# taz.de -- Kommentar Migration nach Nordamerika: Es bleibt nur Selbstermächtigung
       
       > Tausende ZentralamerikanerInnen befinden sich derzeit auf einem Marsch
       > gen Norden. Die Menschen zwingen die USA zum Umdenken.
       
 (IMG) Bild: Trump bezeichnete die MigrantInnenkarawane am Montag als „Angriff auf unser Land“
       
       Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gibt den Tausenden Recht, die
       ihre zentralamerikanischen Heimatländer verlassen haben und sich gerade
       quer durch Mexiko Richtung USA bewegen. In Artikel 13 Absatz 2 heißt es
       dort: „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu
       verlassen.“
       
       Nur, und das ist die Crux sowie längst auch als Vorbehalt im Artikel 12 des
       UN-Zivilpaktes verankert: Dem uneingeschränkten Recht auf Aus- steht kein
       ebensolches Recht auf Einwanderung gegenüber. Im Klartext: Wer das Recht
       auf Ausreise wahrnehmen will, sieht sich Zäunen, Grenztruppen, Mauern und
       Stacheldraht gegenüber. So wird die legale und menschenrechtlich
       garantierte Auswanderung zur illegalen Einwanderung.
       
       Diesen Widersinn selbst international übergeordneter Rechtsregelungen kann
       überhaupt niemand akzeptieren, der sich durch die Umstände in seinem
       Heimatland dazu gezwungen sieht, sich auf den Weg zu machen. Übrig bleibt
       letztlich nur die Selbstermächtigung. Und genau das tun die Reisenden der
       Karawane.
       
       Sie stellen damit infrage, was die wohlhabenderen Zielländer, in diesem
       Fall die USA, aber auch alle anderen, als selbstverständlich erachten: dass
       sie selbst darüber bestimmen können, wer innerhalb ihres Staatsgebietes
       lebt und an ihrem Reichtum partizipiert. Moraltheoretisch ist das
       interessant: Das eine Recht, das zum Verlassen einer aussichtslosen
       Situation, ist menschenrechtlich garantiert – wird aber faktisch nicht
       gewährt. Das andere, das der Abwehr Bedürftiger, ist moralisch schwer bis
       gar nicht zu begründen, juristisch aber bestens abgesichert.
       
       ## Die Folgen der Ausbeutung zu leugnen, funktioniert nicht
       
       Im Falle der zentralamerikanischen Auswanderung Richtung Norden kommt noch
       hinzu, dass die Region extrem durch die inzwischen gut 200-jährige Dominanz
       der regionalen Hegemonialmacht geprägt ist: durch die immer
       wiederkehrenden politischen, militärischen und wirtschaftlichen
       Interventionen der USA. Von wenigen Indigenen-Gebieten abgesehen hat eine
       erschreckend umfassende, auch kulturelle Assimilation an den Hegemon im
       Norden stattgefunden – ohne aber an dessen Reichtum teilhaben zu dürfen.
       
       Damit kommt der Norden schlicht nicht mehr durch. Globale
       Ausbeutungsstrukturen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Folgen davon
       in Gestalt von Migration leugnen oder gewaltsam bekämpfen zu wollen, kann
       auf Dauer nicht funktionieren. Aber weil genau diese Erkenntnis keine
       Konsequenzen hat außer dem Versuch, die Grenzmauern immer noch höher zu
       ziehen, braucht es die Karawanen, die gemeinsam die Grenzen überwinden. Vor
       den Menschen muss niemand Angst haben. Aber sie zwingen zum Umdenken.
       
       24 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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