# taz.de -- Umzugsprofi über Ein- und Auszüge: „Bücher sind das Allerschlimmste“
       
       > Sein wertvollster Auftrag waren Haschischpfeifen im Wert von 250.000
       > Mark. Carlos Antoniazzi über arrogante Kunden, störrische Katzen und die
       > richtige Tragetechnik.
       
 (IMG) Bild: „Lieber ein paar Kartons mehr kaufen“, rät Carlos Antoniazzi
       
       taz am wochenende: Herr Antoniazzi, seit Jahren erscheint alle fünf Tage
       die gleiche [1][Kleinanzeige in der taz]: „Carlos, der Mann für viele
       Fälle“. Dort werben Sie für Ihre Dienste, unter anderem als
       Umzugsunternehmer. Wie sind Sie einer geworden? 
       
       Carlos Antoniazzi: Das scheint in den Genen zu liegen. Meine Großeltern
       hatten bereits ein Fuhrunternehmen in Ostschlesien. Als Flüchtlinge
       landeten sie schließlich in Berlin und haben dort sehr schnell von den
       Alliierten die allererste Lizenz für Transporte innerhalb Berlins erhalten.
       
       Was haben Ihre Großeltern damals transportiert? 
       
       [2][Berlin lag ja in Trümmern]. Die haben den ganzen Schutt zum Teufelsberg
       gefahren. Auch Munition und Sprengsätze haben meine Großeltern
       transportiert, haben alles ganz ohne Sprengstoffspezialisten oder sonstige
       Sicherheitsmaßnahmen auf den Lkw geladen und sind mit einer Polizeieskorte
       zum Sprengplatz nach Zehlendorf gefahren. Die hatten sie ihr
       Fuhrunternehmen bis 1980, dann sind sie in Rente gegangen.
       
       Haben Sie im Betrieb Ihrer Großeltern mitgeholfen? 
       
       Nein. Die waren sehr deutschnational, das war schon gruselig. Außerdem bin
       ich, wie man das damals nannte, ein Bastard, ein uneheliches Kind. Ich bin
       in Berlin im Heim aufgewachsen und dann 1973, da war ich 14, in die
       besetzten Häuser rein. Im Tommy-Weisbecker-Haus bin ich groß geworden. Wir
       haben damals, neben unseren politischen Aktionen, Umzüge und andere
       niederschwellige Arbeiten gemacht. Wir wollten unabhängig vom Staat sein
       und brauchten ein bisschen Kohle. So hat das alles angefangen.
       
       Das war Ende der 70er Jahre. Seitdem hat sich [3][Berlin stark verändert]. 
       
       Es ist härter geworden. Viele können ihre Miete nicht mehr zahlen und
       müssen in die Randbezirke ziehen. Generell wird weniger umgezogen als
       früher, es gibt jetzt viel mehr Eigentumswohnungen. Früher sahen die
       Wohnungen auch schlimmer aus: Ofenheizung, manchmal nicht mal eine Dusche.
       Das kann man sich heute ja kaum mehr vorstellen. Aber die Zeiten sind
       vorbei. Ist ja jetzt fast alles saniert worden.
       
       Ihre Kunden, haben die sich auch verändert? 
       
       Ältere Menschen gehen respektvoller mit uns um und schätzen unsere Arbeit.
       Viele der jüngeren betrachten uns hingegen eher als dumme Gehilfen, die
       eine Drecksarbeit verrichten. Die stellen uns auch nie einen Kaffee oder
       ein Wasser hin.
       
       Sie sind arrogant, die jungen Leute? 
       
       Kürzlich in [4][Neukölln: zwei junge Frauen]. Wir waren zu dritt da, haben
       eingepackt, die haben sich auf dem Balkon gesonnt und sich über uns lustig
       gemacht, weil wir so geschwitzt haben. Meinten die doch tatsächlich zu uns:
       Geht mal öfter ins Fitnessstudio, dann würdet ihr auch nicht so sehr
       schwitzen.
       
       Wie haben Sie reagiert? 
       
       Ich habe denen gesagt, dass sie mit den dummen Sprüchen aufhören sollen.
       Das sei widerlich, habe ich denen gesagt. Da dachten wir wirklich: Wir
       schmeißen denen jetzt den ganzen Scheiß auf die Straße.
       
       Und, haben Sie denen dann den ganzen Scheiß auf die Straße geschmissen? 
       
       Am Ende doch nicht. Aber wir waren kurz davor, alles stehen und liegen
       lassen.
       
       War das Ihr schlimmster Umzug? 
       
       Nein, das war bei so einer hochnäsigen Frau, die stand mit ihrem Handy
       immer im Weg. Wir rackerten und rackerten, und die hat stundenlang
       telefoniert und uns nebenbei im Businesston noch Anweisungen gegeben. Es
       war wirklich kaum auszuhalten.
       
       Und was war der ungewöhnlichste Umzug? 
       
       Eine kleine Tasche mit Haschischpfeifen. Wert: 250.000 D-Mark. Der Kunde
       war nicht da, und ich habe sie innerhalb von Prenzlauer Berg von einer
       Wohnung zur anderen getragen. Ist schon ein abenteuerliches Gefühl, wenn
       man eine Tasche im Wert von 250.000 durch die Straßen trägt.
       
       Sie haben also als Drogenkurier gearbeitet. 
       
       Da waren ja keine Drogen drin. Nur diese wertvollen Haschischpfeifen.
       
       Hatten Sie keine Angst, die Tasche zu verlieren? 
       
       Wusste ja keiner außer mir, was drin ist. Aber ich habe die Tasche schon
       fester als sonst in den Griff genommen.
       
       Welche anderen wertvollen Gegenstände haben Sie transportiert? 
       
       Zwanzig Ölgemälde im Wert von 100.000 Euro. Die waren in einer Ausstellung
       für moderne Kunst und ich habe sie in die Wohnung des Besitzers
       zurückgebracht. Der Transport war natürlich versichert. Dennoch fährt man
       dann ganz besonders vorsichtig.
       
       Ist Ihnen schon mal etwas geklaut worden? 
       
       Mir noch nie. Ich passe aber auch höllisch auf. Einer muss zum Beispiel
       immer unten am Auto stehen.
       
       Welche Tipps haben Sie noch für einen stressfreien Umzug? 
       
       Die Kunden sollten nicht zu wenige Leute einsetzen. Lieber einen mehr
       bezahlen, als nachher spätabends völlig am Ende zu sein. Und die
       Vorbereitung ist sehr wichtig. Man muss das Volumen richtig einschätzen.
       Ich spreche das auch mit meinen Kunden ab. Sage ihnen zum Beispiel, dass
       sie die Kartons nicht zu vollpacken sollen. Bücher sind das
       Allerschlimmste.
       
       Weshalb? 
       
       Sie sind schwer. Die älteren Leute haben ja manchmal noch ganze
       Bibliotheken. Da schleppt man 60 bis 70 Kartons nur mit Büchern die Treppen
       runter und später wieder hinauf. Kürzlich war ich mal wieder kurz vorm
       Ausrasten. Vierter Stock, Altbau. Und der Kunde hat die Kartons so
       vollgepackt, dass man sie erstens kaum hoch bekommen hat und sie zweitens
       gerissen sind. Die sparen am falschen Ort. Lieber ein paar Kartons mehr
       kaufen.
       
       Der Leidtragende ist Ihr Rücken. Haben Sie körperliche Beschwerden durch
       Ihren Beruf? 
       
       Klar, der Rücken tut schon weh. Das ist teilweise schon Hochleistungssport.
       Deswegen lieben wir Häuser mit Fahrstühlen. Aber ich bin trotz meiner 60
       Jahre noch topfit.
       
       Auf die richtige Tragetechnik kommt es an. 
       
       Man muss die Dinge aus dem Knie hochheben. Sonst macht man sich das Kreuz
       kaputt.
       
       Was war denn das schwerste Möbelstück, das Sie jemals transportieren
       mussten? 
       
       Ein nagelneues Klavier. Habe ich aber abgelehnt, weil da so eine runde
       Treppe war und ich gesehen habe, dass wir das Teil dort nie herum bekommen.
       Dann hat der Kunde mich angemacht: Ich solle das Klavier endlich
       runterschaffen. Und ich sage, dass ich das nicht kann, weil das Klavier
       sonst kaputt geht. Ruft der andere Leute an, einen anderen Unternehmer. Die
       sagen: Kein Problem. Kommen, fangen an, das Klavier herunterzutragen und
       wumms!: Das Klavier rattert die Treppen herunter und zerbricht. War dann
       nur noch ein Schrotthaufen.
       
       Sind Ihnen auch schon Gegenstände zerbrochen? 
       
       Klar. Das Teuerste war mal eine alte Lampe, beim Abschrauben ist die mir
       aus den Händen gerutscht. Die Kundin kam sofort und schrie mich an: Das
       zahlen aber jetzt Sie und zwar sofort. 70 Euro musste ich der in die Hand
       drücken.
       
       Stören Haustiere beim Umzug? 
       
       War bei mir immer unproblematisch. Aber ein Kollege hat mir mal erzählt,
       dass er bei einem Umzug einen ganzen Tag versucht hat, die Katzen
       einzufangen. Der eigentliche Umzug konnte dann erst am nächsten Morgen
       stattfinden.
       
       Welchen Umzug werden Sie nie vergessen? 
       
       Das war eine Wohnungsauflösung. Ich ließ mir vom Hausmeister die Wohnung
       aufschließen, ging rein, öffnete die erste Tür, sah ein schlafendes
       Pärchen. Die fingen bei meinem Anblick an zu schreien. Falsche Etage, die
       richtige Wohnung befand sich einen Stock höher.
       
       Der traurigste Umzug? 
       
       Darüber möchte ich nicht reden. Man erlebt schon heftige Sachen.
       
       Würden Sie Zwangsräumungen übernehmen? 
       
       Niemals. Dabei würde ich mich dreckig fühlen. So etwas mache ich nicht.
       
       Und was wäre Ihr Traumumzug? 
       
       Ich würde gern mal etwas in die Toskana transportieren. Da gefällt es mir.
       Hat sich aber leider noch nicht ergeben.
       
       13 Oct 2018
       
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