# taz.de -- Podcasterinnen über Identität: „Wir wollen eine Lücke füllen“
       
       > Vanessa Vu und Minh Thu Tran möchten mit ihrem Podcast „Rice and Shine“
       > vietdeutsche Perspektiven abbilden. Ein Gespräch über Repräsentation und
       > Medien.
       
 (IMG) Bild: „Wir wollen Vielfalt innerhalb unserer Community abbilden“, sagt Vanessa Vu
       
       taz: Frau Vu, Frau Tran, die erste Folge von [1][Rice and Shine] ging vor
       etwas mehr als einem Jahr online. Was haben Sie gelernt? 
       
       Vanessa Vu: Wir haben mit dem Podcast angefangen, weil es in unserer Jugend
       keine Medien gab, die unsere Perspektiven als Kinder vietnamesischer
       Gastarbeiter auch nur halbwegs abbilden konnten. Diese Lücke wollten wir
       irgendwie mit unserem Podcast schließen – hatten aber ehrlich gesagt keine
       genaue Ahnung, wie wir das machen sollen oder was rauskommen würde. Wir
       wussten nur, dass etwas fehlt und lernen mit jeder Folge, was genau dieses
       Etwas ist.
       
       Minh Thu Tran: Gleichzeitig lernen wir durch das Feedback von Hörer*innen
       viele Vietdeutsche mit Perspektiven kennen, die uns noch nicht vertraut
       waren. Wir als cis-hetero Frauen können bestimmte Perspektiven ja gar nicht
       abbilden. Also laden wir Gäste ein und lassen sie erzählen. Diese Vielfalt
       ist uns wichtig.
       
       War von Anfang an klar, dass Sie einen Podcast machen? 
       
       Vu: Nein, Minh Thu wollte YouTube-Videos machen, aber ich wollte nicht vor
       die Kamera.
       
       Warum YouTube? 
       
       Tran: Für mich war das in meiner Jugend das Medium, worüber ich die meisten
       diasporischen Inhalte mitbekommen habe. In meiner Teenagerzeit habe ich
       Tage damit verbracht, Videos von Asian Americans anzuschauen. Ich bin ja
       aber auch Radiojournalistin, und ein Podcast ist barrierefreier, was die
       Produktion und den Zugang anbelangt.
       
       Vu: Aber YouTube hat schon Vorteile. Die jungen Leute hängen da rum und die
       Vielfalt, die wir nur über den gesprochenen Inhalt transportieren, könnten
       wir da visuell zeigen. Das wäre Repräsentation auf einer weiteren Ebene.
       Für die visuelle Ebene nutzen wir Instagram, das funktioniert erstaunlich
       gut.
       
       Zum Beispiel sieht man da Ihre Katzen, wenn Sie mal wieder in einer
       Nachtschicht die nächste Folge schneiden … 
       
       Vu: Ich hätte nicht gedacht, dass es so persönlich wird. Aber gerade wenn
       wir uns geöffnet haben, haben das auch sehr viele unserer Hörer*innen
       getan. Je anekdotischer wir wurden, desto wertvoller fanden unsere
       Hörer*innen die Folgen. Wir setzen aber auch Grenzen.
       
       Wo zum Beispiel? 
       
       Vu: Ich will nicht über jedes Thema reden, Sex und Dating zum Beispiel. Wir
       reden stattdessen sehr viel über Essen. Das hat auch eine Vorgeschichte:
       Wir sind zusammen zur Journalistenschule gegangen und haben da abwechselnd
       füreinander gekocht, weil die Kantine zu teuer war.
       
       Fühlt es sich manchmal an, als würden Sie auf Identitäts- und
       Herkunftsthemen reduziert werden? 
       
       Tran: Was den Podcast anbelangt, nein. Da können wir alle Themen so denken
       und diskutieren, wie wir möchten. Das ist befreiend und auch anders, als im
       beruflichen Kontext über Rassismus und Migration zu reden.
       
       Vu: Es ist ja eigentlich umgekehrt. Diese Themen finden in den Massenmedien
       kaum Beachtung, gerade asiatisch-deutsche Perspektiven gibt es quasi nicht.
       Es gibt nur den weißen Blick darauf. Das versuchen wir zu ändern. Ich habe
       noch so viele offene Fragen und es macht mir total viel Spaß, diesen Fragen
       nachzugehen.
       
       Und außerhalb vom Podcast? 
       
       Vu: Ich finde schade, wie Migration im Journalismus manchmal als Thema
       zweiter Klasse abgestempelt wird. Wenn man es wirklich geschafft hat im
       deutschen Journalismus, dann macht man harte Innenpolitik, berichtet über
       die Parteienlandschaft oder Wirtschaft. Dabei ist Migration ein riesiger
       Komplex, für den man nicht weniger wissenschaftlich qualifiziert sein
       sollte.
       
       Tran: Wenn gefragt wird, ob diese ganzen Identitätsdebatten wirklich
       relevant sind und ob wir nicht lieber über Sozial- oder Arbeitspolitik
       reden sollten, denke ich mir oft: Ja, aber für mich ist das anders. Diese
       Vorgabe von anderen Menschen, was für dich wichtiger sein soll, regt mich
       auf.
       
       Vu: Einer unserer Weißen Hörer fand unsere Instagram-Story zum
       [2][„Chinesenfasching“ und Yellowfacing im bayerischen Dietfurt] zum
       Beispiel völlig belanglos. Aber für uns sind das bewegende Themen.
       Natürlich ist es bequemer für Weiße Menschen, rassistische Erfahrungen als
       belanglos abzustempeln, zum Tagesgeschäft überzugehen und über
       Wohnungspolitik zu sprechen. Dabei sind auch die „harten politischen
       Themen“ nicht ohne Minderheitenperspektive denkbar. Wer bekommt denn eine
       Wohnung und gut bezahlte Arbeit? Das hängt oft mit der Herkunft zusammen,
       mit dem Namen und dem Aussehen.
       
       Verstehen Sie sich in der Hinsicht als Aktivistinnen? 
       
       Vu: Nein, wir sind in erster Linie Journalistinnen, im Hauptberuf und im
       Podcast. Wir wollen verschiedene Menschen zu Wort kommen lassen, Vielfalt
       innerhalb unserer Community abbilden und wir recherchieren unsere Folgen.
       Einigen ist das schon zu viel und dann rücken sie uns in die aktivistische
       Ecke.
       
       Weil man sich im Journalismus nicht mit einer Sache gemein machen sollte? 
       
       Tran: Ich finde das daneben. Du bist ein Mensch und hast zu allen
       Recherchen, die du machst, Reaktionen und Gefühle. Es ist aber wichtig,
       dass wir diese Emotionen offenlegen und wie transparent wir mit unseren
       Positionen sind.
       
       Vu: Weiße Menschen können sich mit ihren Problemen und Erfahrungen
       beschäftigen und das gilt dann als objektiv, solange sie sauber
       recherchiert und verschiedene Seiten abgebildet haben. Sobald wir das tun,
       gilt das plötzlich nicht mehr als objektiv, sondern als Aktivismus. Oder
       als emotional.
       
       Was wünschen Sie sich für das zweite Jahr Rice and Shine? 
       
       Vu: Wir wollen noch mehr Menschen aus unserer Community erreichen. Wir
       wissen ja, dass es mindestens 200.000 von uns da draußen gibt. Da wünsche
       ich mir mehr Austausch, auch persönlich.
       
       Tran: Wir erreichen bislang vor allem Menschen, die uns ähnlich sind. Die
       meisten unserer Hörer*innen sind weiblich und in unserem Alter. Ich finde,
       dass wir noch ein bisschen mehr zu den männlichen Hörern stoßen könnten.
       Weil die ja auch wichtige Perspektiven haben.
       
       Vu: Ich wurde letztens gefragt, warum wir die ganze Zeit Frauen einladen,
       ob wir das aus feministischen Gründen tun. Die ehrliche Antwort: Ich
       glaube, man sucht und findet die Leute, die einem am nächsten sind. Das
       passiert natürlicherweise, alles andere erfordert zusätzliche Anstrengung.
       Aber die wollen wir auf uns nehmen.
       
       8 Mar 2019
       
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