# taz.de -- Kommentar Neue Brexit-Szenarien: Keine Abkehr vom Austritt
       
       > Der Brexit wird kommen. Die EU muss daher ihre Arroganz ablegen und
       > gemeinsam mit den Briten eine mehrheitsfähige Lösung finden.
       
 (IMG) Bild: Obwohl der No-Deal-Brexit als katastrophal gilt, haben sich beide Seiten längst darauf eingestellt
       
       Vier Wochen vor dem 29. März, an dem nach geltender Gesetzeslage
       Großbritannien die EU verlassen wird, gerät die britische Politik in
       Bewegung. [1][Abgeordnete sortieren sich neu], Premierministerin Theresa
       May stellt eine [2][Parlamentsabstimmung über eine Verschiebung] des
       Austrittsdatums in Aussicht, Oppositionsführer Jeremy Corbyn will ein
       [3][zweites Referendum] unterstützen. Das alles ist keineswegs eine Abkehr
       vom Brexit, wie manche Kommentatoren es vorschnell darstellen – aber es ist
       gut, dass die wesentlichen Akteure jetzt jedes denkbare Szenario auf den
       Tisch legen.
       
       Denn wenn die Dinge so chaotisch weitertreiben wie in den vergangenen
       Wochen, erleidet Europa in einem Monat Schiffbruch. Großbritannien will mit
       der EU den bestehenden Brexit-Vertragsentwurf so neuverhandeln, dass er
       eine parlamentarische Mehrheit in London findet – eine demokratische
       Selbstverständlichkeit. Die EU sagt, das sei nicht möglich – eine glatte
       Lüge.
       
       Unterhalb dieser Ebene finden natürlich trotzdem Gespräche statt, aber es
       wird darüber nicht offen gesprochen – ein politischer Fehler. Ohne eine
       Ratifizierung des Brexit-Abkommens in London gibt es zwar einen Brexit,
       aber kein Abkommen – eine vermeidbare Komplikation. Ein No-Deal-Brexit wird
       als Katastrophe dargestellt, während sich beide Seiten längst darauf
       eingestellt haben – ein kommunikatives Desaster. Am Ende steht dann ein
       völlig unnötiges Ausmaß an gegenseitigem Misstrauen, das Europa dauerhaft
       schwächt.
       
       Drei Szenarien stehen im Raum: eine Einigung, ein [4][Brexit ohne Abkommen]
       – oder eine Verschiebung, um weiterzuverhandeln. Es ist gut, dass May dafür
       jetzt einen klaren logischen Rahmen setzt. Der Ausgang aller Voten ist
       völlig offen. Wenn die europäische Seite an einer gütlichen Einigung
       interessiert ist, muss sie jetzt mit den Briten etwas ausarbeiten, das
       mehrheitsfähig ist.
       
       Gerade unter bedingungslosen EU-Fans in Deutschland wird immer noch gern
       die bornierte Haltung gepflegt, wonach der Brexit eigentlich Quatsch sei,
       und jede Nachricht aus London wird durch das Raster gepresst, ob die
       Insulaner endlich vernünftig werden und bleiben. Aber das ist nicht nur
       arrogant, es führt auch komplett in die Irre. Den Brexit einfach zu kippen
       wäre für die britische Regierung ganz einfach.
       
       Aber es wäre auch politischer Selbstmord, und daher steht das nicht zur
       Debatte. Es geht jetzt darum, einen schwierigen Prozess mit vielen
       Unbekannten so in den Griff zu bekommen, dass er nicht einen ganzen
       Kontinent ins Chaos stürzt. Für diese Weitsicht verdient die britische
       Politik, für die man in Brüssel derzeit vor allem Herablassung übrig hat,
       Anerkennung und Unterstützung.
       
       26 Feb 2019
       
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