# taz.de -- „Fridays for Future“ weltweit: Greta global
       
       > Am Freitag wollen Hunderttausende junge Menschen für eine bessere
       > Klimapolitik protestieren. Die Bewegung hat einen Star: Greta Thunberg.
       > Wer ist sie?
       
 (IMG) Bild: Zieht die Massen an: Greta Thunberg bei einer Demonstration in Brüssel Ende Februar
       
       Hamburg taz | Sie steckt fest, es geht nicht weiter. Presse und Fans füllen
       die Straße, wedeln mit Kameras und Handys. Einige versuchen, die Kette aus
       Menschen zu durchbrechen, die mühsam einen Sicherheitsabstand
       aufrechterhält. Erst als die Polizei dazukommt, beruhigt sich die Situation
       etwas. Kinder und Jugendliche gehen nebenher, einige rufen, um ihr Vorbild
       auf sich aufmerksam zu machen. Es ist Freitag, wenn sie nicht gerade
       feststeckt, zieht die Schulstreikdemo durch die Stadt: Und Greta Thunberg
       läuft mitten drin.
       
       An diesem Tag Anfang März ziehen bis zu 10.000 junge Menschen durch
       Hamburg, mehr als zehnmal so viele wie in der Vorwoche. Wo Thunberg
       auftaucht, wird es voll: Anfang Januar war sie beim Schulstreik in Brüssel
       zu Gast, da beteiligten sich bis zu 100.000 Menschen.
       
       Ganz allein hat die heute 16-jährige Schwedin ihren Schulstreik für mehr
       Klimaschutz im August vorigen Jahres begonnen. Allein ist sie damit
       inzwischen gewiss nicht mehr. Demonstriert wird in Australien und Japan, in
       Kanada, Brasilien und den USA, in Nigeria und Südafrika, und in nahezu
       jedem Land Europas.
       
       Eltern haben sich solidarisiert als Parents for Future,
       [1][Wissenschaftler*innen sind als Scientists for Future dabei]. Diesen
       Freitag nähert sich die Bewegung ihrem bisherigen Höhepunkt: Am 15. März
       soll rund um die Welt gestreikt werden. Der letzte Stand: 1.650 Orte in 105
       Ländern.
       
       ## Greta Thunberg, ein Vorbild für Zehntausende
       
       Die Fridays-for-Future-Bewegung organisiert sich lokal und unabhängig. Eine
       Hierarchie oder zentrale Struktur gibt es nicht. Aber ein Zentrum: Greta
       Thunberg. Viele der jungen Demonstrant*innen in Hamburg sagen, sie hätten
       nicht gewusst, was sie angesichts des Klimawandels tun könnten, und
       niemanden gehabt, zu dem sie aufschauen konnten. Thunberg habe das
       geändert.
       
       Auf der Bühne richten die Schüler*innen Lilli und Gustav sich direkt an
       sie. „Wir danken dir, dass du damit angefangen hast, für das Klima zu
       streiken. Für uns und für viele bist du ein Vorbild. Wir lieben dich für
       das, was du tust. Für deinen Mut, Dinge zu sagen, die Erwachsene nicht
       wahrhaben wollen. Für dein Durchhaltevermögen. Und dafür, dass du uns eine
       Stimme gibst.“
       
       Mit ihrem Schulstreik hat Thunberg die Klimakrise zu einer Angelegenheit
       der Jugend weltweit gemacht. Eine junge Frau, die von sich sagt, sie sei
       ihr ganzes Leben lang das „unsichtbare Mädchen“ gewesen, das hinten sitzt
       und nichts sagt: Heute ist sie eine, der andere danken, weil sie ihnen eine
       Stimme gibt. Als Kind habe sie die Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekommen
       aus Filmen über den Klimawandel, sagt sie. Thunberg hat die Diagnose
       Asperger, sie sagt, sie könne Sorgen nicht verdrängen.
       
       ## Krank, klein unsichtbar. Und jetzt dauerpräsent
       
       Mit elf Jahren erkrankte sie an Depression, konnte zeitweise nicht mehr zur
       Schule gehen, nicht mehr essen, sprach kaum noch. Dann begann sie, sich
       selbst zu ermächtigen, zuerst gegenüber ihren Eltern. Die überzeugte Greta
       Thunberg, kein Fleisch mehr zu essen, vegan zu werden, nicht mehr zu
       fliegen.
       
       Thunbergs Mutter ist die Opernsängerin Malena Ernman, die Schweden 2009
       beim Eurovision Song Contest vertrat. Dass Ernman nicht mehr flog, fiel der
       schwedischen Öffentlichkeit auf. Dann schrieben Ernman und ihr Mann Svante
       Thunberg ein Buch darüber, wie ihre Tochter sie verändert hatte. Und
       schließlich setzte sich Greta Thunberg allein vor das schwedische Parlament
       mit ihrem Schild: „Skolstrejk för Klimatet“, Schulstreik für das Klima.
       Anfangs täglich, dann jeden Freitag. Es folgten: Schüler*innen weltweit,
       die die Idee aufgriffen, eine Einladung zur UN-Klimakonferenz und ins
       schweizerische Davos, [2][zum Weltwirtschaftsforum].
       
       Das Treffen in Davos ist die alljährliche Begegnung der Politik- und
       Wirtschaftselite. Als Thunberg Ende Januar nach anderthalb Tagen Zugfahrt
       von Schweden in dem verschneiten Alpenstädtchen ankommt, warten Dutzende
       Journalist*innen am Bahnsteig. Der Andrang ist größer als bei manchem
       Staatsgast. Im Ortszentrum ist für die Klimaaktivistin eine Pressekonferenz
       organisiert, davor drängeln Kamerateams. Aufpasser bahnen Thunberg eine
       Gasse.
       
       Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, begrüßt
       Thunberg mit Handschlag und widmet ihr ein paar Minuten. Lagarde ist eine
       der einflussreichsten Politikerinnen weltweit, sie überlegt sich genau, mit
       wem sie sich vor die Kameras stellt. Aber die beiden scheinen nicht recht
       zu wissen, was sie miteinander anfangen sollen. Thunbergs Gesichtsausdruck
       ist angespannt. Später wird sie einem Raum voller Politik- und
       Wirtschaftseliten sagen, diese hätten ihren finanziellen Erfolg auf Kosten
       des ganzen Planeten erreicht: [3][Das Video ihrer Rede wird um die Welt
       gehen].
       
       ## Thunberg bleibt wie ist ist: unangepasst
       
       Thunberg, die von ihrem Vater in Davos begleitet wird, sagt leise: „Ich mag
       es eigentlich nicht, vor Leuten zu reden.“ Mit dem hohen Stuhl, auf dem sie
       sitzen soll, kommt sie nicht zurecht. Sie bleibt stehen. Was andere von ihr
       denken, scheint Thunberg nicht zu kümmern: Sie ist ein Mensch der
       Gegensätze, sie polarisiert. Man stimmt ihr zu, oder ist dagegen. So oder
       so, wenn Thunberg spricht, wird zugehört. Wenigen ist sie egal. Das liegt
       an dem, was sie sagt und zu wem – und wie.
       
       „Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn das tut es.“
       
       „Erwachsene sagen immer wieder: Wir sind es den jungen Leuten schuldig,
       ihnen Hoffnung zu geben. Aber ich will eure Hoffnung nicht.“
       
       „Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich
       jeden Tag spüre.“
       
       „Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht.“
       
       Dass Thunberg schwarz-weiß malt, ist ein häufiger Kritikpunkt. Zwar sind
       die Konsequenzen der Erderwärmung Konsens in der Wissenschaft:
       Naturkatastrophen, Wassermangel, Hungersnöte, saure Meere, das Aussterben
       von Tierarten. Kritik an Thunbergs Aussagen bezieht sich aber meist gar
       nicht auf den menschengemachten Klimawandel an sich oder die Untätigkeit,
       die Thunberg anprangert, sondern auf ihre absoluten Formulierungen.
       
       Denn es gibt sie ja doch, die Grauzonen im Überleben: Auch mit einer
       Erwärmung um 4 Grad und mehr wäre menschliches Leben auf der Erde
       höchstwahrscheinlich möglich. Nur eben nicht an allen Orten, an denen es
       heute stattfindet. Einige wären höchstwahrscheinlich zu heiß, andere lägen
       unter Wasser. Aber eben nicht alle.
       
       Was Thunberg und die Schüler*innen der Fridays for Future von der Politik
       fordern, ist die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. 196 Länder haben
       damit 2016 zur Staatsaufgabe erklärt, die menschengemachte Erwärmung auf
       deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Ob das reicht, um das unumkehrbare
       Kippen des Klimas zu vermeiden, ist in der Wissenschaft umstritten.
       
       ## Ist Klimawandel „nur eine Sache für Profis“?
       
       Für manche ist Thunberg ein Kind, trotz ihrer 16 Jahre. Ein kleines Mädchen
       mit zwei langen Zöpfen, einer Wollmütze und wenig Ahnung von
       wirtschaftlichen Realitäten. Dass Thunberg recht klein ist, liegt an ihrer
       Depression: Als sie nicht mehr aß, hörte sie auf zu wachsen. So wirkt sie
       auf viele kindlich, trotz ihres Alters. Die Jugendlichkeit machen manche
       Kritiker*innen nicht nur ihr, sondern der ganzen Bewegung Fridays for
       Future zum Vorwurf, so wie etwa [4][FDP-Chef Christian Lindner]: „Von
       Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits globale
       Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen.
       Das ist eine Sache für Profis.“
       
       Die Fridays-for-Future-Bewegung hat eine Diskussion ausgelöst – nicht
       darüber, ob die Menschheit in Zukunft leben wird, sondern wie. Der Weg
       dorthin war schrittweise Eskalation. Erst der Boykott der Schule für mehr
       Klimaschutz durch Thunberg. Das schuf Aufmerksamkeit. Dann, dass
       Schüler*innen einstiegen, die Bewegung sich international ausbreitete und
       Menschen hinzukamen, die nicht mehr zur Schule gehen. Parents for Future,
       [5][Scientists for Future], Interessierte. Nun folgt diesen Freitag die
       maximale Eskalation: [6][Protest weltweit]. Auf der einen Seite ist das ein
       Erfolg für die Bewegung. Auf der anderen Seite eröffnet es die Frage, wie
       es weitergehen soll.
       
       Was tun, wenn eine Strategie an ihrer obersten Eskalationsstufe angelangt
       ist: Weitermachen, Neues ausprobieren, aufhören? Schüler*innen in Hamburg
       geben sich entschlossen, immer und immer weiter zu streiken – bis die
       Politik Maßnahmen ergreift, um das Zwei-Grad-Ziel zu erfüllen. „Wir werden
       schulstreiken, bis sie handeln“, sagt auch Thunberg auf der Bühne. Einige
       Zeit könne vergehen, bis sich Erfolg zeige. „Aber wir werden geduldig sein
       und wir werden weitermachen. Denn das ist unsere Zukunft und unsere
       Entscheidung.“ Es scheint also darauf hinauszulaufen, wer den längeren Atem
       hat.
       
       Thunberg macht es vor: Wenn am Freitag an über 1.000 Orten gestreikt wird,
       wird sie nirgendwo zu Gast sein. Sie wird vor dem schwedischen Parlament
       sitzen. Wie im August, als alles begann. Nur mit mehr Gesellschaft.
       
       Mitarbeit: Hannes Koch
       
       14 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] /Neue-Verbuendete-fuer-Fridays-for-Future/!5578232
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