# taz.de -- OB-Stichwahl in Potsdam am Sonntag: Die rote Hochburg im Osten
       
       > In Potsdam stellen SPD und Linke die Kandidaten für die Stichwahl zum
       > Oberbürgermeister. Von Rechtsruck und AfD ist nichts zu spüren. Wie kommt
       > das?
       
 (IMG) Bild: Schöne Aussichten: In Potsdam lässt es sich links leben
       
       Potsdam entscheidet am Sonntag darüber, wer die nächsten acht Jahre das Amt
       des Oberbürgermeisters ausfüllt. Als Ergebnis der ersten Wahlrunde treten
       in der Stichwahl Mike Schubert für die SPD und die parteilose Martina
       Trauth für die Linke gegeneinander an. Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD) war
       nach 16 Jahren als Oberbürgermeister nicht mehr angetreten.
       
       Der 45-jährige Sozialdezernent Schubert, der vor drei Wochen bei 32,2
       Prozent landete, gilt bei Beobachtern als Favorit. Trauth hatte in der
       ersten Runde Probleme, die linke Stammwählerschaft in den
       Plattenbaugebieten zu mobilisieren. Dennoch reichte es mit 19,1 Prozent
       für den zweiten Platz.
       
       Rot gegen Rot in der Stichwahl: Was ist los in der brandenburgischen
       Landeshauptstadt?
       
       ## Der Stadt geht es gut
       
       Tatsächlich wirken in Potsdam ein paar Faktoren, die es in dieser
       Zusammensetzung nicht allzu häufig gibt. Zunächst einmal geht es der Stadt
       vergleichsweise gut. Laut einer repräsentativen Umfrage sind 90 Prozent der
       Bewohnerinnen und Bewohner zufrieden mit der Entwicklung Potsdams. Jedes
       Jahr entdeckt der Kämmerer einen überraschenden Überschuss in der
       Stadtkasse, die Arbeitslosigkeit liegt unter dem Durchschnitt im Osten
       Deutschlands. Es wird kräftig investiert, auch in die soziale
       Infrastruktur. Neue Wohnviertel entstehen und die Stadt sorgt für den Bau
       von Schulen und Kitas. Die Betreuungsquote in den Kindergärten ist eine der
       höchsten in Deutschland.
       
       ## Die Stadt wächst stark
       
       Das alles zieht zusammen mit der landschaftlich ansprechenden Lage viele
       Menschen an: Die Stadt wächst. Bereits seit 15 Jahren ziehen mehr Menschen
       nach Potsdam, als wegziehen. Über 177.000 Einwohner sind es mittlerweile,
       fast 50.000 mehr als noch Anfang der 2000er Jahre.
       
       Die neuen Potsdamer kommen nicht nur aus Brandenburg. sondern auch aus
       Berlin, aus westlichen Bundesländern und dem Ausland. Abwanderung,
       Wohnungsleerstand und Perspektivlosigkeit sind in Brandenburgs
       Landeshauptstadt unbekannte Probleme. Stattdessen hat man dort mit
       Wohnungsmangel, explodierenden Mieten und verstopften Straßen zu kämpfen.
       Eine zusammenbrechende Industrie hatte es in Potsdam nicht in dem Ausmaß
       anderer ostdeutscher Großstädte gegeben.
       
       Angesichts des rapiden Wachstums wird in der Stadt seit Jahren eine
       Identitätsdebatte geführt. Entweder sorgt der Wiederaufbau von barocken
       Repräsentationsgebäuden für Streit oder der Abriss von architektonischen
       Zeugnissen der DDR-Moderne. Die AfD hat zu diesem Streit nichts beizutragen
       – ein weiterer Grund für ihre Schwäche in der Stadt.
       
       Die jüngste Debatte dieser Art dreht sich um das seit mehr als einem
       Jahrzehnt leer stehende frühere Terrassenrestaurant Minsk nahe dem
       Hauptbahnhof. Der marode Betonbau könnte teuren Wohnungsneubauten weichen –
       und ist so zum Symbol geworden. Derzeit gibt es ein Moratorium. Vor den
       Oberbürgermeisterwahlen wollten die Stadtverordneten nicht mehr die
       Abrissbirne schwingen lassen.
       
       ## Ein Heimspiel für die SPD
       
       Die SPD ist traditionell stark in Potsdam und Brandenburg generell: Seit
       1990 regieren sozialdemokratische Oberbürgermeister die Stadt, auch die
       Brandenburger Ministerpräsidenten stellt die Partei ununterbrochen.
       Einerseits bildet die SPD in Potsdam so das Establishment und besetzt die
       politische Mitte. Das lässt wenig Raum für die CDU. Andererseits hat sie es
       geschafft, an den Problemen des Alltags dranzubleiben: die kommunale
       Bauholding deckelte Mieterhöhungen, beim Land setzten sie sich für mehr
       sozialen Wohnungsbau ein.
       
       Die Grünen wiederum stellen keine Gefahr für sie dar: Sie haben ihre
       Wurzeln in der Bürgerbewegung der DDR, die sich in Potsdam maßgeblich gegen
       den Verfall der historischen Bausubstanz richtete – im wahrsten Sinne ein
       konservatives Thema. Die entstandene politische Lücke besetzt die
       linksalternative Wählergruppe Die Andere. Sie hatte sich im einstigen
       Hausbesetzerspektrum gebildet und trägt das Engagement für soziokulturelle
       Freiräume seit Jahren erfolgreich ins Stadtparlament. Wer unzufrieden mit
       der Entwicklung der Stadt ist, hat also eine Alternative auch aus dem
       linken Spektrum: Der Kandidat von Die Andere, Lutz Boede, ließ im ersten
       Wahlgang mit 11,4 Prozent den AfD-Kandidaten Dennis Hohloch (11,1 Prozent)
       knapp hinter sich.
       
       Rechte tun sich in Potsdam traditionell schwer. Es gibt eine aktive linke
       Szene und dazu einen breiten Konsens in der Stadt, dass Toleranz gut ist
       und Internationalität guttut. Das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“
       organisiert bei jeder rechten Kundgebung eine Gegendemo, die in der Regel
       ein Vielfaches an Teilnehmern mobilisiert. Schirmherr ist der
       Oberbürgermeister.
       
       ## Keine Wahlempfehlungen
       
       Wahlempfehlungen gab keiner der ausgeschiedenen Kandidaten ab. Bürgerliche
       Wähler dürften eher zu Schubert tendieren. Während Trauth trotz Wahlkampf
       darunter leidet, dass sie vergleichsweise unbekannt ist und ihr als
       Parteiloser der Stallgeruch der Linken fehlt.
       
       12 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Zschieck
       
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