# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Ein Lehrstück über den Sport
       
       > Baku hatte schon, nun ist Minsk dran. Danach will Kasan die Europaspiele
       > 2023. Das zeigt, wofür Mega-Events stehen: für nichts Gutes.
       
 (IMG) Bild: Die Fußball-WM war schon in Kasan, bald sollen die Europaspiele folgen
       
       Gut, man kann sagen: [1][Europaspiele] sind überflüssig. Ein europäisches
       Pendant zu Asien- oder Afrika- oder Panamerikaspielen braucht niemand.
       
       Aber da ein solcher Hinweis noch viel häufiger stimmt als nur, wenn es um
       eine Art „europäische Olympische Spiele“ geht, braucht es doch das genauere
       Hinschauen. By the way: Warum sollten nicht auch Afrika-, Asien- und
       Panamerikaspiele überflüssig sein? Und warum nicht auch die Commonwealth
       Games? Oder gleich die Olympischen Spiele?
       
       Also noch einmal: Europaspiele braucht kein Mensch, aber sie finden statt.
       Zum ersten Mal 2015 in Baku, in diesem Jahr in Minsk, und für 2023 hat sich
       [2][jetzt Kasan beworben]: Aserbaidschan, Belarus, Russland – da fehlen
       eigentlich nur noch Kasachstan und Tschetschenien, um den demokratischen
       Charakter dieses heiteren Sportfestes besonders zu betonen.
       
       Früher und zum Teil heute noch wird argumentiert, wie sehr der Sport und
       seine großen Events, Olympische Spiele, Fußballweltmeisterschaften oder
       eben auch kontinentale Spiele, autoritär geführten Regimen helfen,
       demokratischer zu werden. Da sei nämlich auf einmal die Welt zu Gast, das
       gebe der Opposition Auftrieb, und so sei doch gerade der Sport ein
       wunderbarer Hebel für die Demokratisierung von Gesellschaften. So wurde
       etwa vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking argumentiert.
       
       Empirisch dürfte dieses Argument als widerlegt gelten. Theoretisch war es
       schon vorher als absurd entlarvt: Gerade völlig undemokratisch
       strukturierte Institutionen wie die Olympischen Komitees oder die
       Fußballverbände sollen als Botschafter der Demokratie wirken? Warum dann
       nicht die katholische Kirche zur Durchsetzung der Frauenrechte
       vorbeischicken?
       
       Gerade am Beispiel der Europaspiele zeigt sich, dass das Gegenteil der
       Demokratisierungsthese richtig ist: Megasport-Events helfen eher dabei,
       Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bevölkerung einzuschränken, sie sorgen
       durch die erforderlichen Infrastrukturbauten für eine Umverteilung
       öffentlichen Besitzes in private Hände, und sogenannte Sachzwänge, die sich
       aus Terminnöten ergeben, begründen Einschränkungen der angeblich offener
       werdenden Debatte. Dass bei allen solchen Großevents sozial schwächere
       Menschen aus den Innenstädten verdrängt wurden und werden, weil
       Sozialwohnungen Investoren genauso stören wie Obdachlose das Stadtbild, sei
       ebenso angefügt wie der Hinweis auf den ökologischen Frevel und die miese
       Nachhaltigkeit solcher Events.
       
       Außer Kasan bewirbt sich auch das polnische Katowice um die Europaspiele
       2023, und die für die Vergabe zuständigen Europäischen Olympischen Komitees
       haben mitgeteilt, es gebe weitere „starke Bewerbungen“.
       
       Für soziale Bewegungen, die für demokratischere, soziale, zivilere Zustände
       in ihren Ländern arbeiten, sind das Alarmsignale: Solche
       Sportgroßereignisse bereiten nichts Gutes vor.
       
       Doch was heißt das für alle, die den Sport lieben? Für uns ist die
       Botschaft eigentlich auch nicht so schwer zu verstehen: Der Sport muss
       immer dazugehören, wenn es um Demokratie geht, er darf nie und never und
       kein bisschen den Institutionen überlassen werden, die ihn derzeit
       verwalten. Denn: Ein besseres Leben ohne Sport ist möglich, aber sinnlos.
       
       1 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Europaspiele
 (DIR) [2] /Kasan/!t5220782
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kasan
 (DIR) Minsk
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Uefa
 (DIR) Aserbaidschan
 (DIR) Baku
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Beginn der European Games: Merkwürdiges Gebilde
       
       Die European Games werden in Krakau eröffnet. Neben Sommer-Skisprung, Beach
       Handball und Padel sind auch viele olympische Sportarten zu sehen.
       
 (DIR) European Games in Minsk: Die Spiele, die keiner wollte
       
       In Minsk finden derzeit die Europaspiele statt. Nur bekommt das kaum jemand
       mit, dabei hat sich die Stadt so viel Mühe gegeben.
       
 (DIR) Kolumne Press-Schlag: 4.000 Lichtjahre von zu Hause
       
       Der FC Chelsea gewinnt zum zweiten Mal die UEFA Europa League. Er erzielt
       ein 4:1 gegen den Stadtrivalen Arsenal – im weit entfernten Baku.
       
 (DIR) Fußball und Korruption in Aserbaidschan: Unter dem Schutz des Regimes
       
       Aserbaidschanische Fußballer müssen bei Mord und Totschlag keine
       Gefängnisstrafe fürchten. Zahlungen an Opfer verhindern, dass diese Anzeige
       erstatten.
       
 (DIR) Europaspiele 2015: Schmutziges Feuer
       
       Das europäische Megaevent „Europaspiele“ wird im aserbaidschanischen Baku
       eröffnet. Menschenrechte und Pressefreiheit bleiben ausgesperrt.