# taz.de -- Ministerrücktritt wegen Brexits: „Schrecklicher Fehler“
       
       > Es wird einsam um Theresa May. Immer mehr Parteifreunde rebellieren gegen
       > die angestrebte kuriose Brexit-Vereinbarung.
       
 (IMG) Bild: Jo Johnson galt bisher als loyal gegenüber Premierministerin Theresa May
       
       Berlin taz | Normalerweise ist der Rücktritt eines Staatsministers im
       Verkehrsministerium keine Spitzennachricht. Aber in der Endphase der
       Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU ist nichts normal,
       und wenn der zurücktretende Politiker der Bruder des Brexit-Wortführers
       Boris Johnson ist, ist ihm Aufmerksamkeit sicher.
       
       Bis zu seinem Rücktritt am Freitagnachmittag war Staatsminister Jo Johnson
       das Gegenteil seines Bruders: unbekannt, diskret, loyal, eher
       EU-Befürworter, eher ein Getreuer der Premierministerin Theresa May. Umso
       gewaltiger war die Erschütterung, die sein Abtritt auslöste. Was bei den
       Brexit-Verhandlungen entstehe, seien „ein schrecklicher Fehler“ und ein
       „Verrat“, schrieb Johnson und warnte: „Großbritannien steht am Rande der
       größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.“
       
       Kern der Kritik ist das [1][Austrittsabkommen mit der EU], das nach
       Beteuerung der britischen Regierung zu 95 Prozent fertig ist. Es sieht nach
       dem EU-Austritt am 29. März 2019 eine Übergangszeit bis Ende 2020 vor, in
       der alle bisherigen Regeln weiter gelten. Falls bis dahin kein
       Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien steht, soll ein
       sogenannter „backstop“ in Form eines Verbleibs entweder Nordirlands oder
       ganz Großbritanniens in der EU-Zollunion verhindern, dass Kontrollen an der
       zukünftigen EU-Außengrenze auf der Insel Irland nötig sind.
       
       Die EU verlangt, dass im Rahmen dieses „backstop“ Kontrollen des
       Warenverkehrs zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens stattfinden
       und dass dieser Schwebezustand auf unbestimmte Zeit gilt. Die britische
       Regierung verlangt eine Befristung des „backstop“ oder zumindest die
       Möglichkeit, ihn auf eigene Initiative zu beenden, und lehnt EU-Kontrollen
       innerhalb des britischen Staatsgebietes ab. Eine Annäherung ist derzeit
       nicht in Sicht – so droht ein Brexit ohne Vereinbarung, ein sogenannter „no
       deal“.
       
       ## Lieber ein neues Referendum
       
       Selbst wenn sich beide Seiten einigen würden, so jetzt Jo Johnson, hätte
       Großbritannien nur die Wahl „zwischen zwei zutiefst unattraktiven Optionen:
       Vasallentum und Chaos“. May biete dem Land ein „nie endendes Fegefeuer“,
       das er nicht unterstütze. Johnson verlangt eine neue Volksabstimmung, bei
       der Mays Deal, ein „no-deal“-Brexit sowie ein EU-Verbleib zur Wahl stehen
       müssten.
       
       Über weitere Rücktritte wird jetzt spekuliert, und endgültig klar ist:
       Sollte sich May mit der EU einigen, dürfte sie dafür keine Mehrheit im
       Parlament finden. Bisher setzte die Premierministerin darauf, dass sie die
       Neinstimmen der einigen Dutzend Brexit-Hardliner in ihrer konservativen
       Fraktion durch Ja-Stimmen eher EU-freundlicher Abgeordneter Labours und
       anderer Oppositionsparteien ausgleichen kann. Aber zum einen werden die
       Hardliner immer zahlreicher – 51 der 316 Tory-Abgeordneten haben
       schriftlich eine Neinstimme zugesagt. Mit ihnen hat sich offiziell die
       protestantische nordirische DUP mit aktuell 9 Sitzen verbündet, die May
       einen Ausverkauf Nordirlands vorwirft.
       
       60 Abweichler lassen sich nicht durch eine Handvoll Labour-Vertreter
       kompensieren, die mit einem Votum für May ihre Parteilinie konterkarieren
       würden. Wenn Mays Deal nun auch von der anderen Seite der eigenen Partei
       abgelehnt wird, bleibt niemand mehr übrig, der für die Premierministerin
       stimmt.
       
       Damit ist es schon fast egal, ob die Brexit-Gespräche in Brüssel doch noch
       zum Erfolg führen oder nicht. Brexit-Minister Dominic Raab hatte Ende
       Oktober in einem Schreiben an Abgeordnete den 21. November als letzten
       Termin genannt, an dem ein Abkommen stehen müsse. Danach muss der Deal von
       den 27 EU-Staats- und Regierungschefs gutgeheißen werden, bevor er den
       Parlamenten in London und Straßburg vorgelegt wird.
       
       Mays Grunddilemma: Sie kann sich entweder mit der EU einig werden oder mit
       dem eigenen Parlament. Aber mit beiden – das erscheint nunmehr völlig
       unmöglich.
       
       11 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wichtige-Zugestaendnisse-bei-Irlandfrage/!5547849
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Theresa May
 (DIR) EU
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Brexit-Verhandlungen und Irlands Grenze: Irland einig, UK geteilt
       
       Ein Streitpunkt in den Brexit-Verhandlungen ist die irische Grenze. Der
       neue Plan von Theresa May könnte das Vereinigte Königreich teilen.
       
 (DIR) EU-Austritt Großbritanniens: Wie weiter mit dem Brexit?
       
       Ein Entwurf für den Austrittsvertrag Großbritanniens aus der EU liegt jetzt
       vor. Entschieden ist damit noch nichts. Wie geht's jetzt weiter?
       
 (DIR) Brexit-Verhandlungen: Einigung in Sicht
       
       London meldet einen Durchbruch bei den Verhandlungen um den EU-Ausstieg
       Großbritanniens. Ein entsprechender Entwurf soll dem Kabinett vorgelegt
       werden.
       
 (DIR) Sozialleistungssystem in Großbritannien: Ein Angriff auf die Armen
       
       Alle Sozialleistungen sollen im „Universal Credit“ vereint werden. So
       saniert Großbritannien den Sozialstaat. Aber das neue System steigert die
       Not.
       
 (DIR) Wichtige Zugeständnisse bei Irlandfrage: Großer Schritt nach vorne beim Brexit
       
       In nur fünf Monaten will Großbritannien die EU verlassen. Doch die
       Brexit-Gespräche verlaufen zäh. Ist nun der Durchbruch in Sicht?