# taz.de -- Parlamentswahl in Estland: Gute Prognosen für Rechtsextreme
       
       > Die Estnische Konservative Volkspartei macht Stimmung gegen Flüchtlinge
       > und die russische Minderheit. Sie könnte drittstärkste Kraft werden.
       
 (IMG) Bild: „Estland den Esten!“ EKRE-Chef Mart Helme
       
       Stockholm taz | Eine Wahlempfehlung der Kirche? So etwas gehört in Estland
       noch nicht der Vergangenheit an. Urmas Viilma, Erzbischof der
       evangelisch-lutherischen Kirche des Landes entwickelte auf der Basis eines
       Punktesystems jedenfalls eine Hitliste, die praktisch eine Empfehlung an
       die MitgliederInnen seiner Kirche war, ihre Stimme der Zentrumspartei zu
       geben. Von den Parteien, die sich am Sonntag zur Wahl stellen, spiegele
       diese am ehesten die Positionen der Eesti Evangeelne Luterlik Kirik (EELK)
       wider.
       
       Ob's hilft, wird sich am Sonntag zeigen. Dann wählt das mit einer
       Bevölkerungszahl von 1,3 Millionen viertkleinste EU-Land ein neues
       Parlament. In den Umfragen liefern sich die sozialliberale Zentrumspartei
       und die rechtsliberale Reformpartei ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide Parteien
       hatten schon vor vier Jahren am besten abgeschnitten und beiden werden
       jeweils rund 24 Prozent vorhergesagt. Da könnten die Stimmen der 160.000
       EELK-MitgliederInnen den Ausschlag geben.
       
       Die Zentrumspartei stellt mit Jüri Ratas derzeit auch den
       Ministerpräsidenten. Seine Regierung umfasst neben dieser Partei die
       Sozialdemokraten und die konservative Isamaa. Diese beiden hatten im ersten
       Drittel der Legislaturperiode zunächst mit der jetzt oppositionellen
       Reformpartei eine Koalition gebildet, bevor sie 2016 die Seiten wechselten.
       Auf zusammen 86 der 101 Sitze im Riigikogu, dem estnischen Parlament, waren
       Reform- und Zentrumspartei, Sozialdemokraten und Konservative 2015
       gekommen. Den Rest teilten sich zwei Rechtsaußenparteien.
       
       Estland hatte bislang das stabilste Parteiensystem der baltischen Staaten.
       Oder wie es Erzbischof Viilma vor einigen Tagen anlässlich der 101.
       Jahresfeier der Republik Estland ausdrückte: „Das Herz des estnischen
       Staats schlägt im Takt.“
       
       ## Aus dem Rhytmus
       
       Nach der Wahl könnte es aber womöglich etwas aus dem Rhythmus geraten. Zwar
       werden vermutlich wie immer seit der Jahrtausendwende sechs Parteien im
       künftigen Riigikogu vertreten sein. Darunter könnte aber erstmals eine
       rechtsextreme Partei mit einem zweistelligen Resultat sein.
       
       Der EKRE (Estnische Konservative Volkspartei), die es 2015 als kleinste
       Partei mit 8,1 Prozent erstmals ins Parlament geschafft hatte, wird ein
       Zuwachs auf 20 Prozent und damit die Position als drittstärkste Kraft
       vorhergesagt. Das würde die Bildung künftiger Koalitionen deutlich
       erschweren.
       
       „Estland den Esten“ ist die Grundlage der nationalistischen EKRE-Ideologie.
       Die russische Minderheit – rund ein Viertel der Bevölkerung – müsse man als
       Erbe der Sowjetunion zwar wohl oder übel in Kauf nehmen, aber sie hätte
       sich gefälligst zu assimilieren.
       
       Für Flüchtlinge sei in Estland allerdings gar kein Platz. Die Partei will
       eine „Nullquote“. Bei einer EKRE-Demonstration gegen den UN-Flüchtlingspakt
       im vergangenen November wurden Galgen „für Verräter“ mitgeführt. Als
       „Verräterin Nummer eins“ wurde auf Plakaten dabei Staatspräsidentin Kersti
       Kaljulaid bezeichnet, weil sie sich für eine Annahme dieses Pakts
       eingesetzt hatte.
       
       ## Unestnische Werte
       
       Die Partei möchte, dass Estland die EU verlässt und plädiert für eine
       entsprechende Volksabstimmung. Ähnlich wie Estland jahrzehntelang unter der
       Fuchtel der Sowjetunion gelitten habe, befehle nun Brüssel. Die EU zwinge
       dem Land „unestnische“ Werte auf, wie „Schwule, Immigration, das ganze
       liberale Dogma“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Martin Helme
       kürzlich in einem BBC-Interview.
       
       Und sein Vater, der EKRE-Vorsitzende Mart Helme, meint, dass Brüssel
       PolitikerInnen wie Frankreichs Marine Le Pen so behandle, wie seinerzeit
       die Sowjetunion mit Dissidenten umgesprungen sei.
       
       Mit der EKRE, die Kristi Raik, Direktorin des Außenpolitischen Instituts
       Estlands als „intolerant, xenophob, nationalistisch, populistisch und
       europaskeptisch“ charakterisiert, will bislang keine der übrigen Parteien
       zusammen arbeiten. „Warten wir mal bis nach der Wahl“, sagt Mart Helme:
       „Die werden sich das noch anders überlegen. Wir werden jedenfalls die
       Tagesordnung der nächsten vier Jahre diktieren.“
       
       2 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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