# taz.de -- Pro & Kontra Schulstreiks fürs Klima: Kohleprotest statt Klausuren?
       
       > Am Freitag protestieren Schüler*innen für Klimaschutz. Soll für Demos der
       > Unterricht ausfallen? Ein Pro und ein Kontra.
       
 (IMG) Bild: Weg mit der Kohle! Schüler*innenprotest vor dem Bundestag im Dezember 2018
       
       Ja! 
       
       Denn eigentlich müssten die KultusministerInnen dankbar sein. Vor wenigen
       Monaten beschlossen sie, die Demokratieerziehung an den Schulen zu stärken.
       Eine reichlich späte Einsicht. Schließlich hören Jugendliche in manchen
       Bundesländern erstmals in der zehnten Klasse von Wahlen, Pluralismus,
       Streikrecht.
       
       Noch schlimmer: An vielen Schulen des Landes sind menschenfeindliche
       Einstellungen heute so weit verbreitet, dass selbst CDU-regierte Länder
       Alarm schlagen. Logische Schlussfolgerung: Kinder sollen sich stärker und
       früher mit der Rolle der Zivilgesellschaft beschäftigen. Noch besser: Sie
       engagieren sich gleich selbst. So wünschen es sich die
       BildungsministerInnen. Wer beim Bund Naturschutz aktiv ist, bekommt künftig
       einen lobenden Vermerk im Zeugnis.
       
       Wie passt es da zusammen, dass SchülerInnen, [1][die seit Wochen für die
       Rettung unseres Planeten] – und gegen die deutsche Kohlelobby –
       demonstrieren, mit Sanktionen von ihrer Schule rechnen müssen? Schon klar,
       weil sie den Unterricht schwänzen. Das aber müsste nicht sein, wenn die
       Schulen Klimademos nicht als Privatkram abstempeln, sondern als Chance für
       den Unterricht erkennen würden: Also als gesellschaftlich hochrelevantes
       Thema, das man endlich mal anhand eines hochaktuellen „Stoffes“ darstellen
       kann.
       
       Ob das Ganze dann im Ethik-, Sozialkunde- oder Erdkundeunterricht läuft,
       ist schnuppe. Wichtig ist doch: dass sich SchülerInnen mit dem Klimawandel,
       der Kohlekommission, den sozialen Folgen von deren Empfehlungen
       auseinandersetzen. Und – viel wichtiger: die Erfahrung, wie sie in unserer
       Demokratie Missstände ansprechen, mit Argumenten streiten – und bestenfalls
       mit ihrer Meinung Gehör finden.
       
       Natürlich bräuchten die Schulen zu diesem Schritt Mut. AfD & Co würden die
       Klassenfahrt zur Klimaschutzdemo sicher als ideologische Indoktrination
       brandmarken. Das aber kann kein Argument dagegen sein. Die AfD will auch
       Schulprojekte gegen Rechtsextremismus beenden. Nur eines spricht gegen das
       staatliche Plazet zum Demonstrieren: Wenn man dafür die Schule schwänzen
       muss, macht es mehr Spaß. Ralf Pauli
       
       ***
       
       Nein! 
       
       Die Schule muss nachgeholt werden. Es ist großartig, wenn Schülerinnen und
       Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür den Unterricht
       schwänzen, [2][so wie an diesem Freitag]. Denn sie, die Jungen, werden
       einmal ausbaden müssen, was wir, die Älteren, versaut haben. Ein Grund, die
       Kinder deswegen vom Unterricht zu befreien, ist es allerdings nicht.
       
       Wohlmeinende Lehrer bewerten die Schulstreiks als eine Praxisübung für das
       Mitwirken in einer Demokratie. Das Engagement gegen den Klimawandel sei
       quasi förderungswürdig – und deshalb gibt es unterrichtsfrei. Diese
       positive Einschätzung mag zwar inhaltlich völlig richtig sein. Sie verkennt
       aber, wie leicht man dabei in den Fußangeln der Demokratie ins Stolpern
       geraten kann. Denn zur Demokratie zählt zweifellos auch die
       Meinungsfreiheit. Und diese erlaubt eben auch Aktionen, die weniger Lob
       finden dürften.
       
       Was wäre, wenn übermorgen Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts
       eine Kundgebung gegen Asylbewerber organisieren würden? Würden diese Kinder
       dann nicht auch die Regeln der Meinungsfreiheit lernen? Sollten sie etwa im
       Gegensatz zu den Klimafreunden nachsitzen müssen, weil uns diese
       Meinungsäußerung nicht passt? Das geht nicht.
       
       Die Äußerung unbequemer Meinungen mag auf berechtigten Widerspruch stoßen,
       aber sie muss prinzipiell die gleiche Förderung genießen wie Sprechchöre
       gegen Braunkohleförderung. Wer den Unterricht für Klima-Kinder ausfallen
       lässt, muss dies auch fremdenfeindlichen Jugendlichen zugestehen. Denn das
       wäre ja eine schöne Demokratie, die nur die Meinung fördert, die uns
       gefällt.
       
       Und noch etwas spricht gegen schulfrei für Klima-Kids: Sie zeigen mit ihren
       Aktionen auch die Lust an Regelbruch und zivilem Ungehorsam. Genau diesen
       Lerneffekt torpedieren wohlmeinende Erzieher, wenn sie die Kinder und
       Jugendlichen anschließend dafür belobigen. Denn wie hieß es noch gleich:
       Was verboten ist, das macht uns gerade scharf. Demonstrieren mit dem Segen
       der Schulleitung? Da kann man ja gleich im Matheunterricht bleiben. Klaus
       Hilllenbrand
       
       25 Jan 2019
       
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