# taz.de -- Korruption in Österreich: Innenminister ist rücktrittsreif
       
       > Das Oberlandesgericht Wien befindet eine Razzia beim Bundesamt für
       > Verfassungsschutz für rechtswidrig. Jetzt wird es eng ziemlich für
       > Herbert Kickl.
       
 (IMG) Bild: Könnte unter die Räder kommen: Österreichs Innenminister Herbert Kickl
       
       Wien taz | Er sei der „beste Innenminister der Zweiten Republik“ hatte
       Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) noch am Montag beim
       ORF-Sommergespräch über seinen Parteikollegen Herbert Kickl geschwärmt.
       Tags darauf platzte die Bombe, die Kickl zumindest in den Augen der
       Opposition rücktrittsreif macht. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien befand,
       dass eine Razzia im vergangenen Februar beim Bundesamt für
       Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) rechtswidrig gewesen sei.
       
       Man erinnert sich: Auf Drängen des Innenministeriums hatte ein Staatsanwalt
       eine [1][Hausdurchsuchung bei dem dem Innenministerium unterstehenden
       Geheimdienst BVT angeordnet]. 80 Mann der Einsatzgruppe gegen
       Straßenkriminalität der österreichischen Bundespolizei stürmten das Gebäude
       und beschlagnahmten zentnerweise Akten, Festplatten und andere Datenträger.
       
       Kickl hatte das ungewöhnliche Vorgehen damals mit „dringendem Tatverdacht“
       gerechtfertigt. BVT-Chef Peter Gridling wurde suspendiert. Das
       Oberlandesgericht befindet jetzt, man habe „zu nicht verhältnismäßigen“
       Mitteln gegriffen. Auf ein schlichtes Ersuchen um Amtshilfe hätte das BVT
       die Akten auch herausgeben müssen.
       
       Die Vorwürfe sind inhaltlich relativ banal: es geht um nicht gelöschte
       Informationen über ehemals unter Beobachtung stehende Personen, darunter
       der Anwalt Gabriel Lansky und die Grünen-Politikerin Sigrid Maurer, und um
       nordkoreanische Blanko-Pässe, die an die südkoreanischen Behörden
       weitergegeben worden seien.
       
       ## Dünne Verdachtslage
       
       Keine Affäre, die eine Rambo-Aktion im Stil von Hollywood gerechtfertigt
       hätte. Deswegen vermuteten Kritiker gleich, dass es sich in Wahrheit um den
       Beginn einer „Umfärbeaktion“ der ehemals „schwarzen“ Behörde durch den
       „blauen“ Innenminister handelte. Außerdem wurde ein
       Rechtsextremismus-Dossier beschlagnahmt.
       
       Wie dünn die Verdachtslage gegen die Beamten war, hat sich schon nach
       wenigen Wochen gezeigt: Peter Gridling ist längst rehabilitiert und musste
       von Kickl wieder auf seinem Posten installiert werden. Auch sonst dürften
       die Ermittlungen nicht sonderlich erfolgreich gewesen sein. Die Anwälte
       gehen jedenfalls davon aus, dass ihre Mandanten unbeschädigt aus der Affäre
       hervorgehen werden.
       
       Der Sturm auf das BVT hat auch die internationale Geheimdienst-Community
       aufgescheucht. [2][So zitiert die Washington Post vom 17. August] einen
       anonymen europäischen Geheimdienstler, der das BVT im Chaos sieht: „Wie
       kann man in so einer Umgebung arbeiten?“ Westliche Geheimdienste würden
       ihre vertraulichen Erkenntnisse nicht mehr mit Österreich teilen.
       
       Kickl bestreitet das und wollte in einer ersten Stellungnahme zum
       OLG-Spruch kein Fehlverhalten entdecken. Vielmehr schob er den Schwarzen
       Peter Justizminister Josef Moser (ÖVP) zu, schließlich seien es eine
       Staatsanwältin und ein Untersuchungsrichter gewesen, die die Razzia
       genehmigt hätten.
       
       ## Großer Druck
       
       Formal ist das richtig. Moser will allerdings prüfen lassen, welchen
       Einfluss der Ermittlungsdruck gehabt habe. Dazu gibt es einen konkreten
       Hinweis, nämlich die vom Oberlandesgericht in seiner Begründung
       veröffentlichte Aktennotiz der Staatsanwältin, wonach Peter Goldgruber,
       Generalsekretär des Innenministeriums, großen Druck gemacht habe. Er habe
       von einem Auftrag Kickls gesprochen, das Innenministerium sei „aufzuräumen“
       weil es „derzeit so korrupt wie noch nie“ sei.
       
       Die Oppositionsparteien SPÖ, Neos und Liste Pilz nutzten den ersten
       wirklich großen Skandal der Rechtsregierung von Sebastian Kurz (ÖVP), um
       eine Sondersitzung des Parlaments zu beantragen, bei der sie auch einen
       Mißtrauensantrag gegen Minister Kickl einbringen wollen. Der hat zwar
       angesichts der Regierungsmehrheit keine Chance, doch nächste Woche beginnt
       auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der sich mit der
       BVT-Affäre befassen wird.
       
       Dass das Innenministerium Einiges zu verbergen hat, lässt sich aus den
       unvollständig gelieferten und teilweise geschwärzten Akten schließen. Die
       Oppositionsparteien sprechen von einem Skandal und wollen die komplette
       Auslieferung der relevanten Unterlagen beim Verfassungsgerichtshof
       erstreiten. Gut möglich, dass „der beste Innenminister der Zweiten
       Republik“ den U-Ausschuss politisch nicht überlebt.
       
       29 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Razzia-beim-Geheimdienst/!5490792
 (DIR) [2] https://www.washingtonpost.com/world/national-security/austrias-far-right-government-ordered-a-raid-on-its-own-intelligence-service-now-allies-are-freezing-the-country-out/2018/08/17/d20090fc-9985-11e8-b55e-5002300ef004_story.html?noredirect=on&utm_term=.ac4ae55d85a5
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Österreich
 (DIR) Herbert Kickl
 (DIR) Bundesamt für Verfassungsschutz
 (DIR) FPÖ
 (DIR) Österreich
 (DIR) Österreich
 (DIR) Österreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Regierungspartei FPÖ und die Arbeiter: Sie wollen spalten
       
       Die Arbeitszeithöchstgrenze in Österreich steigt. Die FPÖ aber gibt sich
       als Partei der kleinen Leute. Zu Besuch in einem Wiener Arbeiterstadtteil.
       
 (DIR) Regierungsämter in Österreich: Fake News und „Daham statt Islam“
       
       Kickl, Kneissl, Löger, Köstinger, Kunasek: die Ministerinnen und Minister
       der neuen österreichischen ÖVP-FPÖ-Koalition.
       
 (DIR) Einigung auf eine Koalition in Österreich: Staatsgewalten in rechter Hand
       
       Die rechtskonservative Koalition Österreichs steht. Die ÖVP bekommt die
       Wirtschaftsressorts und überlässt der FPÖ Polizei, Militär und
       Geheimdienste.