# taz.de -- Doku über den Chaos Computer Club: Hacker aus dem Weltraum
       
       > „All Creatures Are Welcome“: Die Hamburgerin Sandra Trostel hat eine
       > Dokumentation über zwei Großveranstaltungen des Chaos Computer Club
       > gemacht – und dabei Hackerprinzipien angewandt.
       
 (IMG) Bild: Verständnisvoller Blick auf die CCC-Hacker.
       
       Sandra Trostel hat sich geärgert. Alle Geschichten, in denen darüber
       spekuliert wird, wie es weitergeht mit unserer digitalen Welt, sind
       Dystopien. Und auf solchen pessimistischen Prognosen kann man ihrer Meinung
       nach nicht aufbauen. Trostel möchte stattdessen wissen, wie eine Zukunft
       überhaupt aussehen könnte. Und sie hat eine Gruppe von Menschen gefunden,
       die die Welt nicht so hinnehmen, wie sie ist, sondern sie lustvoll
       umgestalten: die Hacker.
       
       Für die ist das Chaos keine Bedrohung, sondern eine Gelegenheit. Und so
       treffen sie sich zu Tausenden auf dem „Chaos Communication Congress“ (C3),
       den alljährlich der [1][Chaos Computer Club (CCC)] veranstaltet. Im Jahr
       2015 gab es zudem noch ein [2][Sommercamp], auf dem sich 4.500 Hacker unter
       freiem Himmel in Brandenburg trafen. Sandra Trostel ging mit ihrer Kamera
       zu beiden Großveranstaltungen, um zu zeigen, wie spielerisch dort an einer
       menschlicheren Utopie gebastelt wird.
       
       Und um gleich mit einem optimistisch-utopischen Bild zu beginnen, lässt sie
       in der ersten Einstellung des Films ihre Drohnenkamera um eine kleine
       Plastikrakete kreisen, die auf dem Vorplatz des Hamburger Kongresszentrums
       gelandet zu sein scheint – denn auch Hacker aus dem Weltraum wollen am C3
       des CCC teilnehmen.
       
       Das Raumschiff ist ein Maskottchen der Veranstaltung, und auch eine
       Zeitmaschine in einer Telefonzelle, die aus der britschen Fernsehserie „Dr.
       Who“ geklaut ist, gehört zum Inventar des Kongresses. Sandra Trostel nimmt,
       was sie kriegen kann, und setzt mit diesen Requisiten gleich zwei
       erzählerische Klammern: Aliens auf dem Kongress und eine Zeitreise in
       digitale Vorzeiten, ohne diese dann auch nur halbwegs konsequent
       fortzuführen. Aber immerhin erinnert sie so daran, dass Science Fiction
       nicht immer apokalyptisch sein muss.
       
       Eine dritte Klammer nimmt sie dann doch ernster: Sie tut so, als sei ihr
       Film Teil eines Computerspiels, das mit seiner rudimentären Animation
       aussieht, als wäre es in den frühen 1990er-Jahren entworfen worden. Sie und
       die Zuschauer können verschiedene Levels erreichen, wenn sie jeweils eine
       Lektion über die Hacker und ihre Weltsicht gelernt haben.
       
       Dieser stilistische Anachronismus ergibt schnell Sinn, wenn Trostel zeigt,
       wie analog es bei den Hackern zugeht. Da wird viel gelötet, Nachrichten
       werden durch eine aus Plastikschläuchen gebastelte Rohrpostanlage geschickt
       und eine kleine Bimmelbahn fährt über das Campgelände. Von einer schönen,
       neuen digitalen Welt hat all das nur wenig. Stattdessen sieht man Nerds,
       die ihren Spass auf einem riesigen Abenteuerspielplatz haben.
       
       ## Zugeschalteter Whistleblower
       
       Natürlich wurde auf dem Kongress auch ernsthaft diskutiert: Einer der
       Hacker auf dem Podium erzählt davon, dass ihm mit einer Anklage wegen
       Landesverrats gedroht worden sei, Edward Snowden ist übers Netz
       zugeschaltet. Und Trostel lässt eine Reihe von Aktivisten, Organisatoren
       und Sprechern kluge Sachen erzählen. Ganz nebenbei erfährt man auch, dass
       [3][das inoffizielle Gründungstreffen des Chaos Computer Clubs] im Jahr
       1981 in den Redaktionsräumen der taz stattfand. Aber wie schon gesagt, die
       Zeitreise verliert Trostel bald aus den Augen, und auch an einer
       Stilisierung der Hacker als Helden ist sie kaum interessiert.
       
       Dafür zeigt sie, was die Engel so machen. Engel werden die Freiwilligen
       genannt, die beim Kongress für die Organisation hinter den Kulissen sorgen.
       500 von ihnen arbeiten ohne Lohn dafür, dass für die 12.000 Besucher alles
       halbwegs reibungslos funktioniert. Hier sieht man, dass Methode hinter dem
       Chaos steckt und für Trostel ist das darunter liegende Prinzip (nach dem
       etwas, das geteilt wird, nicht weniger wird, sondern mehr) ein wichtiger
       Teil der Utopie, die an diesen paar Tagen von den Hackern gelebt wird.
       
       Alle basteln, spielen, diskutieren und feiern gemeinsam und das Hochgefühl,
       dass diese Erfahrung bei den Teilnehmern auslöst, kann Trostel authentisch
       und intensiv vermitteln. Konflikt und damit eine interessante Dramaturgie
       gibt es in ihrem Film dagegen nicht – deshalb der etwas bemühte und nicht
       wirklich schlüssige Trick mit dem Computerspiel. Dystopien erzählen sich
       einfach spannender als Utopien.
       
       Überzeugend ist dagegen, wie konsequent Trostel ihren Film nach den
       Prinzipien produzierte, die sie in ihm propagiert. So respektiert sie die
       Privatsphäre der Menschen in ihren Aufnahmen, indem sie konsequent alle
       Gesichter jener verpixelte, von denen sie keine Drehgenehmigung bekam. Das
       ist gewöhnungsbedürftig, aber spätestens, wenn im Computerspiel ein
       animierter Vogel verpixelt wird, erkennt man das Prinzip.
       
       ## Per Crowdfunding produziert
       
       Trostel hat ihren Film nicht so produziert und vermarktet, wie dies sonst
       üblich ist, sondern durch Crowdfunding. Und kein Filmverleih bringt ihn in
       die Kinos, sondern am Ende des Jahres will Trostel auf dem nächsten Chaos
       Computer Congress auf einen dicken Knopf drücken – dann wird ihr Film
       online umsonst zu sehen sein. Außerdem will sie ihr gesamtes Rohmaterial
       ins Netz stellen, sodass jeder seine eigene Version des Films schneiden
       kann. Ein halbes Jahr lang wird sie aber, wie sie sagt, mit ihm noch „die
       alte Welt“ bedienen, also ihn in Kinos zeigen. Er lief schon auf diversen
       Festivals, offizielle Premiere feiert er nun in Hamburg.
       
       Anschließend macht „All Creatures Welcome“ eine kleine Tour durch die Kinos
       des Landes. Diese wird örtlich von der Gemeinde von Unterstützern
       organisiert, die sich über das Crowdfunding gebildet und ein Interesse
       daran hat, dass der Film in einem Kino in ihrer Nähe gezeigt wird. Dieses
       System, bei dem die Zuschauer sich selber darum kümmern, dass ein Film in
       ihre Kinos kommt, ist revolutionär – oder sagen wir utopisch.
       
       15 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ccc.de/
 (DIR) [2] https://vimeo.com/148779102
 (DIR) [3] /!5112266/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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