# taz.de -- Proteste in Frankreich: Roter Schal statt gelber Weste
       
       > Sie nennen sich Foulards rouges und stellen sich gegen die französischen
       > Gelbwesten. Doch links sind sie ganz und gar nicht.
       
 (IMG) Bild: Gegen die Gelbwesten regt sich Widerstand
       
       Paris taz | Rot gegen Gelb. Es geht nicht um die Leibchen gegnerischer
       Fußballmannschaften, die Abgrenzung ist vielmehr politisch gemeint. Die
       Leute, die am Sonntag mit rotem Halstuch im regnerischen Paris [1][vom
       Platz der Nation zur Bastille marschierten], demonstrierten gegen die
       Gelbwesten. Ihr knallroter Schal soll ebenso ein Symbol werden wie die
       Warnweste, von der Karl Lagerfeld, elegant mit Fliege auf dem Foto wie
       immer, in einer Werbung für die Unfallverhütung im Straßenverkehr einmal
       gesagt hatte: „Sie ist gelb, sie ist hässlich und passt zu gar nichts, aber
       sie kann dein Leben retten.“
       
       Wer zuerst die Idee hatte, die Warnweste zum Symbol eines sozialen
       Aufstands gegen die Arroganz der Staatsmacht zu erklären, ist unklar.
       Vielleicht kam das ganz spontan, weil es ratsam war, bei den organisierten
       Blockaden auf den Kreiseln mit der fluoreszierenden Weste gut sichtbar zu
       bleiben. Jeder Automobilist hat seine gelbe Weste, die auch für
       Straßenfeger und andere Arbeiter zur täglichen Arbeitskleidung gehört und
       jetzt zudem eine soziale Zugehörigkeit signalisiert.
       
       Wie aber kamen die Gegner der Gelbwesten auf die Idee, ausgerechnet das
       rote Halstuch als Erkennungszeichen zu wählen? Im Straßenverkehr, um den es
       ja ursprünglich wegen der hohen Treibstoffpreise ging, signalisiert diese
       Farbe, stoppen zu müssen. Und mit ihrer Demonstration wollen die Foulards
       rouges nun einer Bewegung Einhalt gebieten, die nach ihrem Geschmack längst
       zu weit gegangen ist und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
       Schwarz oder Braun als Gegenfarbe wäre kein gutes politisches Signal
       gewesen, Grün ist bekanntermaßen auch schon besetzt.
       
       Aber ausgerechnet das traditionell links beheimatete Rot als Farbe der
       Reaktion, als Fahne für den Ruf nach Ruhe und Ordnung? Das rote Halstuch
       der Sonntagsdemonstranten gegen die Samstagsgewalt der Gelben – es leuchtet
       wie ein rotes Tuch in einer Arena! Die „roten“ Linksparteien und
       Gewerkschaften, die aus Angst vor unklaren Zielsetzungen und rechten
       Misstönen bei den Protesten der Gelbwesten auf Distanz blieben, müssen
       sich jetzt herausgefordert fühlen. Millionen, die unter roten Fahnen, die
       Internationale singend, gegen die kapitalistische Herrschaft gekämpft
       haben, muss sich der Magen umdrehen.
       
       Ob dieser Versuch eines ideologischen Diebstahls funktionieren kann? Mehr
       als nur ein braver Bürger, der gewiss Lust hätte, im Namen einer
       konservativen schweigenden Mehrheit gegen die Krawalle und Unruhestifter
       auf die Straße zu gehen, dürfte zögern, sich dazu jetzt ausgerechnet als
       „Roter“ zu verkleiden.
       
       Die Macron-Fans, die [2][ihren gewählten Präsidenten] und mit ihm die
       Demokratie schlechthin gegen die Bewegung von Wutbürgern verteidigen
       wollen, haben ohnehin ein Problem mit dem Farbspektrum: Als Kandidat, der
       sich vorgenommen hatte, rechts, links und die politische Mitte
       gleichermaßen anzusprechen, schillert er bis jetzt unklar – und farblos.
       Seine demonstrierenden Anhänger wollen dem nun abhelfen. Bleibt die Frage:
       Ist Macron rot vor Scham oder vor Wut?
       
       27 Jan 2019
       
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