einen „bewaffneten Kampf
       gegen Salafisten“ sinniert. „Waffen besorgen, Moschee reinrennen, bambam,
       fertig“, [7][schlug deren Präsident einmal vor]. Die Polizei nahm die
       Gruppe hoch, bevor es zu Taten kam.
       
       Und auch der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU), der zehn Menschen
       erschoss, neun davon Migranten, begründete seinen Terror mit dem Kampf
       gegen eine vermeintliche Überfremdung: als „Garant dafür, dass der morgige
       Tag dem deutschen Volk gehört“, wie es in einer Selbstbeschreibung hieß. In
       einem Bekennervideo notierte der NSU mit Bezug auf ein Anschlagsopfer, nun
       wisse dieses „wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist“.
       
       ## Vom Manifest zur Tat
       
       Ein Jahr nach Auffliegen des NSU schrieb in Berlin wiederum eine ominöse
       „Reichsbewegung“ Moscheen und muslimische Vereine an. Sie drohte, alle
       „raumfremden Ausländer“ müssten Deutschland verlassen, „bevor es für Sie
       und ihre Familie dazu zu spät ist“. Ziel sei es, eine „Völkervernichtung
       durch Rassenvermischung zu stoppen“.
       
       Und zuletzt nun waren es rechtsextreme Drohbriefe einer
       „Nationalsozialistischen Offensive“ oder „Wehrmacht“, die mit wüsten
       Gewaltandrohungen auch an Migranten gingen. [8][Die Frankfurter Anwältin
       Seda Basay-Yildiz] erhielt ein Fax, unterzeichnet mit „NSU 2.0“: „Verpiss
       dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst!“, hieß es darin.
       Genannt war in dem Schreiben auch die Privatadresse von Basay-Yildiz. Bis
       zur direkten Gewalt ist es dann nur noch ein Schritt weiter.
       
       16 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
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